Friedenspreis für Daniel Ellsberg

Der Whistleblower als Held

Whistleblower Daniel Ellsberg
Der Whistleblower Daniel Ellsberg bei der Preisverleihung in der Dresdner Semperoper. © picture alliance / dpa / Foto: Arno Burgi
Von Bastian Brandau · 21.02.2016
Er war der meistgesuchte Amerikaner, weil er 1971 die Pentagon-Papiere veröffentlichte und so über die wahren Ziele des Vietnam-Krieges informierte. Seither ist Daniel Ellsberg der bekannteste Whistleblower. In Dresden wurde ihm der Friedenspreis verliehen.
Mit dem 1972 von der US-amerikanischen Band Bloodrock geschriebenen Dank an Daniel Ellsberg stimmte eine Band Preisträger und Gäste der Verleihung in der Dresdner Semperoper ein. Zu sehen gab es Szenen aus dem Film "Most Wanted man in America" über Ellsberg und seine Veröffentlichung der Pentagon-Papiere. Die klärten 1971 erstmal der Öffentlichkeit über die Hintergründe des Kriegs in Vietnam auf. Whistleblower Ellsberg ist inzwischen Teil der Popkultur.
Das zeigte auch die Lesung aus einem Kinderbuch, in dem seine Veröffentlichungen der Pentagon-Papiere beschrieben wird – und das Vorgehen des Staates. Der, so wurde immer wieder erinnert, hätte Daniel Ellsberg am liebsten hinter Gittern gesehen. Und dort würde er möglicherweise noch heute sitzen, wenn es nicht einen Verfahrensfehler gegeben hätte.
Heute hingegen gilt Ellsberg selbst US-amerikanischen Richterinnen als Positivbeispiel, sagt Laudator Jakob Augstein und zitiert aus dem Urteil gegen einen Hacker. Der hatte 700.000 Dollar ergaunert und das Geld gespendet.

"Sie sagte, das waren nicht die Taten eines Martin Luther King, eines Nelson Mandela und selbst nicht die eines Daniel Ellsberg. Da sperrt eine Richterin einen Hacker für zehn Jahre weg und Daniel Ellsberg wird als positives Gegenbeispiel zitiert."

Das Imageproblem des Whistleblower

Der Whistleblower als Held. Das gilt nicht allgemein. Sowohl Augstein als auch Ellsberg sinnierten darüber, dass es im Deutschen kein Wort gebe, dass Whistleblower entspricht.
"Mittlerweile hat man mir gesagt, ja es gäbe ein Wort, das an den Whistleblower herankommt und das ist der Alarmschläger, aber damals hieß es, nein es gibt kein Wort für den Whistleblower. Und da habe ich gefragt, was wäre denn am nächsten dran. Und da hieß es: Verräter. Man hat mir das übersetzt und ich sagte: Mmmm… gibt es vielleicht noch ein anderes Wort? Ja, die Petze…"
Whistleblower würden als Verräter betrachtet und als solche würde sie eben auch von den Behörden behandelt sagte Ellsberg. Ausdrücklich auch mit Blick auf die zahlreichen weniger bekannten unter ihnen. Er sehe es als seine Aufgabe, mit möglichst vielen von ihnen in Kontakt zu kommen.
"Man gewöhnt sich nie daran, als Verräter bezeichnet zu werden. Kürzlich wurde auch ich wieder so genannt. Die Kosten, die ein Whistleblower auf sich nimmt, sind hoch. Man verliert zu vielen Dingen Zugang. Man verliert seine Wichtigkeit, man arbeitet ja in einem hohen Ministerium. Man verliert seinen Job, manchmal kostet es auch die Ehe. Und ich bin sehr glücklich, dass das bei mir nicht der Fall ist."
Ellsberg hat seine Freiheit und seine Heimat behalten können, im Gegensatz zu bekannten Whistleblowern wie Chelsea Manning, Julian Assange und Edward Snowden, auf die Ellsberg immer wieder einging. Den Dresdner Friedenspreis überreichte Bui Truong Binh. Als 19-Jähriger war er aus Vietnam vor dem Krieg geflohen.
"Daniel Ellsberg hat alles riskiert, um das Leben von weiteren vietnamesischen Menschen zu retten. Er hat so viel für unser Volk, die Welt und für alle, die nicht in Frieden wohnen, getan."

Whistleblower können Kriege verhindern

Der 84-jährige Ellsberg, der während der Verleihung immer wieder gut gelaunt mit seinem Smartphone filmte, wies auf die Bedeutung der Semperoper und Dresdens hin. Dresden stehe in einer Reihe mit Guernica, Coventry, Kassel, Darmstadt und Shanghai. Auch heute würden Städte in sinnlosen Kriegen zerstört, Whistleblower könnten dies verhindern.
Wenn ich Ihnen einen Rat geben kann: Warten Sie nicht so lange wie ich. Warten Sie nicht, bis Bomben fallen, bis es zu Kriegen gekommen ist. Die dann keiner mehr aufhalten kann. Tun Sie, was ich wünschte, dass ich es im Jahr 1966 schon getan hätte. Gehen Sie zur Presse, zum 'Spiegel', zur 'Times'. Gehen Sie zum Parlament. Gehen Sie raus und sagen Sie die Wahrheit. Die Kosten mögen hoch sein, aber es geht um viel und es geht um viele Leben."

Edward Snowden gratuliert

Am Ende fehlte nicht die Gratulation eines, den Ellsberg einen Freund nennt: Edward Snowden wurde live zugeschaltet, erschien riesengroß hinter der Bühne auf der Leinwand, vor einem grauen, neutralen Hintergrund.
"Ich habe gesehen, dass Daniel Ellsberg ein Vorbild sein kann. Dafür, wie man seine Wahl trifft, Dokumente zu veröffentlichen, wie man mit der moralischen Komplexität kämpft, mit der ich gekämpft habe. Seine Geschichte hat mir gezeigt, dass es ein Vorbild gab."
Ohne den Whistleblower Ellsberg hätte es keinen Whistleblower Snowden gegeben. Ellsberg habe gezeigt, dass der Vietmankrieg falsch gewesen sei, und das habe auch heute noch eine nicht zu überbietende Bedeutung.
"Den Menschen heute ist klar, dass der Krieg falsch war. Und dass die Kriege seitdem falsch gewesen sind. Und je gründlicher wir die Gründe für alle möglichen Kriege untersuchen, umso deutlicher wird, dass die Gründe dafür immer falsch waren."
Sowohl für das aufgeheizte Umfeld in Dresden und Sachsen als auch für die Kriege dieser Welt ging von der Verleihung des Dresdner Friedenspreises an Daniel Ellsberg eine eindeutige Friedensbotschaft aus.
Mehr zum Thema