Gefahr und Verheißung in der Wüste

Von Christian Berndt · 20.10.2013
Mit "Nirgendwo in Afrika" von Caroline Link gewann 2003 zum zweiten Mal in der Filmgeschichte ein deutscher Spielfilm den Oscar. Zehn Jahre nach diesem Erfolg hat die Regisseurin wieder in Afrika gedreht: "Exit Marrakech" handelt von einer vorsichtigen Annäherung zwischen Vater und Sohn.
Ben ist gerade in Marrakesch angekommen, hier wird er nun seine Ferien verbringen. Aber zum Spaß ist der 17-jährige Internatszögling nicht gekommen. Er soll seinen Vater Heinrich in Marokko besuchen, wo der vielbeschäftigte Theaterregisseur gerade inszeniert. Ben wuchs ohne den Vater auf und verübelt ihm, dass der nie für ihn da war. Der nachdenkliche Ben, dargestellt von Samuel Schneider, und der intellektuelle Heinrich, von Ulrich Tukur mit arroganter Überheblichkeit gespielt, finden keinen Draht:

"Bowles? Der schreibt doch über Marokko, oder?"
"Genau, Paul Bowles, Amerikaner, großartig. Hier, die Kurzgeschichten, kannste mal lesen."
"Man könnte sich aber auch das echte Marokko angucken."
"Das ist alles nicht mehr so toll."
"Das kannst Du von Deinem Liegestuhl aus beurteilen?"
"Ja, das kann ich. Außerdem ist die Fantasie oft spannender als die Realität."

Ben findet den Vater einfach nur überheblich, und zieht alleine los ins nächtliche Marrakesch. Ben lässt sich vom orientalischen Gewimmel der Stadt treiben. Er zieht durch die Nacht, und dann lernt er in einer Bar Karima kennen - eine Prostituierte:

"Mh, Rice with Fugguna."
"I can not eat now."
"Why, nervous?"
"Why do you work as a prostitute?"
(lacht) "You rich, Boy, don’t worry."

Ben ist gefesselt von dieser fremdartigen Welt, die Caroline Link - teils mit versteckter Kamera – mancherorts wundersam unwirklich eingefangen hat. Schließlich reißt Ben aus, fährt mit Karima in ihr Heimatdorf und macht sich dann - nach brenzligen Erfahrungen – mit einem Araber in die Wüste auf. Für den diabeteskranken Jungen wird es langsam gefährlich. Der besorgte Heinrich lässt die Polizei nach ihm fahnden, Ben wird geschnappt und muss mit dem Vater zurück. Auf der Fahrt durch die Wüste kommt es zur Konfrontation zwischen beiden:

"Du kannst vielleicht drei Sprachen sprechen, aber jemanden lieben, das kannst Du doch gar nicht."
"So einfach ist das Leben nicht, Ben. Weil die Menschen so nicht sind. Nicht jeder Vater, der um 7 bei seinem Kind auf der Bettkante sitzt, ist deshalb zwangsläufig ein guter Vater."
"Aber Du bist einer, oder was?"
"Wenn Du mich lassen würdest, könnte ich Dir einiges geben."
"Was Du mir zu geben hast, interessiert mich nicht."

Caroline Link erzählt in ihrem Roadmovie "Exit Marrakech" eine gefühlvolle Vater-Sohn-Geschichte. Als Ben und Heinrich in der Wüste stranden, wird die Situation bedrohlich, aber es kommt auch zur Annäherung. Gefahr und Verheißung liegen – wie der Film atmosphärisch vorführt - in dieser fremden Welt immer nah beieinander.
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