"Ganz viel Geld verbrannt"

Moderation: Christopher Ricke · 19.04.2012
Die Solarindustrie habe sich zu lange auf die Förderung durch die Bundesregierung verlassen, sagt Mathias Richter, Leiter des Wirtschaftsressorts der "Märkischen Allgemeinen" in Potsdam. Gleichzeitig sei im Bereich Technologieforschung zumindest in Ostdeutschland "nicht so arg viel passiert".
Christopher Ricke: Schwere Zeiten für die deutsche Solarindustrie, die Chinesen machen es einfach billiger, in Deutschland wird die Förderung zurückgefahren, das Ergebnis: Insolvenz reiht sich an Insolvenz und First Solar aus Frankfurt/Oder macht jetzt ganz dicht. 1200 Stellen sind in Gefahr und noch viel mehr, wenn man die Zulieferer und die Dienstleister darum herum betrachtet. Das ist ein Tiefschlag für die einstige Hoffnungsindustrie in Ostdeutschland.

Mathias Richter leitet die Wirtschaftsredaktion der "Märkischen Allgemeinen" in Potsdam, er ist jetzt im Mediengespräch. Guten Morgen, Herr Richter.

Mathias Richter: Guten Morgen!

Ricke: Die ganze Branche ist alarmiert, Verlust von Know-how. Wenn ich mir die Überschriften heute in der "Märkischen Allgemeinen" anschaue, ist da sehr viel Pessimismus zu hören. Wie sehen sie das?

Richter: Na ja, es sieht schon relativ schlecht aus für die Produzenten in Deutschland. Das hängt natürlich an unterschiedlichen Gründen. Einen haben Sie schon genannt: die chinesischen Anbieter sind viel konkurrenzfähiger, die werden dort mit billigen Krediten auch versorgt und können deswegen billiger produzieren. Die deutschen Produzenten haben sich bisher zumindest auf die Förderung durch die Bundesregierung verlassen, durch die Einspeisevergütung, und diese drastischen Kürzungen führen natürlich dazu, dass es für die Unternehmen ein unsicherer Markt wird, wo sie nicht genau wissen, was passiert, und dadurch sind die in Schwierigkeiten.

Der dritte Punkt ist natürlich aber auch, dass Deutschland als Hochtechnologieland natürlich auch nicht einfach nur mit den Chinesen in demselben Produkt konkurrieren kann. Sie müssen natürlich technologisch vorne sein. Und was die ganzen Bereiche Technologieforschung angeht, ist in der Solarbranche zumindest in Ostdeutschland, wo die meisten Produzenten sitzen, nicht so arg viel passiert. Das heißt, da sind die einfach im Hintertreffen.

Ricke: Nun ja, es gibt schon einige Unternehmen, die auch in die Krise geraten sind: Odersun zum Beispiel, ein etwas kleineres Unternehmen, das aber mit Fassadenpaneelen doch große Aufmerksamkeit erregt hat. Es geht ja nicht nur um die ganz normale Solarzelle, man hat sich ja auch schon mehr ausgedacht im Osten.

Richter: Das ist richtig. Odersun ist ein Beispiel, wo in einem Nischenprodukt gearbeitet wird, das ist eine ganz andere Technologie. Die arbeiten auf Aluminiumbasis. Das Problem ist allerdings: dieses Produkt ist einfach noch nicht marktgängig, das ist noch nicht so weit, die Energieeffizienz ist bei weitem nicht so gut wie bei Silicium zum Beispiel, damit sind die im Hintertreffen und die haben im Augenblick eigentlich nur ganz, ganz viel Geld verbrannt und sind jetzt eben so weit, dass sie nicht mehr existieren können. Es gibt auch keinen Investor und insofern ist das Unternehmen jetzt Pleite. Sie haben gestern angekündigt, dass sie auch nicht mehr in Eigeninsolvenz das ganze machen können, sondern jetzt ganz klassisch in die Insolvenz gehen.

Ricke: Jetzt gibt es ja den Vorwurf mit den Subventionen. Den kann man so herum, aber auch anders herum bürsten. In die eine Richtung heißt er, die Unternehmen haben sich einfach zu lange auf den Subventionen ausgeruht und sind nicht marktfähig geworden. Wenn man es anders herum anschaut heißt es, man hätte die Subventionen nicht so abrupt und überraschend kürzen dürfen. Wie verläuft denn da die Diskussion bei Ihnen in der Redaktion? Auf welche Seite schlagen sich die Kollegen?

Richter: Das ist natürlich durchaus kontrovers in einer Wirtschaftsredaktion, das ist ganz klar. Es gibt natürlich schon die Position, dass die Unternehmen sich natürlich viel zu lange darauf verlassen haben, denn es war ja klar: die Subventionen gehen runter. Das war vom Erneuerbare-Energien-Gesetz immer schon so gedacht. Das wurde dann in den letzten Jahren etwas drastischer verschärft, das konnten die Unternehmen wissen. Und da ist wie gesagt das Problem, dass man als Unternehmen nicht darauf reagiert hat, rechtzeitig mit Innovationen und Kooperationen mit Forschungseinrichtungen. Das ist sicher das Problem, das es gibt.

Das andere ist aber natürlich, und da ist First Solar ein gutes Beispiel, wie man auch dafür sorgen kann, dass Unternehmen einfach das Handtuch werfen und erst mal vorsichtshalber gehen, bevor sie Pleite sind wie zum Beispiel Odersun oder Q-Cells und was wir in Ostdeutschland gerade erleben. Es ist ja so: die letzten Kürzungen, die vorgenommen wurden, waren ja sehr abrupt. Die waren in dem Ausmaß nicht zu erwarten und sie treffen vor allem auch noch ein Produktionssegment, das bisher in dem Maße nicht betroffen war. Es war ja bisher so, dass insgesamt alle Solaranbieter damit rechnen mussten, dass die Subventionen degressiv runtergehen, also langsam, schrittweise runtergehen.

Es ist aber natürlich mit der neuen Veränderung so gewesen, dass es auch auf anderen Bereichen verschärft wurde, und das trifft zum Beispiel so ein Unternehmen wie First Solar, die eigentlich gar nicht mit den Chinesen auf dem deutschen Markt konkurriert haben, denn das, was aus China kommt, sind vor allem die Module, die sich der kleine Häuslebauer auf sein Dach setzt. So was hat First Solar gar nicht gemacht, sondern die haben für Großanlagen produziert ...

Ricke: Für diese Solarparks.

Richter: Genau diese Solarparks, die zum Beispiel in Brandenburg meistens da entstehen, wo ehemalige Militärflächen sind, mit denen man eigentlich nichts Vernünftiges im Augenblick machen kann, weil das teilweise hoch explosiv ist, und solche Sachen kann man da draufstellen. Diese Anlagen wurden größtenteils mit Modulen von solchen Firmen wie First Solar gemacht. Zum Beispiel gibt es in Brandenburg einen großen Solarpark, der ist vor zwei Jahren entstanden, Lieberoser Heide, das ist 70, 80 Megawatt, und da wurden First Solar Module draufgesetzt. Diesen Park könnten Sie heute nicht mehr bauen mit der jetzigen Subventionskürzung, weil ab Ende September kriegen Sie bis zehn Megawatt eine Förderung und danach nichts mehr.

Ricke: Herr Richter, zum Schluss ganz kurz die Frage: Hat die "Märkische Allgemeine" in Ostdeutschland produzierte Solarzellen auf dem Dach, ja oder nein? Wissen Sie, ob sich das so weit schon durchgesetzt hat?

Richter: Meines Wissens haben wir gar keine auf dem Dach.

Ricke: Mathias Richter, er leitet die Wirtschaftsredaktion der "Märkischen Allgemeinen" in Potsdam. Ganz herzlichen Dank.

Richter: Bitte schön.

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