Generation der Kriegskinder wird wissenschaftlich erforscht

Von Georg Gruber · 14.04.2005
60 Jahre nach Kriegsende rückt die Generation der Kriegskinder immer stärker in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses. Einen interdisziplinären Blick wirft der Kongress "Die Generation der Kriegskinder" insbesondere auf die Erfahrungsbewältigung und die Erinnerungskultur.
"Auch wenn die Waffen schweigen, reichen die Schatten von Kriegen weit in das Leben der Menschen hinein. Dies beunruhigt um so mehr, als die Schädigung von Kindern durch Konflikte, Kriege und Geiselnahmen weltweit kein Ende zu nehmen scheint." So heißt es im Geleittext zum jetzt erschienenen Programm eines internationalen Kongresses, der unter dem Motto
"Die Generation der Kriegskinder und ihre Botschaft für Europa sechzig Jahre nach Kriegsende" vom 14. bis 16. April diesen Jahres auf dem Campus Westend der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main stattfindet.

Der Kongress, der als Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Psychologen anerkannt ist, wird u. a. nach Kriegsgeschichte(n) des Zweiten Weltkrieges in Europa aus der Perspektive der damaligen Kinder fragen, die Geschichtspolitik und Erinnerungskultur seit den 1950er Jahren in den Blick nehmen, aus psychotherapeutischer, psychosomatischer und psychiatrischer Sicht die aktuelle gesundheitliche Verfassung der Kriegskinder-Generation betrachten sowie untersuchen, wie diese "Kriegskinder" ihre Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen und in die Gesellschaft weitergegeben haben. Dementsprechend reicht das Spektrum der beteiligten Wissenschaftler von Ärzten und Psychologen über Historiker, Soziologen, Statistiker und Juristen bis hin zu Literaturwissenschaftlern, Biografieforschern und Schriftstellern.

Seine Arbeit entfalten wird der Kongress in Vorträgen, Podiumsdiskussionen, literarischen Lesungen und Arbeitsgruppen. Eröffnet wird der Kriegskinder-Kongress am Donnerstagnachmittag, dem 14. April 2005, mit Vorträgen der Entwicklungs-Psychologin Emmy E. Werner von der Berkeley Universität in Kalifornien über "Kriegskindheit weltweit" und des Alterns-Forschers Hartmut Radebold über "Kriegskindheit in Deutschland - damals und heute". Daran wird der Schriftsteller Peter Härtling mit eigenen Erinnerungen anschließen. Am Abend werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller verschiedener Generationen aus ihren Büchern zum Thema lesen und darüber diskutieren.

Der Freitag (15. April 2005) steht im Zeichen von Arbeitsgruppen. In fünf Sektionen mit je vier Workshops werden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sowohl aus den verschiedenen Wissenschaften als auch aus der Generation der Betroffenen kommen, mit "Erfahrungsräumen von Kriegskindheit", mit der Erforschung von "Geschichtspolitik und Erinnerungskultur", mit den lebenslangen Folgen von Kriegserfahrungen, mit literarischen Erinnerungskulturen und mit Biografieforschungen in Bezug auf "Kriegskinder" befassen.

Der Samstagvormittag (16. April 2005) wird eröffnet mit Vorträgen des Frankfurter Erziehungswissenschaftlers Micha Brumlik über "Holocaust-Gedenken und das Leid der Deutschen" und vom Präsidenten des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, Jörn Rüsen, über "Elemente einer zukunftsfähigen europäischen Geschichtskultur". Eine Podiumsdiskussion zum Thema "Eine europäische Erinnerungskultur als Basis der Verständigung und Versöhnung" wird den Kongress beenden.

"Wir erwarten ein breites Teilnehmerspektrum aus den verschiedensten
Berufs- und Lebensbereichen", meint einer der Organisatoren des Frankfurter Kongresses, der Literaturwissenschaftler Hans-Heino Ewers. Besonders wichtig erscheint ihm aber, "dass auch viele Frauen und Männer aus der Kriegskindergeneration an dem Kongress teilnehmen und diesen mit ihren eigenen Erfahrungen bereichern".