Gedenken an Opfer der NS-Euthanasie

Nicht alle Familien trauern öffentlich

In der Gedenkstätte für die Euthanasie-Opfer in Bernburg wird eine Rose auf eine Gedenktafel gelegt. Ein Teil der psychiatrischen Landes-Heil- und Pflegeanstalt war in der Nazi-Zeit eine der sechs «Euthanasie»-Anstalten. Darin wurden kranke und behinderte Menschen sowie Häftlinge aus sechs Konzentrationslagern durch Gas ermordet. Foto: Peter Förster +++(c) dpa - Report+++
In Bernburg befand sich während der NS-Zeit eine der sechs Euthanasie-Anstalten. Allein dort wurden mehr als 14.000 Menschen ermordet. © Quelle: dpa / picture-alliance / Peter Förster
Ute Hoffmann im Gespräch mit Anke Schäfer · 27.01.2017
Am heutigen Holocaust-Gedenktag hat der Bundestag besonders der Opfer der NS-Euthanasie gedacht. Der Mord an hunderttausenden Menschen mit Behinderung wurde lange nicht aufgearbeitet. Heute bekämen Angehörige Antworten auf ihre Fragen, sagt Ute Hoffmann, Gedenkstättenleiterin in Bernburg.
Etwa 300.000 Menschen fielen den Euthanasie-Morden während des Nationalsozialismus europaweit zum Opfer. Ihre Familien wussten oft nicht, was mit ihren Angehörigen geschehen war. Anders als noch vor einigen Jahren könnten sie sich nun gut informieren, sagt Ute Hoffmann, die die Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie in Bernburg leitet: "Es ist ein Thema, zu dem man Gedenkstätten besuchen kann, Angehörige können Fragen stellen und bekommen auch eine Antwort darauf. Da hat sich schon sehr viel verändert innerhalb der letzten 20, 25 Jahre."
Den Vorwurf, den eine Angehörige heute im Bundestag erhob, die Opfer würden bis heute nicht öffentlich mit Namen genannt, kennt Hoffmann. Sie weiß allerdings auch, dass Familien sehr unterschiedlich trauern: Manche wollten eine öffentliche Form, andere nicht.

Familien trauern unterschiedlich

Differenziert reagiert Hoffmann auch auf einen weiteren Vorwurf: Der mit Down-Syndrom geborene Schauspieler Sebastian Urbanski sagte ebenfalls im Bundestag: "Heute werden Menschen wie wir zwar nicht mehr umgebracht, aber dafür kaum noch geboren. Das ist der gleiche Vorgang, nur etwas anders." Sie könne die Position verstehen, wenn man selbst betroffen sei, sagt Hoffmann. Doch es würden auch weiterhin Menschen mit Behinderung geboren. Zum anderen sei die pränatale Diagnostik und Schwangerschaftsunterbrechung "manchmal gesellschaftlichen Umständen geschuldet, unter denen werdende Eltern leiden":
"Wer hilft Eltern, wenn sie ein Kind mit Behinderung haben? Wer hilft ihnen bei den Ämtern? Wer hilft ihnen, wenn sie unterwegs sind? (…) Sie brauchen sehr viel Stärke, sie brauchen sehr viel Kraft - mehr als in jeder anderen Familie. Und wenn eine Familie sich dazu entschließt zu sagen: Wir wissen nicht, ob wir das schaffen, dann ist das auch eine sehr indivduelle Entscheidung, und diese Entscheidung wird aber beeinflusst von dem, was die Gesellschaft an Unterstützung bereithält für die, die es brauchen - nämlich die Eltern und die Kinder."
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