Für Sauberkeit und Gesundheit

Von Irene Meichsner · 06.05.2011
"Gesundheit ist das höchste Gut": So lautete die zentrale Botschaft der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, mit der Menschen in großem Stil darüber aufgeklärt werden sollten, was sie zur eigenen Gesunderhaltung beitragen können. 13 Nationen waren mit eigenen "Länderpavillons" vertreten.
Tanzsalon und Sektpavillon, Marokkanisches Café und Marionettentheater: Die erste "Internationale Hygiene-Ausstellung", die am 6. Mai 1911 in Dresden ihre Tore öffnete, war ein großes Fest – ähnlich wie die Weltausstellungen in London, Chicago oder Paris. Auf insgesamt 320.000 Quadratmetern zog sich die Veranstaltung durch die ganze Innenstadt, mit vielen Sälen und überdachten Pavillons. Schlange standen die Menschen vor allem vor der sogenannten "populären Abteilung". Wachsmodelle erklärten die Anatomie des Menschen und zeigten einzelne, auch kranke Organe. Unter dem Mikroskop konnten die Besucher zum ersten Mal lebende Bakterien sehen. Auf Schautafeln gab es Ratschläge zur gesunden Ernährung und richtigen Körperhygiene.

"Genießt die Freuden des Wanderns in der schönen Natur. Stählt Körper und Geist durch Sport und Spiel, damit Ihr die Kraft zur Keuschheit gewinnt",

wurde zur Vorbeugung von Geschlechtskrankheiten empfohlen.

"Kein Reichtum gleicht Dir, O Gesundheit",

war in den Sockel einer riesigen Herkules-Statue gemeißelt. Die Idee zu der Ausstellung stammte von dem Dresdner Unternehmer Karl August Lingner.

"Odol pflegt Zähne und Mund und erfrischt den ganzen Menschen. Odol am Morgen und am Abend."

Lingner hatte seit den 1890er-Jahren mit "Odol", dem ersten antiseptischen Mundwasser, ein Vermögen verdient. Er nutzte die Angst vor den eben erst entdeckten Bakterien für Werbezwecke – und schrieb sich danach die Förderung der Volksgesundheit auf die Fahnen. Lingner war überzeugt ... ,

" ... dass die Zukunft schließlich dem Volke gehören wird, welches sich körperlich am widerstandsfähigsten und damit am wehrfähigsten erhält."

Viele Menschen starben damals noch an Tuberkulose; die Säuglingssterblichkeit lag bei knapp 20 Prozent – eine Folge der desaströsen Wohn- und Arbeits¬verhältnisse im Zuge der Industrialisierung. Lingner sah vor diesem Hintergrund auch die öffentliche Hand in der Pflicht.

"Hoffen wir, dass ... die Zeit nicht mehr fern sein wird, wo die ganze Bevölkerung die Wohltaten einer systematisch durchgeführten Gesundheitspflege genießt, wo Wohnung, Nahrung und Körperpflege für arm und reich allen gesundheitlichen Anforderungen entspricht."

"Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung" lautete das Thema einer ersten, kleineren Ausstellung, die Lingner 1903 in Dresden organisierte. Seine Pläne zu einer 'Weltausstellung der Hygiene' stießen anfangs auf Widerstände. Doch schließlich gaben die Stadt Dresden, das Land Sachsen und das Deutsche Reich grünes Licht. Namhafte Wissenschaftler erklärten sich zur Mitarbeit bereit. Das Themenspektrum der Hygiene Ausstellung reichte von der Geschichte und Wissenschaft der Hygiene bis zur Gesundheitsfürsorge im Städte- und Wohnungsbau, in der Arbeiterwohlfahrt und im Verkehrswesen.

Nach einem halben Jahr zählten die Veranstalter fünfeinhalb Millionen Besucher – ein sensationeller Erfolg. Der Reingewinn von über einer Million Reichsmark floss in eine Stiftung zur Errichtung eines nationalen Hygiene-Museums, das im Mai 1930 - parallel zur Eröffnung einer zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung – eingeweiht werden konnte. Das Museum erlebte eine wechselvolle Geschichte, wurde nach 1933 als rassehygienische Propagandastätte missbraucht.

"Dieses Deutsche Hygiene-Museum, das war ja ein rechter Wechselbalg, das sich immer angepasst hat an die jeweiligen Zeitläufe",

sagt Klaus Vogel, der Direktor des Deutschen Hygiene-Museums, das heute noch am alten Platz existiert.

"Im Kaiserreich noch formiert, dann mit der großen Zeit in der Weimarer Republik, Umkippen in den Nationalsozialismus, Propagandainstitut, dann wieder in der DDR-Zeit Anknüpfen an die klassische Gesundheitserziehung - das war immer, immer da, und im Gebäude im Grunde auch ablesbar."

Nach der Wende hat sich das Deutsche Hygiene Museum wieder neu erfunden. Es organisiert – heute ohne moralischen Zeigefinger – Sonderausstellungen und konzentriert sich im Übrigen auf die populärwissenschaftliche Dauerausstellung mit dem immer noch aktuellen Thema: "Abenteuer Mensch".