Gesa Ufer liest Musik

Guter Gegenwind

Denyo (Dennis Lisk) von der Band Beginner, aufgenommen 2013 auf der Bühne der Trabrennbahn in Hamburg
Hobby-Meteorologe Denyo: "All der Gegenwind ist gut für dich" © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
Von Gesa Ufer · 23.04.2015
Zwei Musiker der "Absolute Beginner" haben sich mit Solo-Projekten einen Namen gemacht: Jan Delay, und – in dessen Schatten – Denyo. Der heißt eigentlich Dennis Lisk. Sein neues Album "Derbe" hat sich Gesa Ufer genauer angehört.
Mit dem Alter droht die Verspießerung. Helden der Jugendkultur muss dieses Phänomen besonders hart treffen. Der Hamburger Rapper Denyo jedenfalls kann davon ein Lied singen. Zwei Kinder hat der 38-Jährige inzwischen, und auf Elternabenden fühlt er sich unbehaglich, denn hier zollt ihm so gut wie niemand "maximum respect". Hip Hopper, das ist ein Beruf, den die wenigsten anderen Eltern als ehrbar anerkennen. Am liebsten, sagt der gebürtige Hamburger, der mit Klarnamen Dennis Lisk heißt, würde er da mal einen seiner Songs auflegen.
Zum Beispiel diesen:
Du sitzt in deinem Nest, zwitscherst mit den anderen
Die Eierschale noch auf'm Kopf, Mamas kleiner Spatz
Doch hinter deinem Rücken, da warten schon
Die Geier und sägen heimlich an deinem Ast
So viele strange Vögel auf der falschen Schiene
Sie pfeifen auf dich und sie beneiden deine Zuversicht
Ah, weil sie das Fliegen verlernt haben
Wie Pinguine, doch all der Gegenwind ist gut für dich
Die Erfahrung, sich nicht zugehörig zu fühlen, ist dem Sohn eines Afrikaners und einer Deutschen nicht neu. Erst mit 20 Jahren habe er realisiert, dass er für manche nicht als Deutscher durchginge, erzählt Denyo im Interview. Die Hip Hop-Kultur als Auffangbecken für ausgegrenzte Kinder habe ihn dennoch schon früh angezogen. Der Protagonist in Denyos neuem Song "Gegenwind" tritt zwar als unversehrter, lustiger Vogel seine Reise an, muss aber - um im Vogel-Bild zu bleiben – schon bald Federn lassen.
"Wind von vorn" stachelt an
Ein wenig klemmen die ornithologischen Bilder: Geier, die an Ästen sägen, werden in der nächsten Zeile zu flugunfähigen Pinguinen, und das Lyrische Ich steigt nicht adlergleich in den Himmel, sondern baut sich aus den Steinen, die andere ihm in den Weg legen, eine Startbahn. Das erinnert mehr an Flugplatz als an freie Wildbahn:
Ich pflaster mir 'ne Startbahn aus kleinen Steinen
Und dann heb ich ab und sammel Meilen
Ich streck die Arme aus, während ich hinauf flieg
Und je mehr Gegenwind, desto mehr Auftrieb
Desto mehr Auftrieb
Desto mehr Auftrieb
Desto mehr Auftrieb
Und je mehr Gegenwind, desto mehr Auftrieb
Die Gesetze der Thermik verbindet Denyo mit einem alten militärischem Grundsatz: "Viel Feind', viel Ehr'".
Vom Fliegen haben schon viele gesungen, und vom Wind sowieso. Bei Denyo bremst der "Wind von vorn" nicht etwa aus, er stachelt nur zu noch mehr Entschiedenheit an.
Außenseiter aus Überzeugung
Ganz anders als bei seinem Rapperkollegen Thomas D. von den Fantastischen Vier, dem das Gefühl, alles hinter sich lassen zu wollen, in den 90er-Jahren nicht Gegen-, sondern Rückenwind bescherte:
Ich packe meine Sachen und bin raus mein Kind,
Thomas D. ist auf der Reise und hat Rückenwind.
Ich sag es euch auf diese Weise, alle die am suchen sind,
Sind mit mir auf der Reise, haben Rückenwind.
Und wir fahrn auch über Wasser wenn da Brücken sind,
Ey, der Typ hat ne Meise aber Rückenwind.
Wir betreten neue Wege dir wir noch nicht hatten,
Und ich nehm euch mit 'n Stück in meinem Windschatten.
Auch wenn die Windrichtung eine andere ist und Denyo seine Autosuggestion längst nicht so sorglos-euphorisch vorträgt wie Thomas D.: Beide sind sie manchmal Außenseiter aus Überzeugung.
Und was den Zahn der Zeit angeht: Aus dem "Absolute Beginner" von einst ist zwar unbestritten der Familienvater Dennis Lisk geworden, der zu Elternabenden muss. Sollten die sich aber mal wieder ziehen wie Kaugummi, singt er sich wahrscheinlich insgeheim seinen Teil – ob nun mit Hilfe von Vogel– oder am Ende eben doch mit Flugzeugmetaphern:
Und wir tanzen auf den Wolken zu den Melodien
Der Tank ist voll, denn eure Ignoranz ist unser Kerosin.
Mehr zum Thema