Geruchssinn

An der Nase herumgeführt

Eine junge Frau hält Äpfel, Mandarinen und eine Kaki in den Händen und riecht daran.
Eine junge Frau hält Äpfel, Mandarinen und eine Kaki in den Händen und riecht daran. © picture alliance / dpa-ZB / Jens Kalaene
Von Uschi Götz · 09.12.2014
Duft- und Aromastoffe werden als verkaufsförderndes Element an Orten eingesetzt, die wir nicht unbedingt im Visier haben - und natürlich in Lebensmitteln. Claus-Peter Hutter, Autor des Buchs "Der Duftcode", kritisiert die vielen künstlichen Gerüche.
Claus-Peter Hutter riecht ... nach nichts, zumindest nach keinem Herrenduft. Er trägt selten ein Parfum. Und wenn, dann sehr dezent. Hutter mag den reinen Geruch:
"Wenn Sie nur an ein gutes Essen denken, an einen tollen Rinderbraten oder Linsen und Spätzle oder ein Apfel, weil alle Äpfel anders, es muss ein echter Duft sein und nicht zu sehr nachgebaut."
Dass immer mehr Düfte und Aromen künstlich hergestellt werden, stinkt dem Naturmenschen Claus-Peter Hutter. Er will gerne zwischen echten und künstlichen Düften unterscheiden und hat gemeinsam mit der Journalistin Eva Goris ein Buch geschrieben, in dem er beschreibt, wie wir tagtäglich an der Nase herumgeführt werden:
"Wir sind wirklich der Duftspur nachgegangen und wir haben Umfragen gemacht, wir sind in Drogerien gegangen, in Apotheken, wir waren in Kleidergeschäften, in Boutiquen... Es ist erstaunlich, wo überall Kunstdüfte, Kunstaromen drinstecken."
Multisensorisches Marketing heißt es im Fachjargon. Die Musik kommt aus den Lautsprechern, die Düfte aus sogenannten Aromasäulen oder aus der Klimaanlage.
"Es gibt Bäckereifilialen oder Cafés, wo es einen bestimmten Geruch nach Brot aus der Aromasäule gibt irgendwo versteckt oder in Cafés, wo der Kaffee gar nicht frisch gemahlen wird, gibt es Kaffeeduft, es gibt nichts mehr, was es nicht gibt."
Hotels lassen spezielle Düfte versprühen, um Gäste zu binden. Der Geruch wirke nachhaltiger als kleine Geschenke, meinen viele Experten.
Einfach sagen: Ich bin Allergiker
Düfte als Kaufanreiz. Kunststoffsessel riechen nach Leder. In den Reisebüros duftet es nach Meeresbrise, in Küchencentern und in den Sportabteilungen der Warenhäuser riecht es nach Citrusfrüchten.
Wenn es im Gartencenter intensiv nach Blumen riecht – egal woher der Duft kommt – sind sich die meisten von uns sicher, dass man dort sehr gesunde Pflanzen kaufen kann.
Im Marketing der Zukunft dürfe man keinen der fünf Sinne vernachlässigen, lautet die Devise. Wer das nicht möchte, soll sich wehren, rät Hutter:
"Sie müssen dann nur sagen, sie sind Allergiker. Es ist erkannt, das haben auch Vereinigungen der Asthmatiker und Allergiker in Deutschland herausgefunden, dass Allergien zunehmen durch diese Fremdbeduftung und besonders sensible Menschen, und das sind Millionen, auch echte Gesundheitsgefahren erleiden."
Wer einen funktionierenden Geruchssinn hat, kann etwa Feuergefahr oder verdorbene Speisen rechtzeitig erkennen. Für unsere Vorfahren war Riechen lebensnotwendig:
"Mancher Mensch in der Steinzeit hätte nicht gemerkt, dass ein Säbelzahntiger, den er verendet gefunden hat, hinter dem nächsten Felsen schon vergammelt war, dann hätte er den halt verspeist und hätte Krankheiten bekommen."
Statt Säbelzahntiger essen wir heute reichlich Erdbeerjoghurts. Auch wenn in Erdbeerjoghurts so gut wie keine Erdbeeren drin sind. Der tonnenweise benötigte Erdbeergeschmack wird aus Pilzkulturen gewonnen. Es sind Mikroben, die Rinde vertilgen, die uns den Erdbeergeschmack ganz ohne Erdbeeren bescheren.
Krank werden wir davon nicht. Hoffen wir zumindest:
All die Erdbeeren dieser Erde würden nie ausreichen, um echtes Erdbeeraroma und echten Erdbeergeschmack in den Joghurt zu bringen. Das wird alles mit Düften gemacht.
In Laboren entstehen Obstgärten, Bananenduft lässt sich mit Amylacetat imitieren. Duftet es nach Äpfeln, ist es Methylbutyrat. Pentylbutyrat nach Birne.
Und das edle Trüffelöl beim edlen Italiener? Es hat wenig bis gar nichts mit dem kostbaren Pilz zu tun:
"Da schwimmen vielleicht ein paar Partikelchen von dem schwarzen Trüffel drin, gewonnen wird das aus einem Abfallprodukt aus Teer, das ist nichts anders als ein Teerprodukt, dieses Trüffelöl. Darf aber als natürlich bezeichnet werden. Denn alles, was es in der Natur gibt, ist nach unserer Rechtslage auch als natürlich zu bezeichnen, auch wenn man es künstlich, sprich chemisch nachbaut."
Der BMW-Duft ist immer gleich
Und manchmal fällt es uns erst später oder zu spät auf, dass etwas nach etwas riecht, wonach es eigentlich nicht riechen sollte. Bei Autohändlern beispielsweise. Riecht ein Gebrauchtwagen richtig frisch nach Neuwagen, finden wir das zunächst angenehm. Erst später stellen wir fest, dass das eigentlich gar nicht geht.
Geht aber doch. Aber nicht nur der eine oder andere Gebrauchtwagenhändler glaubt an die Macht der Düfte. Auch edle Autohersteller setzen auf den Wohlfühlgeruch:
"Es gibt einen bestimmten BMW-Duft, der wird eingesetzt bei Messen, bei Präsentationen, so dass es immer gleich riecht, wenn die Leute da kommen."
Was die Industrie erfolgreich einsetzt, könnte auch Parteien auf den Gedanken bringen, ihre Wähler zu betören − mit welchem Duft auch immer.
NatureLife-Präsident Hutter schließt nicht aus, dass künftig auch Parteien nach was auch immer riechen:
"Kommen dann irgendwelche Parteitage, wo es nach grün oder rot oder gelb oder schwarz riecht? Gibt es Wahlkabinen, die beduftet sind und man weiß es gar nicht? Also ich übertreibe jetzt etwas. Wir haben schon viel erlebt, und deshalb ist es vielleicht besser, sich bestimmte Szenarien einfach mal auszudenken, damit man kritischer wird."
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