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Wie die Wehrmacht doch gewinnt

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Screenshot aus der Spielepräsentation © Frontline
Von Marcus Richter · 08.07.2014
Ein Spiel hatte in den letzten Wochen den Apple-App-Store erobert: "Frontline: Road to Moscow". Das Besondere, für manche Bedenkliche: In dem Strategiespiel wird der Spieler aufgefordert, den Zweiten Weltkrieg nachzuspielen, genauer gesagt den Russland-Feldzug auf deutscher Seite.
Es ist ein komisches Gefühl. Ich soll wirklich losziehen, um im Zweiten Weltkrieg Russland zu erobern, als deutscher General? Ist das nicht blanker Revanchismus? Das darf man doch gar nicht? Also nicht, weil es das Gesetz verbietet - sondern der gute Geschmack, oder? Ich schlage die Bedenken erst mal in den Wind und beginne zu spielen.
"Frontline: Road to Moscow" entpuppt sich als relativ zugängliches Strategiespiel. Eine überschaubare Anzahl an Einheiten, die man quasi nach einem erweiterten Schere-Stein-Papier-Prinzip gegeneinanderstellt. Scharfschützen gegen Anti-Panzertruppen, Anti-Panzertruppen gegen Maschinengewehrwagen, Maschinengewehrwagen gegen Scharfschützen. Und so weiter.
Es müsste nicht mal unbedingt Zweiter Weltkrieg sein
Man bewegt seine Einheiten Zug um Zug, der von Strategiespielern oft gebrauchte Vergleich vom "etwas anderen Schachspiel" fällt mir ein, der passt hier. Aber es könnte auch irgendwas anderes sein, es müssten nicht unbedingt die Deutschen sein, es müsste nicht mal unbedingt Zweiter Weltkrieg sein - aber das Setting ist beliebt. Warum eigentlich? Martin Deppe, ist Spielejournalist mit Spezialisierung auf Strategietitel. Er kann diese Faszination nachvollziehen:
"Es ist halt auch ein gewisser Wiedererkennungswert da, wenn ich einen Panzer vier sehe, den kenn ich halt, ein Tiger, weiß ein Laie ungefähr war ein großer, starker Panzer und aufpassen. Dieser nachvollziehbare Realismus, der ist da einfach da."
Ja, das stimmt. Ich schiebe digitale Spielsteine über ein digitales Spielbrett. Und sehe sofort: Ein Nazi-Panzer ist ein Nazi-Panzer und ich weiß grob, was der kann und wie gefährlich der ist – hat man ja alles schon tausendmal in Filmen gesehen und Büchern gelesen.
Historischer Rahmen dient als Anreiz
Angela Schwarz ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Siegen und beschäftigt sich seit Jahren mit Games, die in und mit historischen Kontexten spielen und hat eine ganz ähnliche Erklärung.
"Der historische Rahmen dient als Anreiz, als Setting, als Abwechslungsgenerator und für die Hersteller natürlich als vorgefertigte Geschichte, die man weder erfinden muss, noch für die man Lizenzen bezahlen muss."
Für Spieler also leichter nachzuvollziehen und für Entwickler einfacher umzusetzen. Und genau deshalb entstehen solche Spiele auch erklärt mir Marco Minoli von Slitherin, *der* Firma, die das Spiel "Frontline: Road to Moscow" herausgebracht hat:
"Der zweite Weltkrieg ist die populärste Geschichtsperiode überhaupt, und in dieser Zeit die deutsche Seite und ihre Geschichte zu spielen ist einfach am beliebtesten. Und aus Verlegerperspektive geht uns vor allem darum den Markt zu befriedigen."
Okay, denke ich, also reine Marktwirtschaft und kein Versuch Revanchismen über geheime Umwege unter die Leute zu bringen. Ehrlich gesagt: Besonders revanchistisch fühle ich mich auch nicht. Bin ich zu naiv? Oder schon komplett dem Bösen verfallen?
"Warnen würde ich nur vor allzuleichten Schlussfolgerungen, was das bei Spielenden auslöst, also sofort jetzt in den Besorgnisdiskurs übergehen, der dahinter vermutet, es könnten revanchistische Gedanken bei Spielern ausgelöst werden oder schon vorhanden sein und bestärkt werden, das ist einfach zu pauschal."
Pauschal verurteilen sollte man die Spiele nicht
Angela Schwarz, die Geschichtsprofessorin, gibt Entwarnung. Pauschal verurteilen sollte man solche Spiele also nicht. Aber trotzdem, es bleiben Bedenken. Zum Beispiel bei Malte Switkes vel Wittels, von der Amadeu Antonio Stiftung, die sich unter anderem mit Kommunikationsformen von Nazis in neuen Medien beschäftigt:
"Es ist aber doch so, dass gerade diese Art von Spiele hochattraktiv sind für Rechtsextreme aber auch für rechtsextrem affine, gerade auch Jugendliche."
Computerspiele wie "Frontline: Road to Moscow" können also zumindest als Leinwand und Verstärker für Revisionismus dienen, wenn entsprechendes Gedankengut sowieso schon verankert ist.
Gerade wenn man Werbesprüche wie "Das Deutsche Heer braucht sie! Erobern Sie Russland! Gewinnen Sie den Krieg!" betrachtet, müssen sich die Macher von Frontline zumindest vorwerfen lassen, dass sie Revisionismus billigend in Kauf nehmen. Für ein Verbot sieht Switkes vel Wittels aber keinen Bedarf:
"Meine Forderung: Eine breite gesellschaftliche Debatte aus Politik, aus Zivilgesellschaft aber auch aus der Computerspieleindustrie, dazu, wer sind eigentlich unsere Spieler, was könnte da möglicherweise missbraucht werden und wie wollen wir dieses Medium eigentlich gestalten."
Ich darf also Russlandfeldzug spielen, solange ich mir darüber im Klaren bin, was ich da tue, denke ich, während ich noch ein paar Panzern den Marschbefehl gebe, aber in Zukunft würde ich mir für solche Spiele doch dasselbe wünschen, wie die Historikerin Angela Schwarz:
"Das Brüche, Stolpersteine, Fragen sozusagen, schon eingebaut sind, wo man mal zum Nachdenken vielleicht bringen kann."
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