Fussball-Bundesliga

Werksmannschaften gegen Traditionsteams

Die Spieler des FC Ingolstadt stürmen nach dem Abpfiff der Partie gegen RB Leipzig jubelnd über den Platz und feiern den vorzeitig gesicherten Bundesliga-Aufstieg. Die Spieler tragen schwarz-rote-Trikots. In erster Reihe jubelt auch Trainer Ralph Hasenhüttl
Das nächste Werksteam? Spieler des FC Ingolstadt bejubeln den Bundesliga-Aufstieg. Ohne Sponsor Audi wäre das wohl nicht möglich gewesen. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Von Stefan Osterhaus · 24.05.2015
Niemals zuvor gab es einen so dramatischen Abstiegskampf. Ein Drittel aller Bundesligisten musste bis zuletzt zittern. Aber nicht nur dies ist ein Anzeichen dafür, dass sich im Bundesliga-Fußball klammheimlich eine Zäsur vollzieht.
Noch nie war so offensichtlich war, wie sehr der Fußball von Besitzverhältnissen und nicht allein vom Know-how seiner Protagonisten bestimmt wird. Schauen wir mal auf die Tabelle. Da stehen unter den ersten vier Mannschaften gleich drei, die in großem Stile von Konzernen, zumeist Blue Chips aus dem Dax, alimentiert werden. Leverkusen, sicher, und natürlich Wolfsburg. Und, auf den ersten Blick gar nicht so klar: Der FC Bayern, der 25 Prozent seiner Anteile an Adidas, Audi und die Allianz verkauft hat.
Wer jetzt einwendet, dass dies noch gar nicht ausreicht, um von einer Zäsur zu reden, der sollte sich den Aufsteiger Ingolstadt mal genauer anschauen. Da steigt ein weiterer Quasi-Werksklub auf. Ohne Audi wäre der rasante Aufschwung des erst 2004 aus einer Fusion entstandenen Projekts gar nicht möglich gewesen. Und dann dürfte in nächster Zeit ja auch noch Leipzig anklopfen, ein Klub, nein, pardon, ein Projekt, gelenkt von einem Getränkehersteller, dessen kurze Geschichte eher an die Ansiedlung eines Unternehmens an einen Wirtschaftsstandort mit günstigen Bedingungen erinnert denn an den Aufschwung eines Fußballklubs.
Begriffe wie "Standortanalyse" dürften in Leipzig keineswegs unbekannt sein. Gegen Leipzig wirkt Ingolstadt ja beinahe wie ein Traditionsklub. Wer nun noch einmal eine Blick auf die Tabelle wirft, um sich zu noch einmal zu vergewissern, wie heftig es zuging, der erkennt: Es ist vielleicht kein Zufall, dass in diesem Jahr sechs Mannschaften bis zum letzten Spieltag alles geben mussten. Und dass im Gegenzug das Mittelfeld so schmal wie noch nie war.
Aber noch gibt es sie, die Klubs, wo mit überschaubarem Etat, aber überragendem Know-how richtig gute Ergebnisse erzielt werden. In Mainz zum Beispiel. Und in Augsburg. Vor allem aber in Mönchengladbach. Überall dort sitzen gute Trainer und ebenso gute Manager, die wissen, wie man Geld effektiv einsetzt.
Aber wird dies dauerhaft genügen, um sich gegen den zunehmenden Konzerneinfluss zu behaupten? Es ist zu bezweifeln.
Neulich sah ich in Mönchengladbach eine Fan, der einen Aufnäher auf der Kutte trug: „Tradition ist das, was man nicht kaufen kann." Das ist ebenso wahr wie es auf den ersten Blick tröstlich klingen mag. Doch wer den Umkehrschluss zieht, der kommt zu dem Ergebnis, dass man sich für Tradition in der Bundesliga auch nichts kaufen kann. Klarer als heute war dies nie.

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(Deutschlandradio Kultur, Nachspiel, 24.05.2015)

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