Früherer Hole-Gitarrist Eric Erlandson

Vom Grunge zum Buddhismus

Courtney Love mit ihrer Band Hole bei den MTV Movie Awards im Jahr 1999. Der einzige männliche Musiker: Eric Erlandson.
Courtney Love mit ihrer Band Hole bei den MTV Movie Awards im Jahr 1999. Damals noch dabei: Eric Erlandson. © picture alliance / dpa / Ipol Arroyo
Von Marcel Anders · 25.11.2015
In den 90ern war Eric Erlandson Gitarrist der US-Band Hole und somit Sidekick von Courtney Love. Jetzt, 20 Jahre später, ist der 1963 geborene Musiker auch Schriftsteller. Seinen Seelenfrieden hat er im Nichiren-Shoshu-Buddhismus gefunden.
"Ich kann mich mit dem Nichiren-Shoshu-Buddhismus identifizieren, weil er auf dem Gesetz von Ursache und Wirkung basiert. Er ist nicht zu esoterisch, sondern eher ein spirituelles Modell für einfache Leute. Er hilft dir, die Probleme in deinem Leben zu überwinden, indem du bis zu ihren Wurzeln vordringst, statt da einfach ein religiöses Pflaster anzubringen."
Auch wenn er seit 25 Jahren Mitglied der buddhistischen Gemeinde am North Cresent Heights Boulevard in Hollywood ist und Stunden in dem turnhallenartigen Gebäude mit dem prachtvollen, goldenen Altar verbringt: Ein Mönch im herkömmlichen Sinne ist Eric Erlandson nicht. Der große, schlacksige 52-jährige hat immer noch langes strohblondes Haar, trägt Jeans, T-Shirt und Turnschuhe statt Kutte und besitzt auch keinen buddhistischen Namen. Zum einen, weil das in seinem Tempel nicht üblich sei.
Aber auch, weil die Religion für ihn nicht Lebensinhalt, sondern eher ein spiritueller Rettungsanker ist. Etwas zum Festhalten und Ausbalancieren, das ihm in den 90ern dabei half, mit dem Drama und Chaos von zehn Jahren Hole klarzukommen. Mit permanenten Besetzungswechseln in der Band, Drogentoten und seiner Ex-Freundin Courtney Love, die ihn zuerst für Kurt Cobain verließ, dann als Babysitter missbrauchte und 1999 einfach auf einer kanadischen Konzertbühne stehen ließ.
"Ich war komplett ausgebrannt. Ich hatte da Jahre harter Arbeit investiert, doch Ende der 90er ist alles in sich zusammengefallen – weil Courtney unter dieser 'ich kann alles alleine'-Krankheit litt. Dann hat sie auch noch unsere Plattenfirma verklagt, und ich wurde da mitreingezogen, weil mein Name auf sämtlichen Verträgen stand. Ich habe mich letztlich außergerichtlich geeinigt und war froh, das alles hinter mir zu lassen."
Eris Erlandson bereut einiges
In den letzten 16 Jahren hat sich Eric Erlandson ganz auf die Arbeit im Tempel und den Besuch von Seminaren für kreatives Schreiben konzentriert. Die haben ihn ermutigt, "Letters To Kurt" zu veröffentlichen. Ein Band mit 52 Gedichten, die sich um seine Erlebnisse im Musikgeschäft drehen, aber mitunter so stark kodiert sind, dass sie nur Insider verstehen. Also nicht die handelsübliche Skandalbiografie, sondern eher eine intime Aufarbeitung, die zudem von einem Fotoband und einer CD mit improvisierter Musik begleitet wird.
"Anfang der 2000er hat jeder, der mal in einer Rockband war, eine Autobiografie geschrieben. Da wollte ich nicht in dieselbe Kerbe hauen. Doch als ich den Gedichtband veröffentlicht habe, meinten die Leute: 'Wir wollen richtige Geschichten mit jeder Menge schmutziger Wäsche.' Und das finde ich schade, weil es beim Schreiben nicht nur um die Befriedigung des eigenen Egos gehen sollte. Eben: 'Schaut, was ich alles erlebt habe.' Das ist das Problem der meisten Biografien: Die Autoren haben sich nicht weiterentwickelt, sondern trauern nur ihrem Rockstar-Leben nach. Wobei sie nicht zugeben, dass sie jede Menge Mist gebaut haben."
Erlandson bereut dagegen einiges. Wie das Ende der alternativen Musikkultur, die den Mainstream gewaltig auf den Kopf gestellt hat – nur um sich dann in Banalität und Dekadenz zu verlieren. Wobei viele Freunde auf der Strecke blieben. Wie Kristen Pfaff, die Bassistin von Hole, die an einer Überdosis starb. Oder Kurt Cobain, dessen Suizid Erlandson nicht verhindern konnte – und wofür er sich immer noch Vorwürfe macht. Denn inzwischen ist er Mitglied der amerikanischen Gesellschaft zur Prävention von Selbstmord und würde ganz anders reagieren.
"Das Musterbeispiel für einen suizidgefährdeten Menschen"
"Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich eingegriffen. Denn Kurt Cobain war das Musterbeispiel für einen suizidgefährdeten Menschen. Seine Songs waren ein offenkundiges Indiz, genau wie seine Tagebücher, in denen es ungefähr eine Million Mal hieß: "Ich hasse mich und will sterben". Doch alles, was von seinem Manager und Label kam, war: "Er formuliert da nur seine Songtexte aus." Nein! Er hat damit zum Ausdruck gebracht, was er fühlte. Leider war ich damals viel zu beschäftigt damit, Courtney am Laufen zu halten. Heute denke ich: "Vielleicht habe ich mich auf den falschen Menschen konzentriert."
Courtney Love, die Witwe von Kurt Cobain, hat ihn nie losgelassen. 2009 kam es zum Rechtsstreit um den Namen Hole, weil sie die Band im Alleingang fortführte. Und auch eine echte Reunion scheiterte 2013 am Ego der Wasserstoffblondine. Dabei hätte Erlandson das Geld gut gebrauchen können. Die Tantiemen, die er für seine Songs erhält, sind bescheiden. Und seine Seminare, die er ein bis zwei Mal wöchentlich im Tempel abhält, rein ehrenamtlich.
Gleichzeitig ist er aber auch die Antithese zum "Hollywood Way Of Life": Er braucht keine Statussymbole, sondern ist glücklich mit dem, was er hat. Und wenn er nicht gerade an seinem ersten Roman schreibt, macht er experimentelle Musik ohne kommerziellen Anspruch. Ein Ausdruck von tiefer, innerer Zufriedenheit, die er auch anderen zu vermitteln versucht:
"Ich coache und berate. Also wenn jemand etwas in seinem Leben verändern will und offen für Hilfe ist, dann bemühe ich mich, ihm mit Gedankenanstößen und Übungen zu helfen und ihn auch langfristig auf seinem Weg zu betreuen."
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