Fussballmythos

"Ein Verein, der von Fans lebt"

Zahlreiche Fans nehmen am 10. Weihnachtssingen des 1. FC Union Berlin am 23.12.2012 im Stadion Alte Försterei in Berlin teil.
Weihnachtssingen des 1. FC Union Berlin im Stadion Alte Försterei in Berlin. © picture alliance / dpa / Foto: Jörg Carstensen
Moderation: Jörg Degenhardt · 02.04.2014
Union Berlin galt zu DDR-Zeiten als ein Widerstandsklub. Damals wie heute wird der Zweitligist von seinen Fans getragen. Für den Film "Union fürs Leben“ hat Regisseur Frank Marten Pfeiffer einige von ihnen begleitet, darunter ein ehemaliger Offizier, ein Schauspieler und ein Politiker.
Jörg Degenhardt: Fan von Bayern München zu sein, das ist keine Kunst, sagen böse Zungen. Der alte und neue deutsche Meister eilt ja praktisch von Sieg zu Sieg. Der Verein, um den es jetzt geht, der hat andere Einmaligkeiten zu bieten: Ein Stadion zum Beispiel, von den Fans gebaut, ein Adventssingen vor vollem Haus, eine bewegte Vergangenheit sowieso und minimale Chancen für den Aufstieg in die Erste Liga, die gibt es auch noch. Vom Ersten FC Union Berlin ist jetzt die Rede und von einem Dokumentarfilm über diesen Verein, der morgen in die Kinos kommt. "Union fürs Leben“ heißt er, ein Film über vier oder fünf Fans, den Frank Marten Pfeiffer gemacht hat. Er ist der Regisseur und er ist jetzt bei uns im Studio. Guten Morgen, Herr Pfeiffer.
Frank Marten Pfeiffer: Guten Morgen.
Degenhardt: Ich muss Sie das natürlich zu allererst fragen: Wann haben Sie zum ersten Mal von den Eisernen, wie sie ja auch genannt werden, gehört und wann waren Sie zum ersten Mal im Stadion an der alten Försterei in Berlin-Köpenick?
Pfeiffer: Dazu muss ich sagen, ich hatte davor mit meinem Kollegen, mit dem ich jetzt auch diesen Film wieder gemacht habe, einen Film über Hoffenheim gemacht, über den Aufstieg von Hoffenheim, über die Geschäfte im Fußball letztendlich, und während dieser Arbeit an diesem Film habe ich davon gelesen, wie Fans dieses Stadion bauen, und in diesem Zusammenhang wurde auch viel berichtet über den Mythos von Union, dieser Widerstandsklub zu DDR-Zeiten, und dabei ist die Idee entstanden, dass dieser Verein sehr interessant sein könnte.
Degenhardt: Union ist ja praktisch das Gegenstück zu Hoffenheim. Gegensätzlicher geht es ja kaum.
"Ein Verein, der viel Tradition hat"
Pfeiffer: Ja. Das war vielleicht für uns auch ein Anliegen oder auch der Reiz daran, noch mal einen Film mit dem Rahmenthema Fußball zu machen, weil es wirklich ein komplett verschiedener Verein ist. Ein Verein, der viel Tradition hat, der von Fans lebt, der eine ganz andere Geschichte hat und eine ganz andere Entwicklung hat. Noch mal zu Ihrer Frage: Das erste Mal an der alten Försterei, das war der Aufstieg in die Zweite Liga. Wobei das war eigentlich ein Auswärtsspiel im Sportpark, weil in diesem Zeitraum das Stadion gebaut oder umgebaut wurde. Das war der erste Kontakt eigentlich zu Union.
Degenhardt: Wer geht denn nun zu Union? Oder anders gefragt: Was unterscheidet denn die Fans von den Menschen, die etwa, um in der Hauptstadt zu bleiben, zu Hertha BSC gehen, also der Berliner Verein, der eine Klasse höher und in Berlin-Charlottenburg spielt?
Pfeiffer: In unserem Film wollten wir speziell Menschen oder Leute zeigen, die eigentlich in Ostberlin groß geworden sind oder in Ostberlin wohnen, und somit haben wir unseren Fokus auch darauf gelegt. Natürlich gehen bestimmt auch viele Fans aus dem Westteil der Stadt zu Union Berlin. Aber ich weiß nicht, ob man pauschal sagen kann, es gibt den oder den Typen.
Degenhardt: Sie haben sich jedenfalls für vier entschieden?
Pfeiffer: Genau.
Degenhardt: Für einen Schauspieler, für einen Politiker, für einen ehemaligen Grenzoffizier, und der vierte fehlt mir jetzt.
Pfeiffer: Das ist noch der Spieler von FC Union, Christopher Quiring. Und unter anderem kommt natürlich noch Alex vor. Es ist letztendlich der Schützling des Sozialarbeiters.
Degenhardt: Warum haben Sie sich gerade für diese vier entschieden? Ich finde ja auch diesen Grenzoffizier hoch interessant, weil der ist erst nach der Wende zu diesem Verein gekommen, weil er sich selbst vorher als uncool empfunden hat, wenn ich das richtig gesehen habe.
"Für uns war es wichtig, nicht nur Fußball zu zeigen"
Pfeiffer: Ja. Wir wollten auch etwas das Stadion abbilden, wer geht zu Union, und wenn man das Stadion von außen betrachtet, dann hat man jemanden, der von der Gegengeraden kommt, die Fans, die in den 70er-Jahren dazugekommen sind, jemand jüngeres von der Waldseite, ein Spieler, der direkt als Akteur auf dem Rasen ist, und jemand mehr aus dem Promi- oder VIP-Bereich, Herr Czaja als Politiker, und für uns war es wichtig, nicht nur Fußball zu zeigen, sondern das, was darüber hinausgeht, was die Menschen bewegt, was eigentlich der Alltag, das Lebensgefühl in Ostberlin ist. Der Frage sind wir nachgegangen und dabei sind wir auf verschiedene Menschen gestoßen, die interessante Leben, interessante Biografien hatten, unter anderem der Sozialarbeiter.
Degenhardt: Wenn Sie jetzt so von Ostberlin sprechen, dann kann man daraus ja schon schlussfolgern, dass Sie aus den gebrauchten, aus den alten Bundesländern kommen. Vieles war für Sie dann praktisch neu, was Sie da entdeckt haben. Hat für Sie das auch den Reiz dieses Vereins ausgemacht, weil viele in den neuen Bundesländern, die wissen natürlich mit Union etwas anzufangen?
Pfeiffer: Als Filmemacher hatte ich schon immer mal den Wunsch oder das Interesse daran, einen Film zu machen, der sich mit der DDR beziehungsweise mit dem beschäftigt, was sich verändert hat in den letzten 25 Jahren, und dadurch war es natürlich besonders reizvoll, auch diesen Verein zu nehmen, der diese besondere Geschichte hat, dieser Ruf, auch ein Widerstandsklub zu DDR-Zeiten gewesen zu sein, und wie er mit dem Image heute umgeht und welche Leute da heute hingehen und auch immer noch dieses Underdog-Feeling zu haben. Das war auf jeden Fall ein großes Interesse, genau diesen Verein zu nehmen.
Degenhardt: Kann man dieses Underdog-Feeling, wie Sie sagen, heute noch haben im harten Profigeschäft? Union muss natürlich auch wirtschaftlich genau überlegen, was man sich leisten kann. Man spielt in der Zweiten Liga, das ist ja jetzt auch nicht der Amateurbereich.
"Kämpft, auch wenn es aussichtslos erscheint"
Pfeiffer: Das ist natürlich klar: Im Profifußball ist es so, dass investiert werden muss. Man braucht Sponsoren, muss Spieler kaufen, die wollen auch bezahlt werden, und das ist leider eine allgemeine Entwicklung, die wahrscheinlich nicht so toll ist, wie teuer die werden. Aber wenn man die Fanseite betrachtet und auch den Verein selbst, dass man doch immer kämpfen muss oder auch kämpft, auch wenn es aussichtslos erscheint, das macht immer noch Union aus und das lieben auch die Fans und deswegen gehen viele hin.
Degenhardt: Und wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Pfeiffer, dann ist dieser Film ja kein Fußballfilm an sich, sondern ein Film über das Leben der Fans, und vier, insgesamt fünf stellen Sie in diesem Film vor. Er kommt morgen in die Kinos, "Union fürs Leben“ heißt er. Vielen Dank dafür, dass Sie hier im Studio waren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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