Fußballsicherheitsgipfel: Fans blieben außen vor

Lars Haider im Gespräch mit Nana Brink · 18.07.2012
Bei dem Gipfel zur Sicherheit in Fußballstadien hätte man die Fans mit einbinden müssen, findet Lars Haider, Chefredakteur beim "Hamburger Abendblatt". Der gestern verabschiedete Verhaltenskodex bestätige nur, "was seit Jahren gilt". Wichtiger sei, wie die Vereine die Verbote durchsetzen wollen.
Nana Brink: Großes Getöse herrschte im Vorfeld des dritten Sicherheitsgipfels des deutschen Fußballs, aber zu weit gehenden Schritten hat man sich dann doch nicht einigen können. Was ist herausgekommen? Schärfere Stadionverbote, Ächtung der Pyrotechnik und ein Verhaltenskodex, von dem noch keiner so richtig weiß, wie er aussehen soll, weder die Fans, die nicht dabei waren, noch die Vereine. Die groß angekündigte Konferenz dauerte noch nicht einmal so lange wie ein Fußballspiel, keine 90 Minuten. Und all das beschäftigt natürlich auch das "Hamburger Abendblatt", und dessen Chefredakteur Lars Haider ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Haider!

Lars Haider: Guten Morgen!

Brink: Was schreiben Sie denn dazu?

Haider: Na ja, wir schreiben das, was Sie eben schon so schön zusammengefasst haben: Es ist schon erstaunlich, wie schnell diese Entscheidung gefällt worden ist, dass man gerade im Fußball, wo man sonst ja immer sehr viel Wert darauf legt, die Fans einzubinden, wo man die Fans fördert, wo die Fans auch von Vereinsgeldern gefördert werden, dass die Fans diesmal außen vor waren und dass man dann nach 90 Minuten eigentlich relativ harte Entscheidungen getroffen hat, die so aussehen, als hätte man sich eigentlich vorher schon darauf geeinigt.

Brink: Und wenn man jetzt unterm Strich guckt, haben die da etwas ausgekungelt? Na ja, das ist ein bisschen tendenziös, will ich nicht unbedingt sagen. Aber die Fans, haben Sie ja schon erwähnt, die waren nicht mit dabei. Ist das auch Thema bei Ihnen?

Haider: Ja natürlich ist das ein Thema, weil die Fans haben ja parallel dazu so einen kleinen Sicherheitsgipfel gemacht, und ich glaube, am besten ist es immer, wenn man so was zusammen mit den Fans macht, weil die Fans haben ja neben dieser Hooligan-Kultur, die etwa so fünf Prozent ausmacht, glaube ich, der Fans in den Stadion, eine sehr, sehr gute Kultur, sind sehr, sehr gut organisiert und haben immer Leute, die auch auf so gewaltbereite Fans eingehen können. Also macht es immer Sinn, sich da mit den Fans zumindest zu besprechen im Vorfeld, und nur, wenn es wirklich nicht mehr geht, dann solche Entscheidungen zu treffen.

Brink: Nun lese ich überall von dem Verhaltenskodex, aber so richtig schlau bin ich noch nicht daraus geworden. Was soll denn da drinstehen, wie soll der aussehen?

Haider: Der Verhaltenskodex heißt im Wesentlichen, man bringt keine Pyrotechnik oder irgendwelche anderen Gegenstände mit, die die Sicherheit gefährden können, in Stadien und man verübt keine Gewalt. Das ist jetzt aber auch nichts Überraschendes. Damit ist das bestätigt worden, was seit Jahren gilt.

Und die Frage ist ja ehrlich gesagt: Wie setzen die Vereine das durch? Wie kann man es schaffen, dass eben keiner Pyrotechnik mitbringt? Und ich glaube, das wird sich auch durch diesen Verhaltenskodex nicht ändern, weil das Hauptproblem war ja bisher, dass zum Teil sogar Vereinsmitarbeiter oder Sicherheitsmitarbeiter diese Pyrotechnik mit ins Stadion gebracht haben, die eben nicht kontrolliert wurden, und die dann die Fans damit versorgt haben.

Brink: Haben Sie schon Reaktionen bekommen, auch von Klubs oder von Lesern oder von Fans?

Haider: Nein. Ehrlich gesagt, das ist jetzt auch nicht so ein Riesenthema, gerade in Hamburg nicht. In Hamburg machen sich die Leute viel mehr Sorgen, dass sich HSV-Profis im Trainingslager prügeln, tatsächlich ja passiert vor kurzem, und dass der HSV jetzt für die kommende Saison ausgegeben hat, man wolle mindestens 45 Punkte kriegen. Das hieße dann, dass man wieder gegen den Abstieg spiele, und das ist das, was die Hamburger viel mehr beschäftigt als Sicherheitsprobleme, die auch in Hamburg zumindest beim HSV – beim FC St. Pauli ist das was anderes, da ist es relativ relevant, interessanterweise bei einem Klub, wo man denkt, Mensch, die Fankultur könnte nirgendwo besser sein -, aber beim HSV gibt es wirklich andere Themen.

Brink: Ein ganz anderes Thema – und das ist eigentlich ein seriöses, wobei Sie es wirklich, muss ich sagen, unglaublich witzig aufmachen -, das ist der Länderfinanzausgleich. Die Bayern haben ja angekündigt, dagegen zu klagen. Und Sie haben es geschafft, Bayerns Finanzminister als Punk ins Blatt zu heben. Wie ist Ihnen das gelungen? Das Foto sieht richtig klasse aus. Er hat so ein T-Shirt an und sagt, "haste mal 'nen Euro".

Haider: Genau, mit einem großen Irokesenschnitt. Ich weiß auch gar nicht, ehrlich gesagt, woher das kommt. Wahrscheinlich kommt das irgendwo aus der Faschingszeit und hat wahrscheinlich echt mit dem Euro zu tun und nicht so sehr mit dem Länderfinanzausgleich. Ich staunte selber, als ich Herrn Söder so sah, weil ich ihn erst nicht erkannt habe und dachte, was macht die Politik da? Aber es illustriert das ganze natürlich ganz gut. Aber wenn man das ernst betrachtet, nicht nur, weil Hamburg ein Geberland ist, würde ich sagen, dass man die Bayern ein bisschen verstehen kann. Die sind jetzt seit 20 Jahren dabei, sozusagen für die Hälfte des Landes zu bezahlen und die Hälfte des Länderfinanzausgleichs zu bezahlen. Das wäre ungefähr so, als wenn wir jetzt Griechenland, Spanien, Italien die nächsten 20 Jahre unterstützen müssen. Und dass man dann irgendwann mal sagt, wir haben das Gefühl, es tut sich in den anderen Ländern nichts, lasst uns noch mal darüber reden, kann ich fast verstehen.

Brink: Also bricht dann plötzlich Hamburg eine Lanze für Bayern? Gibt es da eine ganz große Nord-Süd-Koalition?

Haider: Na ja, Hamburg jetzt nicht, das ist jetzt sozusagen meine persönliche Meinung, und Hamburg hält sich da ja zurück. Hamburg ist ja auch immer so an der Grenze, mal Geber-, mal Nehmerland, aber Hamburg gibt ja nicht viel Geld. Für seine Verhältnisse geht es, aber es gibt nicht viel, und ich glaube, Hamburg scheut sich auch im Moment, diese Solidarität zu brechen. Aber aus Sicht der Bayern: Wenn Sie das Gefühl haben, das ist so ähnlich, wenn Sie ein Kind haben, einen Sohn haben, und Sie fangen mit 20 an, dem das Studium zu finanzieren, und mit 40 ist er immer noch nicht fertig, dann überlegen Sie ganz kurz mal, ob Sie dann auch die nächsten zehn Jahre das Studium noch finanzieren, oder ob Sie einmal mit dem Kind ernsthaft sprechen und sagen: Junge, Du bist jetzt 40, willst Du nicht mal vielleicht einen anderen Beruf ergreifen.

Brink: Lars Haider, Chefredakteur des "Hamburger Abendblatts" – schönen Dank für das Gespräch.

Haider: Vielen Dank!

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