Friedrich Gerstäcker

Abenteuer in der Neuen Welt

Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker (1816-1872)
Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker (1816-1872) © dpa
Von Anette Schneider · 10.05.2016
Mehrfach reiste er wie ein Getriebener durch Nord- und Südamerika, seine Romane und Reportagen wurden zu Bestsellern: Friedrich Gerstäcker war um 1850 einer der beliebtesten Abenteuerschriftsteller in Deutschland. Vor 200 Jahren kam er in Hamburg zur Welt.
"In White County rissen die Regulatoren eines Tages einen ehrbaren, fleißigen Farmer aus der Mitte seines Familienkreises, banden ihn vor den Augen seiner Frau an einen Baum und peitschten den Unglücklichen auf eine entsetzliche Art, um ihm das Geständnis eines Verbrechens zu erpressen, das er nicht begangen hatte."
1846 erschien Friedrich Gerstäckers erster Roman "Die Regulatoren von Arkansas". Er handelt von Viehräubern, dem Versagen der örtlichen Gerichte und von Lynchjustiz. Mit den "Flusspiraten des Mississippi" gehört er zu Gerstäckers bekanntesten Werken. Das Besondere an ihnen: Der Autor hat das Beschriebene selbst erlebt.
"Ich durchzog die ganzen Vereinigten Staaten quer durch von Kanada bis Texas zu Fuß, arbeitete unterwegs, wo mir das Geld ausging, und blieb endlich in Arkansas, wo ich ganz und allein von der Jagd lebte, bis ich dort halb verwilderte."
So beschreibt er 1870 in der Zeitschrift "Die Gartenlaube" sein abenteuerliches Leben. Mehrfach reiste Gerstäcker durch Nord- und Südamerika. Sein Biograf Thomas Ostwald:
"Gerstäcker ist zeitlebens ein unruhiger Geist gewesen. War er irgendwo, fühlte er sich kurze Zeit wohl, wollte aber weiter, wollte mehr sehen, mehr erleben."
Der Traum von Amerika
Geboren wurde Gerstäcker am 10. Mai 1816 in Hamburg. Seine Mutter war Schauspielerin, sein Vater Opernsänger. Als dieser 1825 an Schwindsucht starb, wuchs Friedrich Gerstäcker bei Verwandten in Braunschweig auf. Dort absolvierte er die Mittlere Reife und träumte wie zigtausend Menschen damals von Amerika, dem Land der Freiheit und Demokratie.
1837 war es so weit: Nach Beendigung einer landwirtschaftlichen Lehre schiffte er sich in Bremerhaven ein. Kaum in New York angekommen, wurde er um sein ganzes Geld gebracht, und so zog der 21-Jährige los.
Thomas Ostwald: "Er ist also manchmal Jagdgefährte von Indianern, er ist Pillenschachtelfabrikant für einen Apotheker, er ist mal Gehilfe bei einem Silberschmied, er ist Schilfrohrschneider, und er arbeitet als Heizer auf einem Mississippi-Dampfer und später auch als Koch."
Sechs Jahre ging das so. Dann kehrte er zurück nach Deutschland:
"Ich war damals 28 Jahre alt, wandte mich Übersetzungen aus dem Englischen zu und verdiente mir dadurch wenigstens meinen Lebensunterhalt. Allerdings kam mir manchmal bei der Übertragung der Erzählungen der Gedanke, dass ich etwas Derartiges auch wohl selber schreiben könne."
Südamerika, Wüste und Goldrausch
Also schrieb er. Erste Artikel und zwei Romane. 1849 brach er wieder auf. Nun nach Südamerika. Wochenlang ritt er durch die Wüste und überquerte auf abenteuerliche Weise im Winter die Kordilleren.
Thomas Ostwald: "Nicht nur die Kordilleren, sondern auch in Nordamerika: durch vereiste Flüsse gewatet oder geschwommen, mit Eisschollen dazwischen. ... Und wenn man dann diese Leistungen sieht, die er da hinter sich gebracht hat, war das eigentlich unglaublich, dass ein Mensch das alles auf sich nimmt, ohne zu wissen, wo er am Abend schläft, wo er ein Dach über dem Kopf herbekommt oder auch nur Essen und Trinken."
Gerstäcker war ein Getriebener. Rastlos reiste er weiter, erreichte San Francisco und erlebte den "Goldrausch".
"Mit den Goldminen ist es Essig, so viel habe ich jetzt ungefähr weg, und wenn auch Einzelne ihr Glück machen, im Allgemeinen muss die Mehrzahl doch nachsehen, wie die Wenigen, die das große Los gezogen haben, mit ihrer Beute abziehen."
Über die Südsee und Australien kehrte er 1852 zurück nach Deutschland. In den folgenden Jahren schrieb er unablässig Artikel, Reiseberichte und Romane. Schnell wurde er einer der beliebtesten populären Schriftsteller seiner Zeit. Auch Auswanderwillige schätzten ihn, denn Gerstäcker idealisierte die "Neue Welt" nicht, sondern erzählte von den Härten des Siedlerlebens, der Armut vieler Ausgewanderter, der Vertreibung der Indianer. Und, so Thomas Ostwald, der in Braunschweig eine Gerstäcker-Gesellschaft leitet:
"Was ihm verhasst war, war der Einsatz der Missionare in der Südsee, die einfach Verbote ausgesprochen haben. Und Gerstäcker war da also, ja − revolutionär. Der hat wirklich gegen die Kirche gewettert und hat gesagt: So geht das nicht! Ihr könnt hier nicht unterdrücken und ihnen allen euer Kreuz aufdrücken!"
Nach seinem Tod schnell vergessen
Noch zwei Mal bereiste Gerstäcker Amerika. Doch sein Stil wurde immer langatmiger und trivialer, und so wurde er nach seinem Tod 1872 schnell vergessen. Einer allerdings schätzte die lebendigen Schilderungen seiner frühen Romane weiterhin sehr: Karl May, der für seine Bücher ganze Passagen bei Gerstäcker abkupferte.
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