Gender und Sport

Warum es so wenige Trainerinnen gibt

Fußball: DFB-Pokal - 1. Runde: VfR Aalen - 1. FC Nürnberg am 10.08.2015 in der Scholz Arena in Aalen (Baden-Württemberg). Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus gestikuliert während des Spiels. Foto: Daniel Maurer/dpa (Wichtiger Hinweis: Der DFB untersagt die Verwendung von Sequenzbildern im Internet und in Online-Medien während des Spiels (einschließlich Halbzeit). Sperrfrist! Der DFB erlaubt die Publikation und Weiterverwertung der Bilder auf mobilfunkfähigen Endgeräten (insbesondere MMS) und über DVB-H und DMB erst nach Spielende.)
Sie wurde auf dem Feld bereits betatscht: Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus. Sie ist der einzige weibliche Schiedrichter in der Bundesliga. © picture alliance / dpa / Daniel Maurer
Von Yannick Lowin · 11.10.2015
Ein Mann, der ein Damenteam trainiert: nichts Ungewöhnliches. Eine Frau, die einer Herrenmannschaft vorsteht: eine Sensation. Vor allem im Leistungssport. Dass Frauen es so schwer haben, hat viele Gründe - und manche davon liegen bei den Männern. Einige aber auch bei den Frauen.
Riem Hussein, Fußball-Schiedsrichterin, 3. Liga: "Fußball ist generell ein Männersport, die Mehrzahl aller Spielerinnen und Spieler sind Männer. Und es sind mehr männliche Zuschauer, wenn man so in den Stadien unterwegs ist."
Tina Bachmann, Trainerin HTC Uhlenhorst, 1. Hockey-Bundesliga: "Wenn ich nicht selbst hier aus diesem Club käme, man mich nicht kennen würde, dann wäre es wahrscheinlich auch für mich als Trainerin in der 1. Bundesliga sehr schwierig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein anderer Club mich angesprochen hätte als mein Heimatclub."
Daniela Schaaf, Sportwissenschaftlerin DSHS Köln: "Diese Sport-Medien-Wirtschaft-Allianz ist männlich geprägt, das liegt daran, dass der Sport sozusagen das letzte Terrain der Männlichkeit ist, das es heute noch gibt."
Der Spitzensport ist immer noch eine Männerwelt. Die Mehrzahl der Aktiven: männlich, die Mehrzahl der Trainer: männlich, die Mehrzahl der Funktionäre: männlich. Viele gesellschaftliche Felder haben sich Frauen erobert oder sind gerade dabei sie zu erobern. In der Politik gibt es Ministerinnen, Ministerpräsidentinnen, eine Kanzlerin, es gibt in der Wirtschaft weibliche Vorstände, in der Wissenschaft lehren mittlerweile tausende Professorinnen. Der Sport: in dieser Hinsicht abgeschlagen. Ein Mann, der eine Frauenmannschaft trainiert: normal. Auch auf höchstem Level. Eine Frau, die eine Herren-Mannschaft trainiert: absolute Ausnahme, weltweit, egal in welcher Sportart. Seit anderthalb Jahren gibt es in der deutschen Hockey-Bundesliga diese Ausnahme.
Spätsommer in Mühlheim an der Ruhr. Das Vereinsgelände vom HTC Uhlenhorst liegt idyllisch am Waldesrand. Drum herum sind Villen gestreut. Nur die Bundesstraße nach Mühlheim macht ein bisschen Lärm. Es ist kein Ort, an dem man Revolutionen erwartet. Doch genau das ist letztes Jahr hier passiert. Als der Verein mit Tina Bachmann eine Frau zur Cheftrainerin der Herren-Bundesliga-Mannschaft gemacht hat. Einmalig in Deutschland. Nach einer Saison gibt es nur noch wenige Momente, in denen es eine Rolle spielt, dass Bachmann eine Frau ist.
"Wir haben gestern mit 'nem ziemlich kleinen Kader gespielt. Wir mussten ein paar Jungs abstellen für die Jugendmannschaft. Da habe ich kurz darüber nachgedacht, ob ich den Hockey-Schläger mitnehme. Von der Übungskonstellation hätte das besser gepasst. Aber ich habe mich ganz schnell dazu entschieden, das nicht zu tun."
Klar, körperlich kann sie nicht mithalten mit Leuten wie Kapitän Thilo Stralkowski, ein Mann wie ein Wandschrank, 1,90 groß, über 90 Kilo schwer. Bachmann überragt er um einen Kopf – und lässt sich trotzdem von ihr sagen, wo es langgeht. Der HTC Uhlenhorst um Stralkowski geht jetzt bereits in die zweite Saison mit der 255maligen Nationalspielerin.
"Ist natürlich auch ein bisschen Gewohnheit mit Tina. Und da sehe ich eigentlich keine Unterschiede. Ich habe schon viele Trainer, also im Erwachsenenbereich natürlich nur männliche Trainer, gehabt. Aber da stelle ich fachlich gesehen und auch im Umgang eigentlich keinen Unterschied mehr fest."
Tina Bachmann war eine der besten Spielerinnen in Deutschland
Tina Bachmann bringt auch alles mit, was einen guten Trainer oder richtigen Trainerin ausmacht: Sie war selbst eine der besten Spielerinnen Deutschlands, gewann zweimal die Europameisterschaft, wurde Olympiasiegerin. Parallel zu ihrer Karriere als Spielerin machte sie das Trainer-Diplom des Deutschen Olympischen Sportbundes, betreute bereits Jugendmannschaften – weibliche wie männliche. Fachlich macht ihr keiner was vor. Aber auch charakterlich bringt sie die richtigen Eigenschaften mit.
"Ja, schon ein autoritärer Typ. Also, die auch mal dazwischenhaut. Auf der anderen Seite ist sie aber auch nah an der Mannschaft dran. Eher so ein Spielertyp halt noch. Und das Gemisch ist denke ich ganz gut für uns."
Bei den Herren vom HTC Uhlenhorst steht an diesem Sommerabend in Mühlheim Eckentraining auf dem Programm. Tina Bachmann trägt ein Fan-Shirt des spanischen NBA-Profis Pau Gasol, in der Hand eine schwarze Kladde mit den Eckstoß-Varianten. Sie sieht immer noch so fit aus wie zu ihrer Zeit als Leistungssportlerin. Vor den Trainingseinheiten geht sie oft laufen. Bachmann ist Vorbild. Bei einem Mann würde man vor einem harten Hund sprechen. Ihre Ansagen sind klar und deutlich.
"Leibchen bitte an Männer, mein Gott. Echt, die liegen hier vor eurer Nase. Oah, Lennart! Was machst du? So jetzt Du Julius, watt is los? Nicht nur hochheben wie beim Pinkeln, sondern drück dich ab. Ronny, Nicki, fangt an jetzt. Auf geht's. Meine Güte. So, lass mal was sehen, Ferdie. Meint ihr, die wissen in der ganzen Bundesliga, watt jeder macht?!"
Bachmann wirkt wie der Typ große Schwester – auch wenn sie mit ihren 37 Jahren von vielen der Spieler bereits die Mutter sein könnte. Sie ist streng, wenn es sein muss, ansonsten nie um einen lockeren Spruch verlegen und gerne am Scherzen. Würde man so auch über einen männlichen Trainer sprechen? Angekommen ist sie jedenfalls beim HTC Uhlenhorst.
"Ich habe das Glück, dass ich mit einer tollen Mannschaft, mit einer sehr talentierten Mannschaft zusammenarbeiten darf. Dass ich in einem Club arbeiten darf, der mir sehr viele Freiheiten einräumt. Ich habe sehr viele Leute kennen gelernt, die mich und meine Arbeit hier unterstützen und das macht sehr viel Spaß."
Frau trainiert Herren-Spitzenmannschaft. Das funktioniert. Wird von allen Seiten akzeptiert. Genauso wie es gang und gäbe ist, dass viele weibliche Spitzen-Teams von Männern trainiert werden. In der Frauen-Fußball-Bundesliga werden beispielsweise alle Mannschaften von Männern trainiert. Tina Bachmann ist also die absolute Ausnahme. Selbst sie sieht nicht so.
"Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es was ganz besonderes ist. Dass ich als Trainerin diesen Schritt gehe."
Aber woran liegt es, dass es so wenige Frauen gibt, die es als Trainerinnen bei den Männern schaffen? Zumindest für Hockey und andere Randsportarten hat Horst Stralkowksi eine Erklärung. Er ist Manager vom HTC Uhlenhorst und glaubt, dass es am Geld und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegt.
"Es fehlt ein richtiges Trainerbild, wo man jemanden, den man für affin hält, so eine Tätigkeit auch ernsthaft raten kann, weil damit ist er im Gegensatz zum Fußball mit viel zu wenig Geld ausgestattet. Und nur Trainer zu sein, im Amateursportbereich ist mit so viel Risiken behaftet, dass man das keinem raten kann. Und das trifft Frauen noch mehr als Männer."
Generell gibt es wenige Frauen, die einen Trainerinnen-Job machen, egal in welcher Sportart. Vor allem je weiter man nach oben guckt. Nur ein Zehntel aller Bundestrainerstellen werden von Frauen besetzt, egal ob bei den Damen oder den Männern. Allein die prekäre Beschäftigungssituation kann nicht erklären, warum Frauen als Trainerinnen so sehr in der Minderheit sind. Vor allem im Fußball nicht, wo ja Geld zu verdienen ist. Der biologische Unterschied vielleicht? Frauen sind Männern körperlich unterlegen. Aber das spielt als Trainer eigentlich keine große Rolle. Gealterte Trainerkoryphäen im Fußball wie Jupp Heynckes oder Otto Rehagel waren ihren Schützlingen zum Ende ihrer Karrieren auch körperlich unterlegen. Und doch haben sie große Erfolge gefeiert. Es muss andere Gründe haben. Ursachenforschung in der Wissenschaft.
"Viele Frauen haben Interesse, aber kommen nicht durch"
Rund 70 Kilometer südlich von Mühlheim, auf dem Campus der Deutschen Sporthochschule in Köln hat Ilse Hartmann-Tews ihr Büro. Die Soziologin sitzt auf dem deutschlandweit einzigen Lehrstuhl für Geschlechterforschung und Sport. In wissenschaftlichen Interviews hat sie Funktionäre und Manager befragt, die Trainer einstellen: Warum gibt es so wenige Frauen? Die Interviewten kommen dann mit bekannten Argumenten aus der Gleichberechtigungsdebatte, erzählt Hartmann-Tews:
"Es liegt an den Frauen. Also die wollen nicht, die haben kein Interesse. Oder die haben familiäre Bindungen. Das heißt, die können auch vom Zeitumfang nicht. Wenn man die Frauen selbst fragt, sieht das Bild schon ein bisschen anders aus. Viele Frauen haben Interesse, aber sie kommen nicht durch."
Wie kann das sein? Ursachenforschung an der Basis. Bei der Sportart Nummer Eins in Deutschland, gemessen an Mitgliedern und Medien-Interesse: Fußball.
Am Rande der Kleinstadt Barsinghausen, 25 Kilometer südöstlich von Hannover, wird der Trainer-Nachwuchs an der Sportschule des Niedersächsischen Fußballverbandes ausgebildet. Frauen sind auch hier klar in der Minderheit. Bei der Abschlussprüfung für die C-Lizenz, dem Einstiegsticket in die Trainerlaufbahn, sind zumindest zwei Teilnehmerinnen dabei.
Die eine ist Nina Emmrich, 21, blonde Haare, Kräftig-sportlich-Typ im Schweinsteiger-Trikot. Um sie herum flitzen Kinder vorbei an bunten Hütchen, passen sich Bälle über den Kunstrasenplatz und ballern aufs Tor – ganz normales Fußballtraining. Emmerich
gibt den Kindern die Übungen vor, korrigiert, Trainingsalltag eben.
"Wenn ihr fertig seid mit Schießen, stellt ihr euch da an. Und die, die den Pass gegeben haben, stellen sich dann hier an."
Emmrich macht gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr. Ihre Freizeit opfert sie für den Trainerlehrgang.
"Weil ich einfach Spaß daran habe, den Kindern beim Fußball spielen zuzusehen. Und den wirklich was beibringen zu können. Bei der G-Jugend kann man wirklich von unten an anfangen. Und mit den alles so trainieren. Dann können die auch später, egal ob technisch oder taktisch auch wirklich gut werden."
Ein paar Meter weiter steht die zweite Frau im Bunde: Annabelle Wolters, 27, ein anderer Typ als Emmrich, zarter und graziler. Aber ihre Motive, den Trainerschein zu machen, sind ähnlich.
"Von Beruf bin ich Erzieherin, mache seit Jahren auch viel beruflich mit den Kindern im Sportbereich und deswegen habe ich mich entschieden, mich einfach nochmal weiterzubilden und neue Ideen mitzunehmen."
Zwei Frauen, die Trainerinnen werden wollen, ihre Motivation dazu: frauentypisch. Jedenfalls wenn man Thomas Westenberger glaubt. Er ist der Chef-Ausbilder des Niedersächsischen Fußballverbandes.
"Überwiegend werden Frauen im Breitenfußball Trainer. Und da bringen sie einfach gute Eigenschaften mit. Ich sag mal in Anführungszeichen als Mami für die Kleinen. Also für so Bambini oder F-Jugend oder E-Jugend, Kinder bis 10 Jahre. Wenn sie die trainieren, dann kommen sie sehr gut bei den Kindern an."
Frauen erfüllen auch als Trainerinnen das klassische Rollenfach: Die Frau als Mutter. Die Zahlen untermauern das: Wenn Frauen den Trainerschein im Fußball machen, dann in der sogenannten C-Lizenz-Breitenfußball, also der untersten Kategorie - und das meist noch mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendfußball. Zehn von hundert Fußballtrainern in Niedersachsen mit diesem Profil sind Frauen. Ganz anders sieht es in eine Stufe höher aus: Der B-Lizenz. Hier geht es darum Erwachsene zu trainieren an der Schwelle zum Leistungssport. Von 100 dieser Trainer sind nur drei Frauen. Dabei hinterlassen sie beim Chef-Ausbilder Westenberger einen guten Eindruck.
"Hier in den Lehrgängen zeigen sich die Frauen sehr wissbegierig. Und erzielen sehr gute Lernfortschritte. Und das haben sie männlichen Kollegen, die meinen alles über Fußball zu wissen und zu können, voraus. Und das sehen wir immer sehr gerne. Dass die Frau im Übertragen der Übungen auf den Platz den Männern etwas vormacht."
"Fußball ist die heilige Kuh in Deutschland"
Weniger Frauen als Männer spielen Fußball, noch weniger wollen Trainerinnen werden. Und nur ganze wenige von ihnen streben höhere Trainerämter an. Ein Teufelskreis, aus dem es keine Frau in den Spitzenfußball schafft.
"Es gibt ja nicht allzu viele Profi-Trainer, die selber keine Profi-Spieler waren. Oder die nicht selber höherklassig Fußball gespielt haben. Ist dann vielleicht auch eine Frage der Akzeptanz. Also gerade auch unter Männern musst Du akzeptiert sein, aufgrund deines Fachwissens. Aber die gucken schon, was hat der für eine Vita? Was hat der im Fußball schon geleistet? Und da kann ich mir vorstellen, dass Frauenfußball in dieser Männerwelt einfach noch nicht so akzeptiert ist."
Wo Chef-Ausbilder Westenberger noch vorsichtig mutmaßt, ist Medienwissenschaftlerin Daniela Schaaf von der Deutschen Sporthochschule Köln schon deutlicher:
"Fußball ist die heilige Kuh in Deutschland. Und dort wird eine Frau als Eindringling empfunden und da versucht man eher sich der Konkurrenz zu entledigen."
Anders als Hockey wird dem Fußball auch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist ein Millionengeschäft. Und da sind die Verantwortlichen nicht so bereit wie in der Randsportart Hockey, Risiko zu gehen und eine Frau zur Cheftrainerin zu machen.
Aber wie sieht es eigentlich der weibliche Trainer-Nachwuchs? Können sie sich vorstellen, auch Männer zu trainieren? Die Meinungen bei Nina Emmrich und Annabelle Wolters gehen da auseinander.
Nina Emmrich: "Männer glaube ich eher nicht, weil die mich glaube ich gar nicht so für voll nehmen, so von meiner Größe her jetzt auch und so. Frauen könnte ich mir vorstellen, wobei ich lieber mit Kindern zusammenarbeite."
Anders Annabelle Wolters: "Ja könnte ich schon. Des Weiteren würde ich dann aber auf jeden Fall den C-Lizenz-Leistungsfußballschein anstreben, weil ich schon denke, dass man als Frau ein gewisses Auftreten braucht. Und nochmal sicherer ist, um bei Männern dementsprechend anzukommen und auch ein gewisses Können, um da auch angenommen zu werden."
Die Männer-Gesellschaft Fußball – sie hat historische Ursachen. Vor allem der direkte Vergleich zum Hockey erklärt die Gleichberechtigung hier und die randständige Position der Frauen im Fußball.
Hockey wurde als Frauensportart gegründet: 1832 am Eaton College in England eingeführt sollte es für Mädchen ein Pendant zum Rugby sein. Männer haben später dann auch Lust an der Sportart gefunden. Fußball dagegen wurde von Männern für Männer erfunden. Frauen wurde der Zutritt verwehrt. In Deutschland dürfen sie erst seit 1971 überhaupt gegen den Ball treten.
Die erste Fußball-Trainerin auf Profi-Ebene im Männerbereich scheint bei der vorherrschenden Mentalität noch weit weg zu sein. Doch es gibt einen Job im Profi-Fußball, in dem haben sich mittlerweile schon zwei Frauen den Respekt der Männer verdient: als Schiedsrichterinnen. Bibiana Steinhaus pfeift seit 2007 als Schiedsrichterin in der 2. Liga der Herren. In der Ersten setzt sie der DFB gerne als Vierte Offizielle ein.
Unvergessen ihr souveräner Umgang Pep Guardiola. In der vergangenen Saison, beim Spiel gegen Gladbach, rückte der ihr ziemlich nah auf die Pelle. Erst schüttelte ihr der Bayern-Trainer höhnisch die Hand. Dann wollte er Steinhaus quasi zur Entschuldigung jovial den Arm auf die Schultern legen. Steinhaus ließ sich das nicht gefallen, stieß seinen Arm weg. Ob sich Guardiola so eine Aktion auch bei einem Mann getraut hätte, wollte er nicht sagen. Die Szene ist typisch dafür, wie sich Frauen in der Macho-Welt des Fußballs behaupten müssen. Steinhaus ist da eine Pionierin – so sieht es die zweite Schiedsrichterin im Profi-Fußball: Riem Hussein.
"Ja, das macht es einfacher und es ist alltäglicher. Die Mannschaften wissen, die Spieler wissen, es kann auch klappen mit einer Frau. Die Zuschauer wissen das. Und von daher macht es für alle einfacher."
"Manchmal hat man argwöhnische Blicke von Zuschauern"
Die 34-jährige Hussein, deren Eltern aus Palästina stammen, ist dieses Jahr in die 3. Liga aufgestiegen. Wie Steinhaus kommt sie aus Niedersachsen, genauer gesagt aus Bad Harzburg. Ihre Karriere hat sie als Fußballerin begonnen, für Wolfenbüttel sogar in der zweiten Liga gespielt, ein Angebot vom VFL Wolfsburg lag vor. Doch 2005 entschied sich Hussein für die Laufbahn als Schiedsrichterin. Lange Jahre hat sie Spiele in der Regionalliga geleitet, nun den Sprung ins Profi-Geschäft der Herren geschafft.
Doch trotz Steinhaus und Hussein – Frauen sind noch lange kein Alltag im Männer-Fußball:
Riem Hussein: "Was nervt, ist, dass du dann irgendwo hinkommst auf irgendeinen Platz hier in Deutschland. Und alle gucken erstmal, 'ah, pfeift uns heute eine Frau?'. Und manchmal hat man dann so argwöhnische Blicke von Zuschauern. Aber es hat für mich keine Rolle dabei gespielt, das Hobby auszuüben. Ich wollte mich auch nicht als Frau profilieren. Ich mag den Sport, egal, ob bei Mann oder Frau."
Egal ist es aber nicht, ob sie Frauen oder Männer pfeift.
"Ja, es ist natürlich ein Unterschied vom Tempo. Manchmal auch von der Zweikampfhärte. Das Zuschauerinteresse ist meistens bei den Männern höher. Im Spitzenbereich bei den Frauen ist es natürlich auch da. Ansonsten. Allein die physischen Voraussetzungen sind der größte Unterschied."
Die physischen Voraussetzungen. Als Schiedsrichterinnen müssen sie die gleichen sportlichen Leistungen bringen wie ihre männlichen Kollegen, auf dem Platz und vor allem bei den jährlichen Leistungsprüfungen des DFB. Eigentlich ein Nachteil für Steinhaus und Hussein, haben sie doch körperlich von Natur aus kleine Nachteile gegenüber ihren männlichen Kollegen. Und dann ist es schon paradox: Genau da, wo die biologischen Unterschiede eine Rolle spielen, da setzten sich auch zwei Frauen durch. Aber vielleicht ebendies der auch Grund dafür: Es zählt allein das, was die Schiris abliefern. Jeder von ihnen wird regelmäßig beobachtet und bekommt Punkte für seine Leistung; wer am Ende die meisten hat, und die sportlichen Tests besteht, steigt in der Regel auf. Kaum hat man ein relativ objektives Verfahren, ein offenes Verfahren, setzen sich auch Frauen durch – und werden so zu Vorbildern.
"Ich will jetzt nicht prahlen, aber drei der Schiedsrichterinnen, die jetzt in der Frauen-Bundesliga pfeifen, waren mal meine Assistentinnen. Es könnte ja einen Zusammenhang geben."
Ein typischer Spruch von Riem Hussein, der aber viel Ernsthaftes in sich trägt. Wo keine Frauen in der Spitze sind, fehlt es an Vorbildern. Das ist bei den Trainerinnen so, das ist aber auch bei den Funktionärinnen so. Im Sport gibt es generell das Problem, dass es wenig Frauen in Führungspositionen gibt. Nur 20 Prozent der Spitzenposten in Vereinen und Verbänden werden von Frauen besetzt. Im Fußball war Katja Kraus als Vorstand für Kommunikation und Marketing beim Hamburger SV die erste und einzige Frau, die einen Vorstandsposten in der Bundesligageschichte besetzt hat, von 2003 bis 2011. Die Geschlechterforscherin Ilse Hartmann-Tews liefert dafür ein Erklärungsmodell, das man auch aus der Wirtschaft kennt.
"Man sucht eher nach Personen, die einem auch ein Stück ähnlich sind. Und da ist das Geschlecht etwas, was uns unterscheidet. Deswegen kommen bei männlich besetzten Führungspositionen, wenn die Leute das aussuchen, natürlich erstmal die Männer in den Blick. Und dann die Männer, die gut ins Team passen. Und Frauen selten die Möglichkeit, sich auszuprobieren."
Vereine müssen die Frauen auch wollen, sonst klappt das nicht
Männer stellen Männer ein. Gleiches gilt, wenn es darum geht, Trainerposten zu besetzen. Ein Mittel, diesen Mechanismus zu ändern: Stellen müssen öffentlich ausgeschrieben werden, mit einem klaren Anforderungsprofil, sagt Hartmann-Tews. Dann kämen auch mehr Frauen in die Auswahl. Doch damit nicht genug.
"Ein anderer Punkt der Förderung von Frauen in Führungspositionen. Also dass sie sich da durchsetzen, ist, dass die Verbände entsprechende Aktionen und wie es im Englischen heißt, 'affirmative action' machen, also einen 'Gender Mainstreaming Plan' haben oder ganz offensiv Nachwuchsförderung machen oder Mentoring-Programme, Netzwerke öffnen. Das hat sich einfach als sehr förderlich erwiesen."
Genau das geschieht im Moment mehr und mehr. Der DOSB hat es sich auf die Fahnen geschrieben, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, unter anderem mit einem Mentoring-Programm: Erfahrene Frauen in Führungspositionen unterstützen ein Jahr lang neun ehemalige Spitzensportlerinnen.
Unter den Landessportverbänden tut sich vor allem der Landessportbund NRW hervor, in Sachen Gender Mainstreaming, also dem Versuch Frauen und Männer gleichzustellen. Ebenfalls mit einem Mentoring-Programm. Außerdem können junge Frauen Seminare in Führung, Motivation oder Rhetorik belegen. Und der Landessportbund versucht weibliche Nachwuchskräfte in transparente Netzwerke zu integrieren. Dass dieser Aufwand gerechtfertigt ist, davon ist Geschlechterforscherin Hartmann-Tews überzeugt:
"Es zeigt sich auch in der Forschung, dass wenn Frauen in den Führungspositionen in den Vereinen sind, sind diese sogar ein Stück besser aufgestellt, als diejenigen, die reine Männer-Gremien haben."
Und auch der Trainer-Ausbilder aus Niedersachsen, Thomas Westenberger, glaubt an den positiven Effekt, den Frauen auf eine Mannschaft haben können und zieht den Vergleich zur Wirtschaft.
"Gibt ja auch in der Wirtschaft Frauen, die in Führungspositionen sind. Und es wird ja auch von vielen Mitarbeitern und Managern gesagt, eine Frau in einer Führungsposition ist gar nicht verkehrt. Hört sich schon wieder so negativ an. Ist gar nicht verkehrt. Also ist gut, ist gut."
Frauen erhöhen die Qualität der Teams
Egal, ob in der Wirtschaft, Wissenschaft oder im Sport: Frauen erhöhen die Qualität in Teams. Sie bringen alle Fähigkeiten mit, die man als Funktionärin, Trainerin oder Schiedsrichterin braucht. Aber sie brauchen auch eine Chance. Die bekommen sie nur, wenn sie gefördert werden. Wenn Strukturen sich ändern. Stellen zum Beispiel offen ausgeschrieben werden. Und die Mentalität in der Sportwelt sich wandelt. Doch auch die Frauen selbst müssen ihre Einstellung ändern.
"Aus der Forschung wissen wir auch, dass Frauen, die solche Positionen erreicht haben, das öfter als Männer externalisieren. Also die Zuschreibung heißt dann, oh, da habe ich Glück gehabt. Zufall gewesen. Ich war gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und schreiben das gar nicht ihrer Leistung selbst zu."
Auch Hartmann-Tews ist in dieses Muster gefallen. Als sie selbst mal in einem Forschungsprojekt interviewt wurde, bekam Sie die Frage gestellt, wie Sie es zur Professorin geschafft hat.
"Ich habe spontan damals geantwortet: Ja, ich habe irgendwie immer Glück gehabt. Also; ich habe die richtigen Mentoren gehabt. Und die Stelle wurde ausgeschrieben, zufälligerweise als ich gerade fertig wurde. Und mein Gegenüber, eine gestandene Genderforscherin fing wirklich an zu lachen, während es Interviews und ich war wirklich sehr überrascht und dann haben wir beide reflektiert, was ich da gesagt habe, nämlich, dass ich meine ganzen Leistungen, also viele Publikationen, viele Forschungsprojekte, auch schon viel betreute Magister-Arbeiten völlig unter den Tisch gekehrt habe. Und damit dem klassischen Modus, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen, mitgespielt habe."
Meist sind es aber die Männer, die das Licht der Frauen unter den Scheffel stellen. Sie dominieren den Sport, machen ihn zu ihrem Revier. Damit Frauen dort reinkommen können, brauchen sie eine Extra-Portion Willen, Ehrgeiz und Talent. Und jemanden, der ihnen die Tür ein Stück weit öffnet. Bei Hockey-Trainerin Tina Bachmann und Fußball-Schiedsrichterin Riem Hussein war das der Fall. Vielleicht sind sie ja mehr als nur die Ausnahme, die Regel bestätigt.
Mehr zum Thema