Fussballfans in der DDR

Auswärtsspiele in weiter Ferne

Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Franz Beckenbauer, beim Einzug in des Volksparkstadion in Hamburg am 22.06.1974. Die bundesdeutsche Elf verlor in der Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft das Spiel gegen die DDR überraschend mit 0:1 Toren. Torschütze war Jürgen Sparwasser. Ganz rechts der Schiedsrichter Ramon Bareto Ruiz (Uruguay).
Deutschland gegen Deutschland: Die geteilten Staaten trafen bei der Fußball-WM 1974 aufeinander. © picture-alliance/dpa / Heinrich Sanden
Von Christoph Richter · 08.11.2015
Wer Fan eines Fußballclubs in der DDR war, hatte es nicht leicht. Auswärtsspiele im Westen, aber auch in den Ostblockstaaten waren tabu. In der Gedenkstätte Marienborn am ehemaligen Grenzübergang wird nun mit einer Ausstellung an die DDR-Fankultur erinnert.
"Ich hab die Genehmigung nicht erhalten. Ich hab dann zusammen mit meinen Freunden im Garten gesessen und wir haben es dann im Fernsehen angeguckt."
Ähnlich erging es Frank Willmann, Publizist und Rechercheur der Ausstellung. Zu gerne wäre er als 17-Jähriger mit seinem Verein, dem FC Carl Zeiss Jena, 1981 zum Europacup-Finale nach Düsseldorf gefahren. Das blieb ihm aber verwehrt.
"Das hat auch einen sehr großen Knacks in meiner Psyche erzeugt. Sodass ich noch mehr über dieses Regime nachgedacht habe. Letztendlich hat es mich noch mehr angespornt, meinen Kopf zum Denken zu benutzen. Aber es war natürlich bitter."
Die Bundesliga hatte in Ostdeutschland eine ungemeine Strahlkraft und galt nach Ansicht von Kulturwissenschaftler Thomas Schneider, dem Kurator der Ausstellung "Tor für Europa", gar als Sehnsuchtsort.
"Es heißt – auch wenn sich das schwer belegen lässt – dass jeder Fußballfan in der DDR auch einen Lieblingsverein im Westen hatte. Und dann entstanden über die Begegnungen, zu denen es dann doch gekommen ist, auch Freundschaften."
Viele hatten einen Lieblingsverein im Westen
Besonders attraktiv war die westdeutsche Nationalmannschaft, gerade in den 1970er-Jahren. Und wenn die DFB-Elf dann im Ostblock spielte, fuhren ihr viele Fußballbegeisterte aus der DDR nach. Das brachte natürlich die Stasi auf den Plan, insbesondere als im Oktober 1971 die DFB-Elf mit Stars wie Netzer, Breitner und Grabowski in Warschau das Qualifikationsspiel für die EM 1972 gegen Polen austragen musste. Berühmt wurde das Spiel nicht etwa durch die zwei Tore durch den heute 70-jährigen Gerd Müller, sondern durch das riesige Plakat eines Sachsen, auf dem stand: Leipzig grüßt Kaiser Franz. Allein 6.000 Fans kamen zu dem Spiel aus der DDR.
"Und als die zumeist jungen Leute dann nach Hause kamen, wartete die Stasi schon und nahm sie in Empfang und dann hatten die jungen Leute Repressalien zu fürchten. Mitunter damit, das sie ihr Studium nicht zu Ende machen durften."
Die Ausstellung zeigt aber auch den ungemeinen Erfindungsreichtum der Fußball-Anhänger. Weil sie natürlich nicht an Fan-Utensilien herankamen, hatten sie sich mit Schere, Nadel und Zwirn Schals und Wimpel einfach selbst gebastelt, die in der Schau zu sehen sind.
Was die Ausstellung interessant macht, ist, dass viele Ausschnitte aus der Stasi-Unterlagenbehörde gezeigt werden, die belegen, wie genau die Staatssicherheit die DDR-Fans im Blick hatte. Allein zwischen 1979 und 1981 zählte sie akribisch genau 5.000 Fans, die ihren West-Vereinen im Ostblock nachreisten.
"Das erste und wichtigste Anliegen der Leute war immer, nur zum Fußball zu gehen ..."
... ergänzt Frank Willmann, der mit dem Buch "Stadionpartisanen" quasi ein Standardwerk zur DDR-Fußballszene geschrieben hat.
"Es war sogar so, die Fußballfans, die wir gefragt haben, wärt ihr denn zurückgekommen - da kam immer die Antwort: Na klar. Selbstverständlich. Wir haben doch hier unsere Lehre gehabt, unsere Freundin, unsere Eltern."
Zu sehen ist die Ausstellung "Tor für Europa. Fußball-Fans in der DDR und internationale Begegnungen" in der Gedenkstätte Marienborn, dem einst größten Grenzübergang zwischen der DDR und der Bundesrepublik, den allerdings nur Menschen aus dem Westen kannten und für DDR-Bürger verbotenes Terrain war. Heute ein Ort der Begegnung. Kurator Thomas Schneider will gerade jungen Menschen anhand des Fußballs ein Stück ostdeutsche Realität präsentieren, das aus heutiger Perspektive fast absurd klingt.
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