Gegenpol zur ungarischen Kulturpolitik

Von Jörg Taszman · 11.08.2012
Seit 20 Jahren findet auf einer Insel mitten in Budapest ein multi-kulturelles Großereignis statt, das Hunderttausende Besucher aus Ungarn und ganz Europa anzieht. Das Festival ist politisch unabhängig, aber ständig unter Beschuss der regierenden Konservativen.
Bei strahlenden 27 Grad tanzen bereits am Nachmittag Tausende zu den Klängen der bosnischen Band "Dubioza Kolektiv", die in Fußball T-Shirts auf der Bühne stehen und dem Publikum einheizen. Auch die 20. Jubiläumsausgabe des Festivals beginnt vielversprechend bunt. Dabei müssen die Veranstalter bei einem Gesamtbudget von 10 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr mit einer Million Euro weniger auskommen. Nach harten Kämpfen mit der Budapester Stadtregierung stand Sziget sogar kurz vor dem Aus. So wurden die Auflagen für Reinigung, Sicherheit und Regeneration erhöht. Vor allem der internationale Erfolg garantiert das Fortbestehen.

Das weiß auch der Sziget-Chef und langjährige Leiter Károly Gerendai:

"Ich bin mir sicher, dass Sziget deshalb noch lebt und Erfolg hat, weil der internationale Erfolg eingetreten ist. Das ist gut für das Image des Landes. Ohne die vielen Ausländer, die internationale Presse und die positiven, auch wirtschaftlichen Nebenaspekte, würde es Sziget wohl kaum noch geben. Dann hätten, die, die es immer schon wollten auch gesiegt und uns abgeschafft."

Der "ungarische Einfluss" sollte erhöht, das Romazelt abgeschafft und durch einen Ort des "allgemeinen Patriotismus" ergänzt werden. So hätten es sich die Fidesz-Politiker gewünscht, die im Land und der Hauptstadt das Sagen haben. Aber das Romazelt blieb. Da 85 Prozent der Wochentickets von Ausländern gekauft werden und sich die Ungarn meist nur die Tagestickets leisten, ist die Mischung national/international immer besonders heikel. So spielen die meisten einheimischen Bands auf einer eigenen Bühne. Nur wenige, wie Ungarns beste Rockband, Quimby, spielen auch auf den beiden größten Bühnen wie hier auf der Weltmusik-Bühne.

Das Quimby-Konzert wurde wie viele Auftritte live von YouTube übertragen. Erstmals können viele Bands so auch weltweit gesehen werden. Das gehört zu den Erfolgen des Festivals, das schon immer mehr als nur ein Musikfestival war. So kann man auf der Insel töpfern, Riesenrad fahren, die Stände der Budapester Museen besuchen, schwul-lesbische Filme sehen oder im neuen Olympiazelt die Erfolge des kleinen Ungarn in London feiern. Auch Nichtregierungsorganisationen – NGO's wie Transparency International - sind hier. Man will gezielt die Jugend ansprechen, lockt mit einer Wasserpistolenschlacht und informiert auch über massive Korruption im Land. Für die Leiterin von Transparency International, Noemi Alexa, ist Sziget strategisch wichtig.

""Sziget ist der Ort, wo man auf innovative, junge Menschen trifft und so kann man mit ihnen in Kontakt treten. Ich hoffe, dass alle die an der Wasserschlacht teilgenommen haben auch die Fragebögen zur Korruption ausfüllen und wir in Kontakt bleiben. So können wir ihnen vermitteln, wie man Organisationen und die Ausgaben der politischen Parteien kontrolliert oder Gesetze mit auf den Weg bringt. Sodass alles transparent und ehrlich wird."

Als Transparency International zur Wasserschlacht einlud, kamen die britische "chargé d'affaires" weil der Botschafter im Urlaub ist und erstmals die norwegische Botschafterin Siri Ellen Sletner zum Sziget. Für die Politikerin setzt dieses Event das richtige Signal im heutigen Ungarn:

"Ich glaube dieses Ereignis gehört zu den positiven Dingen. Es ist wichtig für Ungarn, dass sie im Zentrum eines so guten Festivals stehen und Leute aus ganz Europa anziehen. So können sie ein anderes Bild Ungarns zeigen, als das was man in den internationalen Medien sonst findet.""

Die ganz großen Namen wie Prince, R.E.M, oder Die Toten Hosen, die schon alle beim Sziget spielten, mögen in diesem Jahr fehlen, eindrucksvoll ist die Teilnehmerliste dennoch: Mit The Killers, , Mando Diao, Sportfreunde Stiller oder hier Emir Kusturicas Non Smoking Orchestra sind vor allem Wiederholungstäter mit dabei, die schon öfter auf der Insel spielten.

Tagsüber bereichern die Sziget-Besucher die Innenstadt von Budapest und setzen auch optisch ein schönes Zeichen gegen die Kulturpolitik der Regierenden, die sich auf der Budapester Burg eine Propagandaausstellung mit dem verherrlichenden Namen "Helden, Könige, Heilige" leistet. Abends geht es dann wieder auf die Insel. Dort wird unter Europas Jugend gefeiert. Die norwegische Botschafterin wird wieder kommen und sagt so treffend:

"Ungarn ist, ein multikulturelles Land, ob es will oder nicht."

Sziget ist der beste Beweis dafür!

Mehr zum Thema auf dradio.de:
Künstler auf der Flucht - Warum Intellektuelle Ungarn verlassen, (DFL, Europa heute)
Prince gibt erstes Ungarn-Konzert - Festival "Sziget" bietet Musik von Klassik bis Heavy Metal, (DKultur, Fazit)
Mehr zum Thema