G8-Gipfel 2005

Der Schuldenerlass für Entwicklungsländer

G8 in Geneagles Schottland
2005 trafen sich die Vertreter der damaligen G8 in Großbritannien. © picture-alliance/ dpa/dpaweb - epa Yury Kochetkov /Pool
Von Matthias Bertsch · 11.06.2015
In den 70er- und 80er-Jahren erhielten viele Entwicklungsländer billige Kredite, die sie nicht mehr zurückzahlen konnten. Am 11. Juni 2005 beschlossen die Finanzminister der G8-Staaten in London, 18 armen und hoch verschuldeten Entwicklungsländern alle Schulden zu erlassen.
Madonna, Sting, Pink Floyd, Paul McCartney: Sie alle waren am 2. Juli 2005 nach London gekommen, um vor über 200.000 Menschen im Hyde Park zu spielen. Organisator des Rockspektakels war der irische Musiker Bob Geldof, der mit dem Live-8-Konzert ein Ziel verfolgte: die Bekämpfung der Armut, vor allem in Afrika.
"Wir kommen mit dem Mandat von über drei Milliarden Menschen, wir haben 31 Millionen Unterschriften gesammelt. Das bedeutet, Premierminister Blair geht in die Gipfel-Verhandlungen mit dem größten demokratischen Mandat, das jemals zusammengetragen wurde zu einem einzigen Thema, und dahinter steht die Tatsache, dass auch heute wieder 50.000 Menschen sterben werden."
Anlass für die weltweit stattfindenden Live-8-Konzerte war der G8-Gipfel der führenden Industrienationen, der am 6. Juli im schottischen Gleaneagles begann - mit einer Solidaritätsbekundung des britischen Premierministers Tony Blair.
"Wir sind hierher gekommen in Solidarität mit dem afrikanischen Kontinent. Wir sind gekommen, um einen Aktionsplan anzukündigen, in Partnerschaft mit Afrika. Es ist nicht das Ende der Armut in Afrika, aber es ist die Hoffnung, dass sie überwunden werden kann."
Schulden in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar
Kernstück des Aktionsplanes war ein Beschluss, den die Finanzminister der G8-Staaten bereits vier Wochen vorher, am 11. Juni 2005, in London, getroffen hatten: 18 hochverschuldeten Ländern, die meisten davon aus Afrika, sollten ihre gesamten Schulden in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar erlassen werden. Ursache für die hohe Verschuldung war eine Politik der leichtfertigen Kredite, so Jürgen Kaiser vom entwicklungspolitischen Bündnis Erlassjahr.de:
"Das geht zurück bis auf die Ölkrise der frühen 70er-Jahre, wo sehr viel Kapital Anlageformen gesucht hat, und weil in den 70er-Jahren, in Europa, in den überhaupt entwickelten Ländern es nicht viele Möglichkeiten gab, hohe Zinserträge zu erzielen, gab es geradezu einen großen Boom von Ausleihungen an Länder im globalen Süden, Afrika, Asien, Lateinamerika, häufig für Projekte und Vorhaben, die nicht besonders sinnvoll gewesen sind."
Viele Kredite wurden nicht zum Aufbau konkurrenzfähiger Volkswirtschaften genutzt, sondern für Prestigeprojekte korrupter Politiker und Diktatoren.
"Das war den Geldgebern, den privaten Banken vor allen Dingen, aber ziemlich egal, und als die dann ihr Geld nicht mehr zurückbekamen, da sind mehr und mehr Regierungen und dann eben auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank eingesprungen, so ähnlich wie heutzutage die Troika in Griechenland, und haben dafür gesorgt, dass die Gläubiger weiterhin ihr Geld bekamen, was dann dazu geführt hat, dass eben Schulden bei diesen Institutionen immer weiter gewachsen sind, und letztlich eben 2005, nach Gleneagles, auch gestrichen werden mussten."
Der Schuldenerlass, der an Bedingungen wie ein Armutsbekämpfungsprogramm und eine Politik der Good Governance gebunden war, war also kein Akt der Nächstenliebe, sondern basierte auf der nüchternen Einsicht, dass IWF und Weltbank ihr Geld nie wieder sehen würden. Das bewegte schließlich auch den US-amerikanischen Präsidenten George Bush, dem Schuldenerlass zuzustimmen.
"Wir sind uns einig, dass hoch verschuldete Staaten, die Reformen eingeleitet haben, nicht von ihrer Schuldenlast erdrückt werden dürfen. Deshalb schlagen wir vor, dass diesen Ländern 100 Prozent ihrer Schulden erlassen werden. Das soll mit zusätzlichen Mitteln geschehen, sodass die Weltbank und die afrikanische Entwicklungsbank nicht geschwächt werden."
Zehn Jahre danach
Zehn Jahre nach Gleneagles hat sich die Situation kaum verbessert. Von 150 untersuchten Ländern befindet sich mehr als die Hälfte in einer kritischen Schuldensituation, heißt es im jüngsten Schuldenreport des Bündnisses Erlassjahr.de. Wir brauchen ein geordnetes Entschuldungsverfahren für Staaten, fordert der Wirtschaftswissenschaflter und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz im Vorwort: ein Staateninsolvenzverfahren. Und auch Jürgen Kaiser sieht darin die einzige Möglichkeit, den Teufelskreis der Verschuldung zu durchbrechen.
"Wenn den Gläubigern von vornherein deutlich wäre, ihr werdet euer Geld nicht wieder bekommen, wenn die Investition tatsächlich schiefgelaufen ist, wie das bei einer normalen Unternehmensinsolvenz auch ist. Das wäre im Grunde der einzige wirkliche spürbare präventive Effekt, mit dem man Neuüberschuldung sicher nicht verhindern kann, das kann man nie, aber spürbar einschränken."
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