Fußball

Die Bravourstücke der Ballheroen

Der brasilianische Fußballspieler Edson Arantes do Nascimento, genannt Pele in Sao Paulo, Brasilien am 24 April 2014.
Edson Arantes do Nascimento, bekannt als Pele, ist einer der Fußball-Helden © picture alliance / dpa / Sebastiao Moreira
Von Rainer Moritz · 23.06.2014
Die Kommerzialisierung des Fußballs und die Machenschaften der FIFA thematisiert Eduardo Galeano in seinem Buch zwar auch, sein Ziel aber ist die "Ehrung des Fußballs" und die "Feier seines Lichtes".
Auch wenn die Hoffnung der Verleger, dass die große Zahl von Fußballfans auf eine große Zahl von Fußballbuchkäufern schließen lasse, in den letzten Jahren gedämpft wurde, bietet eine Weltmeisterschaft allemal Grund genug, sich dem Rasengeschehen literarisch oder journalistisch zu nähern. Der 1940 in Montevideo geborene Eduardo Galeano tat das bereits Mitte der 1990er-Jahre, als er seine Sammlung "Der Ball ist rund" präsentierte, die nun in erweiterter Form neu aufgelegt wurde.
Geleitet von einem kräftigen Kulturpessimismus, der sich gegen die "Technokraten des Profisports" und deren Absichten, die Fantasie einzudämmen und den "Mut zum Risiko" zu verbieten, breitet Galeano ein Mosaikbild der Fußballgeschichte aus und beschwört in seinen oft nur ein- bis zweiseitigen Miniaturen die Großen dieses Sports herauf. Orientierungspunkte sind die Fußballweltmeisterschaften - wobei die für die Neuauflage geschriebenen Ergänzungen zu den schwächeren Texten zählen, die es erlauben, an unvergessene Torschützen und unverwechselbare Charaktere zu erinnern. Ein Schwerpunkt liegt - verständlicherweise - auf den glanzvollen Epochen des lateinamerikanischen Fußballs, als Uruguay den Weltmeistertitel errang, Brasiliens Stern aufging und in den Stadien noch "Poesie" waltete.
Kennt keinen rechten Winkel
Obwohl Galeano das sich nicht um den Ball drehende Weltgeschehen einblendet und die hässlichen Seiten der Kommerzialisierung und die Machenschaften der Fifa-Regenten nicht übergeht, geht es ihm zuerst darum, die Bravourstücke der Ballheroen nachzuerzählen. Figuren wie di Stefano, Jaschin, Garrincha, Beckenbauer, Charlton oder Seeler, den er sich "ohne ein Glas schäumendes Bier in der Hand" kaum vorstellen mag, dürfen da nicht fehlen.
Den größten Reiz jedoch besitzen jene Passagen, die zumindest in Europa fast vergessene Helden des frühen 20. Jahrhunderts auf die Bühne bitten. Wie Artur Friedenreich, der mehr Tore als Pelé schoss und den wahren brasilianischen Fußball ins Leben rief, der "keinen rechten Winkel" kennt, "genauso wenig wie die Hügel um Rio de Janeiro und die Bauerwerke von Oscar Niemeyer".
Torhüter in Ohnmacht
Oder den Uruguayer José Manuel Moreno, der vor dem Spiel eine Schüssel Hühnersuppe und eine Flasche Rotwein zu sich nahm. Oder dessen Landsmann Pedro Petrone, der so hart schoss, dass Torhüter in Ohnmacht fielen und Tornetze rissen. Oder Amadeo Carrizo, der die Bälle fing, "als habe er einen Magneten in seinen Händen", und sich als einer der Ersten als mitspielender Keeper verstand.
Galeanos Geschichten - denen eine sorgfältigere Schlussredaktion nicht geschadet hätte - erzählen von großen Momenten, von den Epiphanien gelungener Aktionen, und sie sparen nicht jene Kehrseiten aus, wenn den Stars Fehler unterlaufen und sie binnen kürzester Zeit Hohn und Spott des Publikums auf sich ziehen. Wie Brasiliens Moacyr Barbosa, dem ein einziger Patzer bei der WM 1950 nie verziehen wurde. Eine "Ehrung des Fußballs, Feier seines Lichtes, Kritik seiner Schatten", das alles wollte Eduardo Galeano in seinem Buch bieten - es ist ihm geglückt.

Eduardo Galeano: Der Ball ist rund
Aktualisierte Neuausgabe mit allen Weltmeisterschaften bis 2010.
Aus dem Spanischen von Lutz Kliche
Unionsverlag, Zürich 2014
301 Seiten, 14,95 Euro

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