Geburt des Punk

Von Regina Kusch · 26.11.2006
Vor 30 Jahren erschien in England die Single "Anarchy in the UK" der Londoner Band The Sex Pistols. Sie legte damit nicht nur den Grundstein für eine noch nie da gewesene Musikrichtung, sondern löste gleichzeitig eine neue Kultbewegung aus: den Punk.
Als am 26. November 1976 die Single "Anarchy in the UK" von den Sex Pistols erschien, eroberte sie sofort die britischen Charts. Diese Musik war simpel, schnell und aggressiv. Ganz anders als das, was man bisher in England kannte, erinnert sich Glen Matlock, der Bassist der Sex Pistols.

"Bands wie Yes oder Genesis, die damals in England spielten, mochten wir nicht, sie waren zu kompliziert, die waren wie das Shakespeare-Stück 'Viel Lärm um nichts'. Wir wollten zurück zum reinen Rock'n Roll, aber mit anderem Text drauf. Einfache Lieder eben. Musik ist Kommunikation. Wenn Du was zu sagen hast, sag es gerade heraus."

Mit Parolen wie "Anarchie!", "Destroy – Zerstöre!" und "No Future – Keine Zukunft" sprachen die Sex Pistols vor allem jungen Menschen aus der Seele, die wütend waren auf eine soziale Ordnung, in der es keine Jobs gab, in der es nur um Konsum ging und in der man ständig brav auftreten sollte gegenüber Autoritäten, die man eigentlich verachtete. Glen Matlock, der Komponist, und Texter John Lydon lösten mit "Anarchy in the UK" nicht weniger aus als eine neue Kultbewegung, den Punk.

"Die Menschen haben etwas gesucht. Und wir waren so was wie die Vorreiter. Plötzlich wollten die Leute Punks werden, weil es gegen die Eltern war und gegen England. "

"Musik ist ein Mittel, meine Meinung auszudrücken. Punkmusik wollte nicht schocken. Aber sie tat es natürlich. Ich wollte wirklich nur meine Meinung ausdrücken. "

Geschockt haben die Sex Pistols zum einen durch ihr Aussehen. Sie trugen Sicherheitsnadeln, zerrissene Lederjacken und wirr abstehende, bunt gefärbte Haare. Die Designerin Vivienne Westwood kreierte diesen Stil und wurde damit weltbekannt. Zum anderen machte die Band durch Skandale von sich reden. Sie zerstörte Hotelzimmer und bespuckte ihr Publikum. Sänger John Lydon nannte sich ab sofort Johnny Rotten, der Verrottete, und ein Fernsehmoderator musste gehen, nachdem die Sex Pistols in seiner Talkshow ausgiebig geflucht hatten. "Obnoxious! Wie widerwärtig!" empörte sich die Queen und wurde daraufhin zu ihrem 25. Thronjubiläum gleich mit einem neuen Schmähstück bedacht, das ebenfalls sofort zum Nummer-Eins-Hit wurde: "God save the Queen!"

Im Parlament diskutierte man daraufhin, ob von diesem Ausbund an Anti-Royalismus eine politische Gefahr zu befürchten sei. Darüber kann Glen Matlock nur lachen.

"Wir waren so unpolitisch, dass es schon wieder politisch wurde. Wir waren für Anarchie, für Selbstbestimmung: Denk selbst über die Dinge nach, kümmere Dich nicht um Parteipolitik!"

Musikalisch hatten die Sex Pistols schon nach ihrer ersten LP nicht mehr viel Neues zu bieten. Da konnte auch die geschickte Vermarktung durch ihren Manager Malcolm McLaren kaum noch helfen. Nicht einmal zwei Jahre nach ihrer Gründung trennte sich die Band, doch ihr Sound hat die Musikergenerationen der 80er und 90er Jahre entscheidend geprägt. Mit Anarchie und sexueller Befreiung hat John Lydon heute nur noch wenig am Hut.

"Das sind diese alten Klischees. Heute haben wir schon eine ganz neue Liste. Geistige Armut. Politischer Rückschritt, Apathie und noch einiges. Mit dem Sex. das haben wir wohl inzwischen geschafft. "

Das Lumpen-Image ist mittlerweile nicht mehr weg zu denkender Bestandteil einer exquisiten Designermode. Männer mit gefärbten Haaren sind von Prominenten wie Fußballstar David Beckham oder dem Violinisten Nigel Kennedy längst salonfähig gemacht worden. "Punk ist tot", sagt John Lydon heute. Die Sex Pistols sind Geschichte.

"Warum sollte ich darüber reden? Ich kann mich nicht dauernd mit Erinnerungen rumschlagen. Es gibt wirklich wichtigere Dinge."

Und so wurde die Band in New York gegen ihren Willen in die Rock’n-Roll-Hall-of-Fame aufgenommen.