Für eine neue "Kultur der Zusammenarbeit"

07.05.2012
Athanasios Syrianos glaubt, dass Griechenland auch nach der Wahl am Sparkurs festhalten wird. Keine griechische Regierung, egal in welcher Konstellation, werde einen Staatsbankrott riskieren wollen. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, seien allerdings neue Impulse erforderlich.
Marietta Schwarz: Ein bitterer Wahlabend war das für die regierenden Konservativen und Sozialdemokraten in Griechenland. Die beiden Parteien wurden für ihren drastischen Sparkurs abgestraft. Zwar bleibt die konservative Nea Dimokratia stärkste Kraft, allerdings mit erheblichen Stimmeneinbußen. Zusammen mit der sozialistischen PASOK kommt sie wahrscheinlich nicht auf die nötigen Sitze im Parlament, Letztere wurde von der radikalen Linken SYRIZA auf Platz drei verwiesen und die neofaschistische Partei Goldene Morgenröte, ja, die schaffte es ebenfalls ins Parlament. Die Regierungsbildung dürfte also schwierig werden. Athanasios Syrianos ist Brauereiunternehmer in Griechenland und jetzt am Telefon, guten Morgen, Herr Syrianos!

Athanasios Syrianos: Schönen guten Morgen aus Athen!

Schwarz: Glauben Sie, dass dieses Wahlergebnis zu einer schnellen Regierungsbildung innerhalb weniger Tage führen wird, führen kann?

Syrianos: Also, das muss es. Wir haben zwar eine Wahl der Frustration und der Wut, eine Protestwahl, viele denken, sie hätten ja dafür gestimmt, dass das Sparpaket jetzt mal von der Wirkung her reduziert wird. Das glaube ich nicht, dass es überhaupt möglich ist. Viele Griechen sind gegen das Sparpaket, aber unbedingt für den Erhalt des Euro. Was jetzt dieses unbedingt heißt und wie viele Opfer noch erbracht werden müssen, das wird diese Koalitionsregierung, die ja wohl gebildet werden muss, wird ja wohl in rechnerischen, aber auch in politischen Inhalten zustande bringen müssen.

Schwarz: Es war vermutet worden, dass die radikalen Kräfte zulegen bei dieser Wahl. Aber dass die Linke zweitstärkste Partei wird und die Neofaschisten ins Parlament ziehen, das war nicht zu erwarten, oder?

Syrianos: Also, ich hatte das vermutet, dass sie stark werden, die Ränder. Aber dass sie so stark werden, hatte ich nicht gedacht. Ich sehe auch natürlich auch mehr als nur Protest, weil, hier handelt es sich um eine seit Langem fällige, hinfällige Veränderung der politischen Kultur. Kurz vor den Wahlen habe ich oft von meinem Umfeld zu hören bekommen: Die machen es wie immer. Also, ich rede jetzt von den zwei Parteien, die seit 1974, nach dem Fall der Junta, die Nea Dimokratia und die PASOK, in der Führung sich abgewechselt haben. Unter diesen doch sehr stabilen Regierungen, die formiert worden sind von jeweils einer Partei, konnte eine Reihe von Problemen wie Vetternwirtschaft und die Korruption oder die Hinterziehung von Steuern, die Rückständigkeit der öffentlichen Verwaltung, die ja überzogen war, oder das Bildungs- und Gesundheitssystem, konnte nicht vernünftig begegnet werden.

Eine Reihe von demokratischen Verstößen wie der Betrug an dem Sozialstaat oder die anarchistische Gewalt, Unterbrechung von Verkehrsverbindungen waren an der Tagesordnung für Streitigkeiten, oder die Weigerung zur Zahlung von Marktgebühren. Das alles sind Probleme, die dazu geführt haben, dass man dieses bipolare Parteiensystem, was von einer Kultur der Auseinandersetzung mit einem Gegner bestimmt war, dass diese Probleme nicht begegnet worden sind. Also, die Menschen waren ja nicht nur frustriert über den Sparkurs, sondern auch über die gesamte Regierungsunfähigkeit. Das Wahlergebnis also von gestern verlangt eine neue Kultur, eine Kultur der Zusammenarbeit.

Schwarz: Wäre denn diese von Ihnen geforderte Veränderung der politischen Kultur möglich mit zum Beispiel der Linken als Koalitionspartner?

Syrianos: Ja, ich glaube schon. Mit Schwierigkeiten, aber ich glaube, wir werden jetzt auch von einer Realpolitik sprechen müssen. Die Aufteilung der Parteienlandschaft trägt auch Rechnung zu einer Gliederung der modernen Gesellschaft, bedingt durch unterschiedliche Prioritäten in den Werten, beispielsweise die junge Generation findet sich da eher wieder. Die Ökologen, die Liberalen haben keinen Zugang zum Parlament bekommen, weil die die 2,9-Prozent-Hürde nicht bekommen haben aus verschiedenen Lagern. Ungefähr 19 Prozent der Stimmenabgaben haben keinen Parlamentssitz bekommen. Also, die politische Landschaft ist jetzt ein bisschen durcheinandergewirbelt. Und die Sitzverteilung gibt ja nicht die politischen Inhalte Griechenlands wieder.

Schwarz: Herr Syrianos, jetzt müssen wir aber doch noch mal kurz über das Sparen reden, das große Thema Sparen. Die Widerstände gegen das Sparprogramm, das zeigt ja auch diese Wahl, sind immens. Die Frage aber ist doch, wie groß ist der Handlungsspielraum auch für eine neue Regierungskonstellation?

Syrianos: Also, die Regierung, die abgelöst wird, hat eine schwere Bürde hinterlassen, das ist klar. Und ich glaube doch, dass die Schnittmengen an Gemeinsamkeiten für die gewählten Parteien, die müssen schnell gefunden werden. Vorab ist die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des griechischen Staates für alle überlebensnotwendig. Ich glaube, das werden alle, die jetzt im Parlament sitzen, die werden das alle respektieren.

Schwarz: Das heißt aber auch, dass man sich dem Druck der EU weiterhin beugt?

Syrianos: Ja, ja. Dass viel … den Haushalt zu konsolidieren, glaube ich nicht, dass das umstritten ist, keiner will mit geliehenem Geld auf die Ewigkeit weiterleben, oder der Aufbau der Bürokratie, keiner denkt hier irgendwie in diese Richtung anders. Und dass wir vom Aufbau eines modernen Sozialstaates reden und da dort Akzente zu setzen sind, glaube ich, dass die Wahl der Linken das gar nicht so durcheinanderbringt. Also, es geht um die Führungsfähigkeit in einem sehr schwierigen Umfeld, wer wird Gesprächspartner jetzt für die Troika, wer wird die Strukturreformen angehen.

Und wir reden immer vom Sparpaket, aber es geht ja um viel mehr, es geht um Sicherheit für die Außengrenzen, es geht um Sicherheit im Inneren, das hat auch dazu geführt, dass diese Goldene Morgenröte vom rechten Rand jetzt herangewachsen sind, das sind ja die Gewinner der Wahl neben den, ich rede ja von den Eurokommunisten, also, wir reden ja nicht von den Stalinisten, die haben ja sogar an Parteimitgliedern eingebüßt. Die Gefahr, dass die Aufgliederung der politischen Landschaft und einer instabilen Regierung, die ist natürlich da. Ich glaube, dass sie eine Regierungsbildung nicht unmöglich ist, eine Regierungsbildung nicht unmöglich macht. Und keine Partei und keine Regierung Griechenlands wird einen Bankrott verantworten wollen.

Schwarz: Herr Syrianos, ich merke, Sie sind eigentlich recht optimistisch. Jetzt gab es ja noch eine andere Wahl gestern, in Frankreich, der neue französische Staatspräsident Hollande, der will dieses rigide Sparen auch auf europäischer Ebene etwas auflockern, sage ich mal. Ist das aus Ihrer Sicht ein gutes Zeichen, dem Sparen auch noch ein Wachstumsprogramm zur Seite zu stellen?

Syrianos: Ich trete dafür unbedingt ein. Man muss ja hier, für Griechenland gilt was ganz Besonderes: Wenn wir die Einkommen quasi von, die Konsumeinkommen steigern würden, dann würde das ja nur die Außenhandelsdefizite, die wir vorliegen haben, erweitern. Das heißt, in Griechenland ist nicht notwendig, dass wir das Sparen aufgeben und dass wir den Haushalt nicht konsolidieren, sondern dass wir mit einem Investitionsprogramm neue Wirtschaftsimpulse setzen und dort, wo im Moment Hoffnungslosigkeit herrscht, neue Hoffnung bringen. Infrastrukturprojekte, Energie, Tourismus sind Bereiche, in denen Griechenland schon parieren kann. Und ich glaube, dass Sparen allein und die nach unten gerichtete Spirale, die in Gang geworden ist, die muss unterbrochen werden.

Das heißt, die Wirtschaft wird einem Wandlungsprozess unterzogen und wir haben gar nicht damit begonnen. Ich habe auch ein paar Beispiele, die alte Regierung hat beispielsweise ein für uns, für die Brauereien ein ganz wichtiges Thema mittlerweile, was seit 15 Jahren auf der Tagesordnung war, gelöst: Brauereien dürfen mittlerweile auch in Griechenland Softdrinks herstellen und Wasser abfüllen. Das ist natürlich ein Riesenbefreiungsschlag gewesen. 15 Jahre lang habe ich eine Riesenakte zusammengestellt, indem ich mit verschiedenen Generalsekretären und Ministern gesprochen habe, und diese ist mit einem Mal da! Also, die Liberalisierung der Märkte, die wird, glaube ich, nicht aufzuhalten sein und auch neue Impulse setzen, aber es ist im Moment eine riesenfinanzielle Krise da. Banken sind funktionsuntüchtig, sie können ja selbst gute, wichtige Geschäfte für zwei oder drei Monate nicht finanzieren. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, Rohstoffe zu besorgen, um ihren Produktionsprozess aufrechtzuerhalten.

Schwarz: Der Unternehmer Athanasios Syrianos zum gestrigen Wahlausgang in Griechenland. Herr Syriansos, herzlichen Dank für das Gespräch!

Syrianos: Nichts zu danken!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Informationen zum Wahlausgang in Griechenland auf dradio.de:

Dramatische Verluste für große Parteien in Griechenland - Mehrheit im Parlament für den Sparkurs fraglich