Gemeinsam den Südpol besitzen

Von Matthias Rumpf · 01.12.2009
Die Antarktis gehört keinem Staat, sondern wird von 47 Ländern gemeinsam verwaltet. Entstanden ist diese Regelung vor 50 Jahren, als in Washington der Antarktisvertrag unterzeichnet wurde.
Hoher Besuch im ewigen Eis: Mit Salutschüssen und großem Aufgebot ließ sich Chiles Präsident González Videla feiern, als er 1948 als erstes Staatsoberhaupt der Welt antarktischen Boden betrat.

"Mit Stolz erfüllt es uns, in dieser abgeschiedenen Polarlandschaft chilenischen Boden zu betreten, der durch euch, tapfere Soldaten, in Besitz genommen wurde","

… rief er seinen Soldaten auf der 1000 Kilometer von Chile entfernten antarktischen Halbinsel entgegen. Mit der Reise sollten die Ansprüche Chiles auf das Gebiet zwischen dem 53. und 90. Längengrad der Antarktis dokumentiert werden. Auch Südafrika und Australien hatten kurz zuvor Flaggen auf dem südlichsten Kontinent gehisst. Und London und Buenos Aires schickten Schiffe, um Besitzansprüche anzumelden oder alte Ansprüche wiederzubeleben.

""Stellen Sie sich vor, Sie sitzen des Sonntags mit Ihrer Familie um den Käsekuchen. Und nun könnte jeder nach Maßgabe seiner Schulterbreite in entsprechender Verjüngung zum Mittelpunkt des Kuchens sein Stück beanspruchen. Für zwei oder drei abwesende Tanten müsste allerdings auch noch ein Stück reserviert bleiben. So ungefähr ist der Eisbergkuchen der Antarktis verteilt; vorläufig jedenfalls","

… erklärte wenig später ein Experte des US State Departments Journalisten die Lage. Die USA hatten keine Gebietsansprüche, aber Washington war daran gelegen, den Seeweg um Feuerland zu sichern, sollte der Panamakanal einmal ausfallen. Auch deshalb schlugen die USA bereits 1948 vor, die Antarktis in irgendeiner Form zu internationalisieren. Konkret wurden diese Pläne jedoch erst zehn Jahre später - mitten in der heißen Phase des Kalten Kriegs.

Als im Oktober 1957 die Sowjetunion die USA und den Westen mit dem ersten Satelliten schockte, fand im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 auch das bislang größte internationale Forschungsprogramm in der Antarktis statt. Zwölf Staaten, darunter auch die USA und die Sowjetunion, bauten im Rahmen dieses Programms Forschungsstationen rund um den Südpol auf, wobei die UdSSR eine Station am magnetischen und die USA eine Station am geografischen Südpol errichteten.

Im Mai 1958 schlug US-Präsident Eisenhower dann einen Vertrag zur Entmilitarisierung der Antarktis vor, der zunächst von den zwölf Staaten des Antarktis-Forschungsprogramms am 1. Dezember 1959 in Washington unterzeichnet wurde.

Artikel 1 - Die Antarktis wird nur für friedliche Zwecke genutzt. Es werden unter anderem alle Maßnahmen militärischer Art wie die Einrichtung militärischer Stützpunkte und Befestigungen, die Durchführung militärischer Manöver sowie die Erprobung von Waffen jeder Art verboten.

Auf Betreiben Moskaus wurden auch Atomtests und die Ablagerung von radioaktiven Abfällen verboten. Bestehende Gebietsansprüche südlich des 60. Breitengrades wurden eingefroren und neue Ansprüche während der Laufzeit des Vertrages nicht zugelassen. In den folgenden Jahrzehnten rückten die wirtschaftliche Nutzung der Antarktis und der Schutz der Umwelt in den Vordergrund.

Ende der 70er-Jahre wurden Abkommen zum Schutz der antarktischen Robben und zum Schutz sogenannter lebender Meeresschätze geschlossen. An diesen Schätzen hatte auch die Bundesrepublik Interesse, als sie 1979 dem Antarktisvertrag beitrat. Der deutsche Antarktisforscher Manfred Reinke, der heute das Sekretariat des Antarktisvertrags in Buenos Aires leitet:

""Treibende Kraft in den 70er-Jahren war Ressourcenforschung. Die großen Krill-Vorkommen in der Antarktis waren bekannt. Die Walfischerei war ja weitgehend zusammengebrochen und man sagte also, da müsste jetzt ziemlich viel Krill übrig sein, wenn man die ganzen Wale weggefangen hat. Es war auch in den 70er-Jahren die Zeiten des Kabeljaukrieges oben um Grönland und Island. Da hat man gesagt, da ergeben sich neue Möglichkeiten für die deutsche Hochseefischerei."

Seit 1992 schränkt ein Protokoll zum Umweltschutz die wirtschaftliche Nutzung der Antarktis deutlich ein. So ist der Abbau von Erdöl oder Erzen völlig untersagt. Auch über eine strengere Regulierung des boomenden Antarktistourismus wird derzeit verhandelt. Denn mit dem antarktischen Vertragssystem soll der Kontinent als ein dem Frieden und der Wissenschaft gewidmetes Naturreservat erhalten bleiben - bis 2041. Dann laufen die bestehenden Regeln aus.