Gesa Ufer liest Musik

"Gute Menschen" von OK Kid

OK Kid bei einem Auftritt beim zehnten Bundesvision Song Contest 2014 in Göttingen.
OK Kid bei einem Auftritt beim zehnten Bundesvision Song Contest 2014 in Göttingen. © picture alliance / dpa / Swen Pförtner
17.12.2015
OK Kid nennen sich drei junge Musiker, die deutschen Pop mit Hip-Hop-Einschlag produzieren. Ihre Texte drehten sich bislang um das Lebensgefühl Heranwachsender. Mit ihrem Song "Gute Menschen" gibt sich die Band nun ungewohnt politisch.
Steel-Drums zaubern traditionell gern exotisch-folkloristische Wohlfühl-Stimmung.
Hier nicht:
Ich seh' nur gute Menschen
Überall nur gute Menschen
Vor diesem düsteren Sound folgt eine zynische Abrechnung:
Ich weiß nicht, was ihr seht
Ich seh' nur gute Menschen
Alle lieben Kinder, alle gehen Blut spenden
Und das Letzte, was man hier noch vermisst,
Ist die Antwort auf die Frage, warum alles bleibt, wie es ist
"Gute Menschen" – das spielt auf das in der rechten Rhetorik gern gebrauchte Schimpfwort des "Gutmenschen" an. Vor einigen Jahren landete das Wort bei der Wahl zum Unwort des Jahren auf dem zweiten Platz. Die Jury kritisierte die einflussreich gewordene Funktion des Wortes als "Kampfbegriff gegen Andersdenkende". Mit dem Wort werde "das ethische Ideal des "guten Menschen" in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren". "Gutmenschen", das sind laut der hier kritisierten Logik zum Beispiel die vermeintlich idealistischen Spinner, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren und dafür von AfD-Chef Alexander Gauland als "nützliche Idioten" bezeichnet werden. Dieser Song dreht die Logik der "Gutmenschen"-Verächter um und erobert den Begriff zurück.
OK Kid singen in Zeiten, in denen Neonazis schon lange nicht mehr notwendigerweise an Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke zu erkennen sind. Jetzt gibt es andere Codes. Schräge Bekenntnisse auf der Heckscheibe zum Beispiel. So wie die Forderung nach der Todesstrafe für Kinderschänder. Ein Feld, das inzwischen tatsächlich vornehmlich Rechtsradikale für ihre populistischen Forderungen besetzt haben.
Kinderschänder müssen sterben, voll okay.
"Böhse Onkelz" auf der Heckscheibe stehen,
Mit Deutschlandfahnen schwenkend durch die Straße gehen
Alles nur gut gemeint aus Angst um ihre Blutsbrüder
Sie sind das Volk, alles nur besorgte Wutbürger
Stammtischmodus: Jetzt wird laut diskutiert
Schwarz, Rot, Grün, alles wird graumeliert
"Ich seh nur gute Menschen" erinnert an die herbeigeführten Assoziationen in Markus Kippenbergers Gemälde " Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen" von 1984. Der Maler hatte auf seinem Bild lauter farbige Balken in rechten Winkeln aufeinandertreffen lassen und so beim Betrachter den blinden Fleck im Umgang mit der NS-Geschichte persifliert. OK Kid können beim besten Willen keine "guten Menschen" mit Blick auf deren Doppelmoral erkennen.
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