George Orwell reloaded

"1984" kehrt in US-Kinos zurück

John Hurt in einer Szene des Films "1984" nach George Orwell (Regie: Michael Radford)
John Hurt in einer Szene des Films "1984" nach George Orwell (Regie: Michael Radford) © imago
Von Wolfgang Stuflesser, ARD-Studio Los Angeles · 04.04.2017
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident hat der Roman "1984" von George Orwell neue Prominenz erlangt. Heute zeigen viele Arthouse-Kinos in den USA, Kanada, Großbritannien und den Niederlanden die Verfilmung. Die Wahl des Termins kein Zufall.
Das Datum ist bewusst gewählt: Am 4. April 1984 beginnt der von John Hurt gespielte Winston Smith sein Tagebuch. Michael Radfords Verfilmung des Romans bebildert George Orwells düstere Zukunftsvision in Grau- und Brauntönen. Die Handlung bleibt der Buchvorlage treu: In der - vom Buch aus gesehen - Zukunft des Jahres 1984 wird der Megastaat Ozeanien totalitär regiert, mit einem "großen Bruder" als Führerfigur, dessen Gesicht auf riesigen Bildschirmen immer präsent ist. Es scheint unmöglich, der ständigen medialen Berieselung durch die Systempropaganda zu entkommen.
Filmausschnitt "1984": "Krieg ist Frieden - Freiheit Sklaverei - Unwissenheit ist Stärke."
Keine leichte Kinokost. Paul Malcolm ist beim Billy Wilder Theater, einem kleinen Art-House-Kino in Los Angeles, verantwortlich fürs Programm. Als Kollegen anderer Kinos auf ihn zukamen mit der Idee, "1984" wieder zu zeigen, sagte er schnell zu.
Paul Malcolm: "'1984' - ist als fiktionale Erzählung der Referenzpunkt, wenn es darum geht, wie eine Diktatur funktioniert. Wenn man so ein System beschreiben will, wie es aussehen könnte, welche Sprache verwendet wird, dann bezieht man sich einfach auf '1984'."

"1984" plötzlich wieder in den Bestsellerlisten

Kurz nachdem Präsident Trump im Januar sein Amt antrat, stand das Buch "1984" plötzlich wieder in den Bestsellerlisten. Oft wurde es zitiert, um eine umstrittene Aussage von Trumps Beraterin Kellyanne Conway einzuordnen: Nachdem Trumps Pressesprecher zu den Besucherzahlen am Tag seiner Inauguration falsche Angaben gemacht hatte, wurde sie beim Sender NBC News darauf angesprochen. Sie sagte rechtfertigend: Das seien - so wörtlich - "alternative Fakten" gewesen. Moderator Chuck Todd entgegnete, dass "alternative Fakten" keine Fakten seien, sondern Falschaussagen. Das erinnerte doch sehr daran, wie in "1984" die Regimepropaganda Zeitungsartikel im Nachhinein ändern lässt und damit letztlich die Geschichtsschreibung fälscht.
Paul Malcolm freut sich auf bis zu 285 Besucher im Billy-Wilder-Kino in Los Angeles.
Paul Malcolm freut sich auf bis zu 285 Besucher im Billy-Wilder-Kino in Los Angeles.© ARD / Wolfgang Stuflesser
In den USA zeigen mehr als 180 Programmkinos den Film, dazu kommen Kinos in Kanada, Großbritannien und den Niederlanden. Paul Malcolm vom Billy-Wilder-Kino sieht das aber nicht als Aktion, die per se gegen die Trump-Regierung gerichtet ist:
"Bei den Themen, die Orwell behandelt und die im Film auftauchen, kommt es nicht darauf an, wo man politisch steht: Jeder sollte die Medien, aus denen er seine Informationen bezieht, kritisch prüfen, und auch die Politiker. Das gilt überparteilich. Ich finde, Bürger einer Demokratie haben eine Verantwortung, das zu tun."
John Hurt und Richard Burton in einer Szene des Films "1984".
John Hurt und Richard Burton in einer Szene des Films "1984".© imago / United Archives International

Filmarchiv muss um Förderung fürchten

Der Filmhistoriker arbeitet am renommierten Film- und Fernseharchiv der University of California in Los Angeles. Für ihn selbst habe der Film noch eine persönliche Botschaft, sagt er:
"Als Programmverantwortlicher, der an einem Archiv arbeitet, weiß ich: Man braucht kein diktatorisches Regime, um die Geschichte auszulöschen. Da genügt schon Vernachlässigung: Wenn man die historischen Kunstwerke wie klassische Filme nicht ausreichend konserviert, dann zersetzen sie sich von selbst."
Bislang wird die Arbeit des Archivs auch mit Geldern aus Washington finanziert, etwa über die Kulturfördereinrichtung National Endowment for the Arts. Noch - Präsident Trump hat einen Vorstoß gemacht, diese Fördermittel in Zukunft ersatzlos zu streichen.
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