Geheimdienst-Austausch

Das Urteil setzt ein fatales Signal

Schriftzug am Haupteingang der BND-Zentrale in Berlin.
Die Zentrale des BND in Berlin © dpa / picture alliance / Fabrizio Bensch
Von Falk Steiner · 15.11.2016
Das Bundesverfassungsgericht hat es heute abgelehnt, die Regierung zur Herausgabe der NSA-Spionageziele zu verpflichten. Damit machten die Richter sich selbst, die Bundesrepublik und das Parlament unnötig klein, kommentiert Falk Steiner. Das Urteil setze das fatale Signal, dass Kooperation Geheimnisse vor der Verantwortlichkeit schütze.
Wer kontrolliert, was die Nachrichtendienste tun? Wer vollzieht nach, wenn etwas bei ihrer Arbeit nicht in Ordnung ist? Seit Jahren ist zu hören, dass die Nachrichtendienste der Welt noch enger kooperieren müssen. Und da kommt heute das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass es, und das sagen die Karlsruher wortwörtlich, eine "Sicherheitslücke" verursachen könnte, wenn die Bundesregierung die NSA-Selektoren auch ohne Zustimmung der US-Seite dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zugänglich macht, jene vom BND selbst als unzulässig erachteten Suchbegriffe, darunter angeblich auch von deutschen Zielen.
Wer den Beschluss der Karlsruher Richter liest, wundert sich. Denn über weite Strecken bejahen sie sowohl die Notwendigkeit einer Kontrolle als auch die Legitimität des Aufklärungsinteresses des Untersuchungsausschusses. Die Argumente der Bundesregierung werden fast durchgängig auseinandergenommen – zum Beispiel den Vortrag, dass es dem Untersuchungsausschuss an angemessener Geheimhaltungskultur fehle. Die Richter stellen trocken fest, dass das nicht nur für den Bundestag gelte.

Angst vor der eigenen Courage

Der gesamte Beschluss liest sich wie eine Abrechnung mit vielen der vorgeschobenen Begründungsversuche, warum das Parlament außenvorgehalten oder nur vage informiert werden müsse. Und dann, kurz vor Ende, da scheint die Richter des zweiten Senats die Angst vor der eigenen Courage gepackt zu haben: Die Sicherheit und die Geheimdienstkooperation nicht zu gefährden, das gehe im Ergebnis vor. Das ist mindestens erstaunlich, mitunter unlogisch. Denn was, wenn nicht die demokratische Kontrolle des Handelns der Regierung nachgeordneter Institutionen soll ein Parlament leisten?
Die Richter in Karlsruhe haben sich, die Bundesrepublik und das Parlament unnötig klein erklärt und in ihren Rechten beschränkt. Würde sich auf der anderen Seite des Atlantiks der Geheimdienstaufsichtsausschuss damit zufrieden geben, wenn die deutsche Bundesregierung eine Zustimmung verweigert, wenn der BND die NSA als Werkzeug zum Spionieren gegen US-Interessen genutzt hätte?

Keine Lehre aus NSA-Affäre

Wohl kaum. Und gerade deshalb ist das Urteil nicht nur in diesem Fall falsch, es setzt auch ein fatales Signal: Kooperation schützt Geheimnisse vor der Verantwortlichkeit. Genau das aber sollte eigentlich die Lehre aus der NSA-Affäre sein: Die Nachrichtendienste dieser Welt sind leider nötig, aber ihre Arbeit muss stets dem Aufklärungsvorbehalt unterliegen. Und das zu gewährleisten, dem hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem heutigen Beschluss einen Bärendienst erwiesen

Falk Steiner arbeitet seit 2013 im Hauptstadtstudio von Deutschlandradio. Als Korrespondent bearbeitet er dort vor allem Themen der Digital- und der Sicherheitspolitik im weiteren Sinne. Zuvor arbeitete er als Freier Journalist unter anderem für Zeitungen, Magazine, Radiosender und digitale Medien sowie zwei Jahre beim Bundesverband der Verbraucherzentralen zum digitalen Wandel aus Verbrauchersicht. Zuvor war er bei einer Berliner Agentur und bei Zeit Online in Hamburg tätig. Studiert hat er Politikwissenschaft in Bonn und Berlin.

Falk Steiner
© Deutschlandradio / Bettina Straub
Mehr zum Thema