Frühwarnsystem gegen Deichbruch

Von Annegret Faber · 13.08.2013
Der Elbe-Deichbruch bei Fischbeck in Sachsen-Anhalt im Juni hätte mit der am Helmholtz Zentrum in Leipzig entwickelten Technik vielleicht verhindert werden können. Die Umweltforscher nutzen so genannte Ad-hoc-Netzwerke, um die Bodenfeuchte an unterschiedlichen Deichstellen zu messen.
"Drahtlos" und "Ad hoc" sind die Schlüsselworte für das Netzwerk.

Elektroingenieur und Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum UFZ in Leipzig, Dr. Jan Bumberger: "'Ad-hoc' bedeutet in dem Fall 'für den Zweck gemacht', 'für die Anwendung bereit gestellt', 'für die jeweilige Fragestellung angepasst' und kann eingebracht werden in ein natürliches System, um dann die dort relevanten Parameter zu messen."

In dem Fall geht es um die Bodenfeuchtigkeit. Wie durchweicht ist ein Deich? Droht er zu brechen? Bisher wurde das von Deichläufern beobachtet. Ein Thema, mit dem sich Prof. Hubertus Milke seit 20 Jahren befasst. Er leitet die Professur "Wasserwirtschaft" an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig.

"Normalerweise bei anstehendem Hochwasser sickert Wasser durch den Deich und tritt in der Regel dann im unteren Bereich als klares Wasser aus. Solange das Wasser im unteren Drittel des Deiches klar bleibt, ist erst mal nicht von einer unmittelbaren Gefährdung auszugehen. Wenn man aber erkennt, dass das austretende Wasser getrübt ist, das heißt, dass dann also Stoffe aus dem Deich ausgetragen werden, das ist ein deutliches Alarmzeichen."

Ab einer bestimmten Gefahrenstufe dürfen auch Deichläufer nicht mehr auf den Deich. Wie stark der gesamte Deichkörper tatsächlich durchweicht ist, können sie dann nur noch erahnen. Spätestens jetzt könnten Ad hoc Netzwerke wichtige Daten liefern. Aber auch schon vorher.

Auf dem Deich, die zwei Wissenschaftler stecken einen Sensor in den Deich

"… dann macht der Paul das, na los."

Die Helmholtz Forscher Jan Bumberger und Paul Remmler stehen dort, wo das Sensornetzwerk zum Einsatz kommen soll - auf einem Deich. Bei Hochwasser können sie direkt von hier Flächendeckend Daten liefern. Die Sensoren können so tief wie gewünscht in den Deich gesteckt werden. Ebenso ist die Menge unbegrenzt.

Ein Sensor alle fünf Meter ist möglich oder im Abstand von einem Meter - je nach Notwendigkeit. Das Messsystem ist sehr flexibel und kann innerhalb weniger Stunden installiert bzw. wieder vom Deich geholt werden. Auf den ersten Blick sieht die Grundausstattung überschaubar aus. Einige Sensoren, grüne, ca. zehn Zentimeter lange Plastikstreifen und kleine graue Metallkästen, die so genannten Knoten. Jan Bumberger steckt die Feuchtesensoren in den harten, mit Wiese bewachsenen Deichboden:

"Man kann - mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln - das vorbohren per Hand oder mit einer kleinen Maschine und dann einbringen."

Jeweils fünf von ihnen sind mittels schwarzer Kabel mit den kleinen grauen Metallkästen verbunden. Die Knoten sind Kleinst-Computer, in denen nur das steckt, was man braucht.

"Also das ist ein Knoten, in dem sich die Platine befindet, mit einem Mikrocontroller, welcher die Aufgaben hat sowohl die Daten der Sensoren zu digitalisieren, gegebenenfalls vor zu verarbeiten, als auch zu versenden."

Jan Bumberger sitzt oben auf dem Deich im Gras, schraubt einen der grauen Metallkisten auf und zeigt was drinnen steckt. Der Kasten ist beinahe leer. Einzig die Kabel der fünf Sensoren führen zu einer kleinen, wenige Zentimeter breiten Platine - dem Mikrocontroller.

"Mit der ständigen Weiterentwicklung im Bereich der Mikrocontroller ist man in der Lage, quasi miniaturisierte Computer auf kleinsten Baugrößen unterzubringen und gezielt für spezifische Applikationen diese Mikrocontroller - das was man hier unten sieht - gezielt zu programmieren, um spezifische Aufgaben zu übernehmen - das ist die Idee."

Auf dem kleinen, grauen Metallkasten ist eine Antenne. Die sendet die Daten an den Router. Jeder neue Sensor wird automatisch eingeloggt und überträgt sofort die aktuellen Messwerte. Mehrere Kilometer weit oder auch nur ein paar hundert Meter. Paul Remmler zeigt über das Feld hinter dem Deich.

"Das hängt davon ab, wenn wir uns im Freifeld befinden, dann können das schon bis zu mehrere Kilometer betragen, aber wenn das ein Gebiet ist mit viel Wald und viel Vegetation, dann entsprechen wir dann von einen Bereich von zehn bis 100 Meter. Das ist schon abhängig von der Umgebung, die Reichweite."

Aktuelle Daten vom Deich
Im Ernstfall könnte man so in der Hochwasserzentrale ständig aktuelle Daten vom Deich bekommen. Das Ad hoc Netzwerk soll den Deichläufer aber nicht ersetzen, sagt Jan Bumberger.

"Sondern ich würde es eher als eine unterstützende Maßnahme sehen, da der Deichläufer ja auch nur in gewissen Zeitabständen bestimmte Punkte wieder antrifft, ist es mit solchen Systemen möglich dauerhaft bestimmte Flächen zu Monitoren."

Hubertus Milke, Professor für Wasserwirtschaft in Leipzig, sieht das ebenso.

"Ach, ich denke mal, welche Konsequenzen, welche Folgen dann neue Forschungen haben, das kann man sicher erst nach einer gewissen Zeit bewerten. Wie stehen die Kosten zu einem Erfolg. Dann ist sicherlich so was denkbar, dass solchen Messsystemen auch die Zukunft gehört."

Momentan ist das System im Forschungsstadium. Fünf Sensoren und ein Knoten kosten noch 500 Euro. Um einen Kilometer Deich zu kontrollieren müsste man weit über 10.000 Euro investieren, je nachdem, wie viele Sensoren gebraucht werden.

Das Ad hoc Sensornetzwerk zur Bodenfeuchtemessung könnte in Zukunft jedoch große Dienste leisten. Es liefert ständig aktuelle Daten und zwar von jedem gewünschten Punkt im Deich. Dadurch könnte man Sicherungsmaßnahmen am Deich schneller und gezielter in die Wege leiten. Und es misst auch dann noch, wenn es für den Deichläufer zu gefährlich wird.
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