Ganz großes Kino

Von Jürgen Stratmann · 06.02.2009
Also, Eins muss man schon sagen: Wer bis jetzt dachte: "Berlinale, gut - Filmfest! – Gibt's halt Filme!", dem sei hiermit gesagt: Quatsch - hier gibt es alles – zum Beispiel: Kunst! - also - richtige, nicht so Filmkunst oder so etwas, sondern so Kunst-Kunst eben - das ist schon was anderes ...
Also, Eins muss man schon sagen: Wer bis jetzt dachte: "Berlinale, gut - Filmfest! – Gibt's halt Filme!", dem sei hiermit gesagt: Quatsch - hier gibt es alles – zum Beispiel: Kunst! - also - richtige, nicht so Filmkunst oder so etwas, sondern so Kunst-Kunst eben - das ist schon was anderes ...

"Es ist tatsächlich so, dass nach wie vor Film- und Kunstwelt sehr getrennte Welten sind","

meint auch Stefanie Schulte Strathaus, Chefin des Kunst-Kunst-Komplexes der Berlinale, der hier "Forum Expanded" heißt. Getrennte Welten - das trifft die Sache auch geografisch: So ist etwa die Ausstellung mit dem Titel "Stupide Strukturen - Einfache Strukturen" - eine bizarre Extrem-Video-Schau mit flimmernden Fernsehern in den Ecken und kaputten Küchenuhren an den Wänden, artgerecht ausgelagert: Die Szene trifft sich in einem abgeranzten Schuppen im finster-verkommenen Gewerbegebiet hinterm Hauptbahnhof, wo man die Lichter des Potsdamer Platzes nur in der Ferne erahnt.

""Es ist ein Künstlerstudio - dort, wo sie zuhause sind."

Und es gefällt ihnen sehr gut dort.

"Es gefällt mir sehr gut hier!","

sagt auch der Künstler! - mir auch - Es ist ja auch schön: Es gibt Rotwein der Marke "Hommage" aus Plastikbechern für lau - die eloquenten jungen Herren mit den wachen Augen haben alle entweder wirre Lockenköpfe oder New-Age-Asketen-Glatze und toulouse-lautrec-schal-artig lässig elegante Wollwulst-Gebilde um den Hals - die Damen auch. Und die Stimmung ist prima. Wie schön! Aber was hat das alles mit Kino zu tun?

""Es geht grundsätzlich darum, Perspektiven auf das Kino zu zeigen, die aus dem Kino heraus kommen, aber Formate annehmen, die die Kriterien sprengen, die Regularien sprengen, die ein Festival hat."

Ludwig Schönherr, so heißt der Künstler - übrigens eine absolute Neuentdeckung - seit 50 Jahren kreativ, aber noch nie in Erscheinung getreten - Ludwig Schönherrs Formate sprengen nicht nur gängige Film-Fest-Kriterien, sie - wie soll man sagen - sie haben einfach überhaupt nichts damit zu tun! Nächste Woche hat sein Hauptwerk Premiere - es hat, soviel kann man schon sagen: Überlänge.

"107! - 107 Stunden auf Super-8."

""Der ist noch länger.""Wir haben aber, ich muss zugeben, nur zwölf Stunden, die wir zeigen."

"Also nur einen Art Trailer."

"Für uns ist das sowieso ein Anfang."

Was wohl heißt, dass es den ganzen Streifen demnächst in voller Länge gibt - aber: Wie soll das gehen? Vorstellungsbeginn jeweils an jedem 2. Sonntag im Monat, und damit es nicht allzu lang wird, lässt man die Werbung weg? Und wie wäre das mit Spätvorstellungen? Beginnen die dann immer im Herbst, oder wie? Sicher, Kunst ist sperrig - aber warum nur? An den Ausstellungswänden hängen handschriftlich bekritzelte Zettel, auf einem steht, mit dickem Filzer und deklamatorischem Eifer auf wundes Papier geprägt:

"Theorie des absoluten Videofilms:

Video als visuelles und geistiges Abenteuer - nicht der flaue, tote Bildschirm, sondern der feuerspuckende Monitor!"

Was er damit meint, erklärt der Künstler - sein Name - Ludwig Schönherr - dann nicht:

"Schwierig! Das ist schwierig! Ja, das kann ich eigentlich gar nicht, das ist alles schriftlich festgelegt, und aus dem Ärmel schütteln kann ich das einfach nicht."

Und dann lacht er so komisch, und mir fällt Goethe ein, der es ja schon wusste, "Kunst, das ist die Vermittlerin des Unaussprechlichen" - und - hei! - ist das hier Unaussprechlich?

"Ich kann es wirklich nicht sagen."

Jedenfalls: Schauen Sie sich's an, ich bin sicher, nach dem dritten Becher "Hommage" stimmen Sie mir zu: Das ist ganz großes Kino!