Geschichtsbuch der Finanzen

26.07.2012
Das Buch von Christina von Braun will aufzeigen, wie sehr die Finanzgeschichte eine Geschichte des Glaubens ist. Dass das so ist, wird niemand mehr bestreiten: Der Glauben an das Geld wird in Kreditangelegenheiten mitunter so strapaziert, dass er Länder an den Rand des Abgrundes bringen kann.
Dass Geld die Welt regiert, ist eine triviale Wahrheit. Wie das Geld-Regime jedoch entstand und wie es sich an der Macht hält, ist eine komplexe und umstrittene Geschichte. Für Christina von Braun ist Geld ein äußerst abstraktes Zeichensystem und anders als oft unterstellt gerade kein Symbol für den vereinfachten Tausch materieller Güter.

Das viele Geld, das heute zirkuliert, wird ja tatsächlich weder durch Gold noch Waren gedeckt. Dafür wird sein Wert, so von Braun, durch den menschlichen Körper beglaubigt: "Unser Glaube ans Geld beruht auf der Tatsache, dass viele Menschen dran glauben müssen, wenn das Geld in die Krise gerät" - akut abzulesen an verarmten Griechen.

Für Christina von Braun steht die Finanzwirtschaft letztlich der Theologie nahe. Und diese Pointe führt zurück zum Ursprung des Geldes, den sie im männlichen Opfer sieht. An die Stelle realer Opferstiere traten etwa 700 bis 650 vor Christus im antiken Griechenland Symbole, die in Münzen eingeprägt wurden. Die Symbole trugen gewissermaßen den männlichen Samen fort, weshalb das Geld fruchtbar ist und sich mehren kann - und in der Finanzwirtschaft bis heute Männer, die einst das Opfer brachten, fast unter sich sind.

Nicht zufällig breitet sich die Geldwirtschaft im christlichen Kulturraum aus, fußt die christliche Religion doch auf dem Opfertod Jesu, durch den "neues Leben" überhaupt erst möglich wird. Im Kapitalismus indessen wird das Geld selbst zum dominanten "Subjekt", dessen Gesetzen sich die Menschen Untertan machen: "Der Stier der Antike war ein Substitut für das Menschenopfer. Nun substituiert der Mensch das Geld."

Man kann an den großen kulturhistorischen Linien, die von Braun skizziert, begründete Zweifel hegen - nicht, weil sie falsch wären, sondern weil ihre Gültigkeit übertrieben wird. Nicht selten wird von Braun von ihrer Faszination für die sexuell aufgeladene Opfersymbolik zu heiklen Schlüssen verführt.

Dass sie der Firmenname Red Bull "an den Ursprung des Geldes aus dem Stieropfer" erinnert, mag ja sein. Dass damit wenig gesagt ist, muss sie aber selbst zugeben: "Hier [bei Red Bull] jedoch werden 'Stiere' nicht getötet, sondern produziert." Was das wiederum heißt, müsste ein Exkurs über die Fallstricke von Symbol und Metapher klären. Manchmal treibt von Braun ihre Thesen auch ins Spekulative. Etwa, wenn sie die Beglaubigung des Geldes durch den Körper in der Reproduktionsmedizin gipfeln sieht: "Ich glaube, dass in Fort Knox bald nicht mehr Gold, sondern eingefrorene Embryos gelagert werden."

Der Wert von "Der Preis des Geldes" liegt in der außerordentlichen Brillanz, mit der von Braun ganze Regale voll Geld-Literatur durchdringt, und in der Originalität, mit der sie Phänomene wie Schriftlichkeit, Buchdruck, Kunst, Atomkraft, Sklaverei, Söldnertum und Prostitution mit der Entwicklung des Geldes verbindet. Trotz mancher Fragezeichen ist die Lektüre ein intellektueller Genuss. - Aber was wird nun aus dem Geld, das der Mensch nicht hat, sondern es ihn?

Christina von Braun gibt die Hoffnung noch nicht auf: "Die Geschichte des Geldes ist eine Geschichte der Domestizierung des Menschen. Eben deshalb müsste eine domestizierte Gesellschaft aber auch über die Mittel verfügen, der Eigendynamik des Geldes Zügel anzulegen."

Besprochen von Arno Orzessek

Christina von Braun: Der Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte
Aufbau Verlag, Berlin 2012
510 Seiten, 34,00 Euro
Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun. Sie lehrt an der Humboldt-Universität Berlin.
Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun. Sie lehrt an der Humboldt-Universität Berlin.© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
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