Friedrich List

Nationalökonom und Pionier des Freihandels

Eine Gedenkmedaille für den Wirtschaftstheoretiker Friedrich List.
List träumte von einem Eisenbahnnetz, das die europäischen Handelszentren von Südspanien bis Russland miteinander verband. © dpa
Von Peter Kolakowski · 06.08.2014
Friedrich List gilt nicht nur als Deutschlands Eisenbahnpionier, sondern auch als Wegbereiter eines freien Warenverkehrs ganz ohne Zollschranken. Doch seine Ideen und Pläne waren so revolutionär, dass er aus Angst vor Verfolgung seine Heimat verlassen musste. Heute vor 225 Jahren wurde der Nationalökonom geboren.
"Wenn der Name Friedrich List genannt wird, bekommen die Deutschen ein schlechtes Gewissen. Sie spüren: Die Tragödie, die mit ihm verbunden ist, war nur so auf deutschem Boden möglich. Sie ist eine ewige Anklage!"
Das schrieb der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss über den wohl bedeutendsten deutschen Nationalökonomen Friedrich List, der wegen seiner geradezu prophetischen ökonomischen Theorien und seines Reformeifers bis zu seinem Tod verfolgt wurde - von Bürokraten, Universitätsgelehrten und Politikern, die um ihre Pfründe, Macht und Reputation fürchteten. Professor Justus Haucap, Direktor des Instituts für Wettbewerbsrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Vorstandsmitglied in der List-Gesellschaft:
"Letztlich war er ja einer der Pioniere für den Freihandel innerhalb von Deutschland, also einen deutschen Binnenmarkt zu schaffen. Das kann man sagen, war auch schon die Idee eines europäischen Binnenmarktes, nur damals noch viel kleiner gedacht als ein deutscher Binnenmarkt."
In allen Bereichen ein Quereinsteiger
Friedrich List wurde am 6. August 1789 als Sohn eines Weißgerbers in Reutlingen geboren. Nach einer Ausbildung in der württembergischen Verwaltung arbeitete er sich rasch bis zum Rechnungsrat im Innenministerium hoch. Bereits als 28-jähriger wurde er an der Universität zu Tübingen zum Professor für Staatspraxis und Staatswissenschaft ernannt und begründete 1817 die älteste wirtschaftswissenschaftliche Fakultät auf deutschem Boden. In seiner Lehre prangerte er nicht nur die Missstände in der Verwaltung an – er forderte zudem den radikalen Abbau der Bürokratie.
"Er war in allen Bereichen ein Quereinsteiger, sowohl seine Professur hat er bekommen, obwohl er keinen akademischen Werdegang hatte, aber weil er sehr stark die Bürokratie kritisiert hat immer wieder und damit den ersten Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft bekommen hat und zum ersten Mal auch Rechtswissenschaft und Ökonomie zusammengebracht hat."
List machte sich vor allem für den Abbau der Zollschranken stark, die den Handel zwischen den damals 39 deutschen Staaten massiv behinderten. Auf der Fahrt von Königsberg nach München beispielsweise fielen 80 verschiedene Zölle an. Einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren, um mit anderen Ländern konkurrieren zu können, war für List die wirtschaftliche Einheit. Mit seinem "Allgemeinen deutschen Handels- und Gewerbeverein", den er in Frankfurt am Main gründete, wollte er dieser Forderung Nachdruck verleihen.
"Zoll und Mautlinien in Deutschland lähmen den Verkehr im Innern und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, nur damit das Blut nicht fließe."
Doch seine direkte, undiplomatische Art und seine spitze Feder als Journalist und Herausgeber politischer Schriften Gescherten ihm nur wenig Freunde. Bald wurde der "Hitzkopf" revolutionärer Bestrebungen verdächtigt, 1819 wurde ihm die Professur entzogen. Einem politischen Prozess konnte er sich nur durch Flucht entziehen.
"Er war ja ein politischer Querkopf und ist dann auch nicht ganz freiwillig in die USA ausgewandert, war dort auch einer der Eisenbahnpioniere, und von den Erfolgen des Eisenbahnausbaus beflügelt, ist er dann nach Deutschland gekommen und hat sich sehr stark gemacht für den Eisenbahnbau und eben den Infrastrukturausbau."
List träumte von einem Eisenbahnnetz, das die europäischen Handelszentren von Südspanien bis Russland miteinander verband. Seine Hoffnung war:
"Dass durch die Eisenbahn der Krieg aus dem Leben der befreundeten und kultivierten Nationen verbannt wird."
Vordenker der sozialen Marktwirtschaft
Das erste Teilstück dieses Netzes sollte die Fernverbindung zwischen Leipzig und Dresden werden, die 1839 eröffnet wurde. Weitere Strecken in ganz Deutschland sollten folgen, doch eine leitende Position im Eisenbahnwesen blieb List versagt.
Seine wirtschaftsliberalen Ideen, die das Fundament für die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 bildeten, seine planerische Weitsicht für den Bau eines Eisenbahnnetzes wie auch sein 1841 erschienenes, wegweisendes Werk "Das nationale System der politischen Ökonomie", das ihn auch zum Vordenker der sozialen Marktwirtschaft machte - all das brachte ihm zu seiner Zeit nur wenig Anerkennung.
Von wirtschaftlichen Sorgen belastet, nahm sich Friedrich List am 30. November 1846 in Kufstein das Leben. Ob zutiefst verletzte Ehre und politische Enttäuschung oder Depressionen und unerträgliche Kopfschmerzen, unter denen er ständig litt, der Grund dafür waren, bleibt wohl für immer ungeklärt.