Geschichten von Anti-Helden

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 02.07.2008
Will Smith gibt in dem Hollywood-Film "Hancock" den extrem unperfekten Supermann. Als Hancock besitzt er übermenschliche Kräfte, mit denen er allerlei Schaden anrichtet. In "Kung Fu Panda" steht ein phlegmatischer Pandabär im Mittelpunkt. Der US-amerikanische Animationsfilm ist eine Parodie auf asiatische Kampfkunstfilme.
"Hancock"
USA 2008, Regie: Peter Berg, Hauptdarsteller: Will Smith, Charlize Theron, ab 12 Jahren

Der Regisseur dieses Films, Peter Berg arbeitet in Hollywood sowohl als Schauspieler ("Collateral"/2003; "Von Löwen und Lämmern"/2006) wie auch als Regisseur (zuletzt: "Operation Kingdom"/2006). Das Drehbuch wurde bereits 1996 von Vincent Ngo (heutiger Co-Autor; gemeinsam mit Vince Gilligan) unter dem Titel "Tonight, He Comes" verfasst, blieb aber viele Jahre "liegen". Die Verfilmung wurde über die Jahre verschiedenen Regisseuren - wie etwa Tony Scott, Michael Mann oder Gabriele Muccino - angeboten, bevor dann endlich am 3. Juli 2007 in Los Angeles die Dreharbeiten unter der Regie von Peter Berg begannen.

Thema: Es gibt Helden, es gibt Superhelden, es gibt Hancock. Der ist ein Supermann von Heute und einer der ganz exotischen Art: Extrem unwillig, extrem unperfekt. John Hancock ist ein fauler, unfreundlicher, sarkastischer und auch stark alkoholabhängiger Super-Hero. Er ist unverwundbar, besitzt übermenschliche Kräfte und kann auch mit Überschall herumfliegen. Doch ist er nicht sonderlich erpicht, seine Superkräfte einzusetzen, weil damit bzw. dabei auch immer riesig viel "kaputtgeht" in der Stadt. Was selbiger dann jeweils immer Millionenbeträge kostet von wegen der "Reparaturen" an zerstörten Gebäuden und Autos. Öffentliche "Empfehlungen" werden deshalb immer lauter, vielleicht doch mal lieber nach New York umzusiedeln. Hancock kontert aber nur trocken: "Wo gehobelt wird, da fallen Späne".

Doch die Menschen zeigen ihm immer offener ihre Ablehnung. Beziehungsweise: Es ist geradezu "Mode" geworden, Hancock zu hassen. Die Medien sind voll von totaler Antipathie ihm gegenüber. Da passt es gerade gut, dass er soeben das Leben des freundlichen PR-Beraters Ray gerettet hat. Der erkennt Hancocks Dilemma und will ihm unbedingt zu einem besseren Image verhelfen. Innerlich wie auch äußerlich. Doch auch Rays attraktive Ehefrau Mary scheint große Abneigung gegen den neuen "Kunden" (besser "Patienen") ihres Mannes zu hegen. Aber: Da spielen noch ganz andere "Interessen" eine erhebliche Rolle, denn das Chaos nimmt seinen endgültigen Lauf, als sich herausstellt, dass Hancock und Mary unerwartete Gemeinsamkeiten verbinden.

Ein zweigeteiltes neues Superhelden-Movie: Anfangs mit den Regeln des Genres herrlich-kontra spielend, sie pointiert auf die Schippe nehmend, von einem glänzenden Entertainer Will Smith furios in Anti-Helden-Stimmung gebracht. Mit schnellen Schnitten und einer kess-mobil-agilen Spannungskamera herumtollend. Schmackhaftes Popcorn-Kintopp in unterhaltsamer Reinkultur.

Doch etwa "ab Halbzeit" der insgesamt 92 Minuten kippt die schöne Anarcho-Action-Chose. Slapstick paart sich nun mit Traumata-Verzweiflung sozusagen. Weil nun eine Geschichte "mit Botschaft" und Thrill bemüht wird. Sie handelt von tragischer Herkunft, großen Family-Gefühlen, viel Pathos und einer simplen wie schließlich reißerischen Gut-gegen-Böse-Story. Ein Stimmungswechsel, der verstimmt: "Sauberkeit" und "Ehrlichkeit" sollen die emotionalen Gemüter fortan etwas "besänftigen" (warum eigentlich?) bzw. beruhigen, das schön-freche No-Helden-Image wird auf kriminalistisches "Normalmaß" gestutzt. Eine Konstruktion, die dann nur noch begrenzt unterhält, weil sie weder folgerichtig erscheint und den tollen Bis-Hierher- Anarcho-Charme (zer-)stört. Entweder traute man sich nicht, "so" konsequent weiterzurüpeln, oder man wollte ab sofort auch das naive Family-Blockbuster-Krimi-Publikum (plump) erreichen.

Ein Spagat, der aber nicht so recht schmecken will, weil er - inhaltlich wie dramaturgisch - inkonsequent erscheint und den bisherigen Unterhaltungsschwung bremst. Obwohl der nun eingeführte Hancock-Feind und Extrem-Schurke Red, fein-fiebrig vom britischen Mimen Eddie Marsan ("Happy-Go-Lucky") dargeboten, für neuen, schrägen Figurenreiz sorgt. Immerhin aber: Superstar Will Smith ("Men In Black"; "Ali"; "Hitch - Der Date-Doktor"; "Das Streben nach Glück" und kürzlich "I Am Legend") ist nicht totzukriegen, bleibt als Stimmungskanone auf einem Klasse-Level.

Als "gleichberechtigte" feminine Helden-Partnerin hat "Oscar"-Preisträgerin Charlize Theron ("Monster"/2004; zuletzt: "Im Tal von Elah") erhebliche Mühe, einigermaßen adäquat auf der großen Leinwand-Show-Bühne mitzuhalten. Und als ihr naiver PR-Berater-Ehemann fällt Jason Bateman (zuletzt in "Mr. Magoriums Wunderladen") ziemlich ab. So bleibt es einzig Will Smith vorbehalten, Neugier, Interesse, Gefühl an Spiel, Spaß, Spannung aufrechtzuerhalten, und der Typ überzeugt voll und ganz. Zeigt sich als jederzeit cooler, atmosphärischer, charismatischer Vollblut-Entertainer, dem zuzusehen und zuzuhören ein wonniges Vergnügen ist.

Zudem bleiben die Tricks & Stunts ironisch-verblüffend-scharf ("Wir sind die Einzigen, die den Kopf eines Mannes im Hintern eines anderen Mannes zeigen; ich hoffe, unsere Kinder wissen das zu schätzen"/Mit-Produzent Akiva Goldsman) und besitzen durchweg prima-hollywoodsche Jahrmarktsqualitäten.

Fazit: Eine grobmotorige Will-Smith-Fantasy-Action-Drama-Parodie-Komödie mit letztlich noch Okay-Appeal.


<im_45336>"Kung Fu Panda" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_45336>"Kung Fu Panda"
USA 2008, Regie: Mark Osborne, John Stevenson, Animationsfilm, ohne Altersbeschränkung

Der Streifen von Mark Osborne und John Stevenson ist ein neuer Computer-Animationsfilm aus dem erfolgreichen amerikanischen Produktionshaus von "Dreamworks". Von dort stammen bekanntlich animierte Hits wie "Shrek 1-3" sowie "Antz", "Madagascar" und zuletzt "Bee Movie - Das Honigkomplott". Wobei der Titel hier für Story und Hauptfigur steht und auch einen Anti-Helden vorstellt: Der ist rundlich, verfressen und pflegmatisch, also alles andere als ein schneller, wendiger, eleganter Kung-Fu-Spitzenkämpfer.

Dennoch wird er, der Panda-Bär Po, zum Großen Drachenkrieger ausgerufen, der einem gigantischen wie bösen Schneeleoparden paroli bieten soll. Dabei ist im Grunde alles ein zufälliges Missverständnis. Am Anfang ist der behäbige PP, Panda Po, gerade dabei, im Restaurant seines Vaters, einer Ente, eine ungeliebte Ausbildung zum Nudelsuppen-Meister zu absolvieren.

Wir befinden uns im China von Annodunnemal, und Po (im Original gesprochen von Jack Black, bei uns von Hape Kerkeling) sieht seine Zukunft nicht beim Zwiebelschneiden und Lieferservice. Stattdessen flüchtet er sich regelmäßig in Tagträume, in denen er, zusammen mit anderen Helden, packende Kung-Fu-Duelle erfolgreich bestreitet. Doch eine Prophezeiung macht's plötzlich möglich: Er wird zu einem Meisterschüler erkoren, der sich fortan "mit den Besten der Besten" messen soll.

Und das sind immerhin die Klasse-Krieger Affe, Gottesanbeterin, Kranich, Schlange und Tiger. Natürlich kommt außer cololen Sprüchen und einigen tollpatschigen "Bewegungen" erst einmal "nichts rüber" vom überraschten Po. Während die anderen sich flink und mutig zu bewegen verstehen, scheint es bei ihm an allem zu fehlen. Doch wir wissen, Kino-Schauen heißt auch DENKSTE zu akzeptieren. Irgendwann wendet sich das (vorhersehbare) Blatt, und mit Unterstützung seines kauzigen Lehrmeisters Shifu (im Original: Dustin-Hoffman-Stimme, Deutsch Gottfried John) vermag Po dann doch über sich hinauszuwachsen und..., natürlich... Nun also ein Panda. Der wirkt ganz witzig mit seinem pummligen Klamauk-Charme, während die Show in diesem Umfeld auch als hübsche Hommage-Parodie auf asiatische Kampfkunstfilme charmant ´rüberkommt (im Original spricht Kung-Fu-Altmeister Jacke Chan den Affen).

Zudem sind manche Genre-Motive originell animiert, wie etwa ein Hängebrücken-Gefecht, und sind die zahlreichen Anspielungen an das Martial-Arts-Hongkong-Kino der 70-er und 80-er Jahre (zum Beispiel der Shaw-Brüder/"Die 36 Kammern der Shaolin") für Eingeweihte wie Fans ganz urig, und natürlich darf schließlich auch d e r 70-er Jahre-Pop-Hit "Everybody Was Kung Fu Fighting" selbstironisch nicht fehlen.

Dennoch bleibt "Kung Fu Panda" in seinem Amüsemant "nett-überschaubar" und kann mit tempo- wie einfallsreicher Unterhaltungsspitzen-Parodiekost wie "Shrek" oder wie neulich von der "Pixar"-Konkurrenz mit "Ratatouille" nicht mithalten: Dafür fehlt es an viel mehr Satire-Power, an raffinierten Pointen und an pfiffigen Überraschungen. Auch: Weil "Kung Fu" viel zu ernst genommen wird. Man setzt buchstäblich auf bewährte Cartoon-Nummern (wenn Du deinen Feind nicht besiegen kannst, dann setz´ Dich doch einfach auf ihn drauf...) und hantiert routiniert nach schlichtem Slapstick-Motto: "Glaube an dich selbst, dann klappt schon alles."

Das ist ganz nette Ha-Ha-Komik, aber auch nicht mehr. Und auch Panda Po besitzt "nur" den simpel-fröhlichen Knuddel-Charme eines kauzigen Lausbuben. Und Hape: Der spricht seinen tierischen Typen mit viel Charme, aber ohne Kerkeling-Enthusiasmus: Ein guter stimmlicher Promi-Erfüllungsgehilfe halt. "Kung Fu Panda" oder: Ganz lustig-sympathisch, der neue, etwa 130 Millionen Dollar teure Blockbuster-Animationsspaß aus dem Amiland, aber mehr diesmal halt nicht ...