Geheimdienst

Geschichte statt Mythen

Von Günther Wessel · 02.12.2013
Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND hat einen schweren Geburtsfehler: Zahlreiche Nazis aus den Reihen der SS wurden rekrutiert. Vor zwei Jahren beauftragte die Behörde den Historiker Bodo Hechelhammer, Licht ins Dunkel zu bringen.
Sein Name ist Hechelhammer. Bodo Hechelhammer.
"Ja, ich muss natürlich bekennen, es tut mir dann fast leid, dass öffentlich zu bekennen, ich mag natürlich James Bond Filme sehr. Das hat aber nichts zu tun mit meiner Verwendung."
Bodo Hechelhammer, 45 Jahre. Promovierter Historiker beim Bundesnachrichtendienst.
"Verheiratet, zwei Kinder. Zwei Söhne."
Geboren in Darmstadt. Schule und Studium in der Heimatstadt; dann wissenschaftlicher Mitarbeiter an der dortigen Universität.
"Wie man Historiker beim Bundesnachrichtendienst wird? Durchaus ein Zufall. In meinem vorigen Leben war ich mit Leib und Seele Historiker, konnte mir eigentlich nur eine wissenschaftliche Karriere an der Universität vorstellen, die übliche Schiene von Promotion zu Habilitation, und habe angefangen zu habilitieren, so das übliche Schicksal vieler Historiker zu dem Zeitpunkt erlitten, Verträge, die nur zeitlich befristet waren, die am Auslaufen waren, man orientiert sich neu, Perspektive zu der Phase für Historiker eher gering, man kannte also auch zahlreiche andere habilitierte Kollegen schon, die, sag ich mal, Taxi fuhren. Das war nicht unbedingt 'ne aussichtsreiche Perspektive."
In einem Jobportal sieht Hechelhammer eine Anzeige: Der Bundesnachrichtendienst sucht Geisteswissenschaftler, auch Historiker. Der Fachmann für mittelalterliche Geschichte – er promovierte über die Kreuzzüge – bewirbt sich. Weil er eine Vorliebe für Spionage entdeckt? Für Feindaufklärung? Ein Faible für den Geheimdienst?
"Für bestimmte Systeme mit einem besonderen Wertesystem. Das klingt so ein bisschen pathetisch, also sich einsetzen für höhere Ziele, durchaus verbunden mit so einem althergebrachten Ehrbegriff, also deswegen haben mich wahrscheinlich auch Kreuzzüge, Ritterorden und so was schon früher interessiert, jetzt nicht, dass man das vergleichen sollte jetzt mit der Behörde, aber vielleicht von der unterschwelligen Ebene her betrachtet, durchaus ein Interesse darin begründet."
Vom Historiker zum Spion?
"Offen und ehrlich gesprochen, wie das, was man eher grundsätzlich erwartet von einem Nachrichtendienst, also die Agententätigkeit, da war ich mir sehr unsicher, was mich wirklich erwartet. Das war auch so meine Ausgangserwartung, schwer einzuschätzen, ob es reine Bürokratie ist, und ich das Ausland nie sehe oder wirklich so was Spannendes ist, wie man das in den entsprechenden Agentenfilmen her kennt."
Seit zehn Jahren arbeitet er nun beim BND.
"Nicht explizit als Historiker eingestellt, sondern entsprechend habe hier im Bundesnachrichtendienst, sag ich mal, übliche Verwendungen durchlaufen."
Die üblichen Verwendungen: Was das genau beim Bundesnachrichtendienst, dem deutschen Auslandsgeheimdienst, ist, darüber kann man nur spekulieren. Über, wie es heißt, Human Intelligence, die operative Informationsgewinnung im Ausland. War Bodo Hechelhammer Spion?
"Im Laufe der Zeit lernt man, möglichst nicht konkret über seine Tätigkeit zu reden und sich möglichst uninteressant zu machen."
Man legt sich eine Legende für den Alltag zu.
"Die letztendliche Ausgestaltung bleibt mehr oder weniger natürlich jedem selbst überlassen. Meine Vorgehensweise war eigentlich, nichts zu erzählen und sich einfach uninteressant zu machen. Das geht erstaunlich gut, weil in Gesprächen eigentlich immer der Gegenüber am liebsten von sich selbst erzählt und von seinen alltäglichen Leistungen. Und wenn man da nicht mitmacht, wird man eher schnell uninteressant."
Unauffälligkeit hilft
Dabei half und hilft Hechelhammer auch sein unauffälliges Aussehen: Er ist mittelgroß und mittelalt, er fühlt sich im mittelgrauen Anzug sichtlich wohl, trägt weder besonders auffallend bunte Krawatten noch Hemden, selbst sein Brillengestell ist dezent. Und auch das Wenig-Erzählen beherrscht er in mittlerer Stimmlage immer noch gut. Nein, nicht gut: perfekt. Selbst besondere Hobbys: Fehlanzeige.
"Nein, da bin ich auch eher langweilig, muss ich sagen. Also ich lese gerne, gerne bilde ich mich historisch weiter, ich betreibe keine exotischen, ausgefallene Sportarten, bereise in dem Sinne privat keine exotischen Länder, tauche eher so als Normalbürger in der grauen Masse unter."
Heißt das, dass er beruflich exotische Länder bereist hat? Hechelhammer schweigt. Er schweigt gern. Dabei darf er zumindest darüber reden, was er jetzt im Bundesnachrichtendienst tut. Er leitet seit 2010 die interne Forschungs- und Arbeitsgruppe "Geschichte des BND", die Grundlagenarbeit für die Forschung einer Unabhängigen Historikerkommission leistet. 2016 soll eine ausführliche "Geschichte des BND" erscheinen.
"Man ist im Laufe der Zeit eben zu der Erkenntnis gekommen, dass in einer Demokratie auch die entsprechende Geschichte eines Nachrichtendienstes nach 'ner gewissen Zeit transparent werden sollte."
So arbeitet Hechelhammer nach Jahren der "üblichen Verwendung im BND", wie er das so schön unkonkret nennt, nun wieder in seinem ursprünglichen Metier, der Geschichtswissenschaft. Wenn er jemals Spion war, dann ist das jetzt vorbei. Unglücklich?
"Als Historiker ist das schon eine Traumaufgabe, eine Traumverwendung, wenn man so möchte. Ja, man hat auch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten. Ja, ich kann dem Bundesnachrichtendienst nur dafür danken."