Geheimnisvoller Mord im hohen Norden

11.10.2011
Mit seinen Büchern über den Lokaljournalisten Einar ist Arni Thorarinsson einer der bekanntesten Krimiautoren Islands geworden. Drei Romane sind in den vergangenen Jahren auf Deutsch erschienen. Mystische Begebenheiten spielen bei Thorarinsson eine große Rolle - so auch in seinem neuesten Werk.
Im lese- und schreibbegeisterten Island sind Kriminalromane eine bedeutende Erzählform, aber erst seit Ende der 90er-Jahre. Da erschienen Krimis von Stella Blomkvist, Arnaldur Indridason und Arni Thorarinsson, die als die Begründer des isländischen Kriminalromans gelten. Warum so spät? Thorarinsson sagt dazu, dass "die isländische Gesellschaft aufgehört hatte, isoliert und unschuldig zu sein, man reiste ins und vom Ausland, das Internet hat die Gesellschaft für alle möglichen Einflüsse geöffnet".

Ein kleines Land im Schatten der Weltpolitik, so setzen die Krimis im Alltäglichen an, im Psychologischen. Es geht um menschliche Konflikte, erst in jüngster Zeit auch um politische Themen wie die Finanzkrise, die Island vor zwei Jahren beutelte. Selten genug geschieht überhaupt ein Mord in Island, die Geschichten müssen stringent erzählt, klug komponiert sein, ihre Spannung aus menschlichen Konflikten ziehen. Die isländischen Sagas, Trolle und Feen geben dem Ganzen ein Lokalkolorit ebenso wie das Leben in überwiegender Dunkelheit; all das trägt zu einem ruhigen Erzählfluss bei.

Thorarinssons Held ist der Journalist Einar in Akureyri, mit 20.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Islands. Hoch im Norden, landschaftlich wunderschön, aber langweilig, kaum Stoff für die Zeitung. Das macht einen geheimnisvollen Anruf für Einar interessant, wonach es in einem verlassenen Haus spuke. Aber es wartet keine unterhaltsame Story auf ihn. Stattdessen findet er die Leiche einer jungen Frau. Einar möchte herausfinden, warum sie ermordet wurde, das wäre eine gute Geschichte für seine Zeitung. Er verabredet sich mit der Anruferin, einer intelligenten, aber alkoholsüchtigen Frau. Sie bleibt vage in ihren Andeutungen. Kurz darauf geht sie in eine Entzugsklinik, einen Tag später wird auch sie ermordet. Einar versucht sich als Enthüllungsjournalist, er lässt sich in die Klinik einweisen, um Näheres über die Frau herauszufinden.

Arni Thorarinsson ist mit seiner Serie über Einar einer der bekannten und erfolgreichen Krimiautoren Islands geworden, drei seiner Bücher sind in den vergangenen Jahren auf Deutsch erschienen. Er arbeitet selber als Journalist bei verschiedenen Zeitungen, aber auch für das Radio und das Fernsehen. Sein Thema ist das Kino, er schreibt auch – preisgekrönte – Drehbücher.

Thorarinssons Detektiv steht in der Tradition des hardboiled detectives, nach dem amerikanischen Vorbild von Chandler und Hammett. Der Lokaljournalist Einar entwickelt sich in der Serie vom einsamen, misogynen Alkoholiker zu einem trockenen Mann, der zwar seiner Tochter wieder nahe ist, aber unter seiner Einsamkeit leidet. In Einars Geschichten treten Frauen nicht in ausdrucksstarken Rollen auf, sie sind nur Staffage, darin zumindest den amerikanischen Vorbildern und Klassikern ähnlich. Gemächlich erzählt aus der Perspektive von Einar, mit einem zurückhaltend humorvollen Blick auf sein Leben und die Umstände, ist es ein solider Kriminalroman, der sich gut lesen lässt. Der Plot stimmt, – und man stellt erstaunt fest, dass auch in Akureyri Erzählenswertes passiert.

Besprochen von Andrea Fischer

Arni Thorarinsson: Ein Herz so kalt
Aus dem Isländischen von Tina Flecken
Droemer & Knaur, München 2011
411 Seiten, 19,90 Euro