Fricke: Brüderle ist Aushängeschild

Otto Fricke im Gespräch mit Christopher Ricke · 02.05.2011
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke, hat dafür plädiert, bei der Neuaufstellung der Liberalen nach den "fähigsten Köpfen" zu suchen. Dazu zähle er auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle.
Christopher Ricke: Heute ist ein wichtiger Tag für die FDP, der designierte Parteichef Philipp Rösler will seine Personalpläne für die neue FDP vorstellen. Das heißt, dass ein ganzer Teil der FDP-Führung beim Parteitag in Rostock Mitte des Monats ausgewechselt werden soll. Das ist kein Gerücht, das ist eine klare Ansage, das unterstützt auch der FDP-Generalsekretär Christian Lindner, und er hat da wohl das Parteipräsidium im Blick. Ich spreche jetzt mit Otto Fricke, er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, er ist haushaltspolitischer Sprecher und gehört der mächtigen FDP Nordrhein-Westfalens an. Guten Morgen, Herr Fricke!

Otto Fricke: Einen wunderschönen Maimorgen!

Christopher Ricke: Wir haben ja noch ein paar Tage bis zu dem Parteitag, es sollen aber wichtige Vorentscheidungen fallen. Sind Sie, der jetzt nicht so ganz direkt in diesem Kreis sitzt, mit eingebunden worden, sprich: Ist das in der Partei ordentlich kommuniziert?

Fricke: Ja, es wird Stück für Stück kommuniziert und man könnte auch wieder mal sagen, in den letzten Wochen und Tagen hat die Deutsche Telekom, oder wer auch immer der jeweilige Anbieter ist, sehr viel Geld an der FDP verdient. Aber das ist, glaube ich, das, wie es übrigens in allen Parteien ist, dass man in Vorbereitungen auf die wichtigen Entscheidungen, die dann die Delegierten treffen und nicht ein einzelner, dass man dann doch versucht zu koordinieren, zu sehen, welcher Landesverband sagt, wen er wo gerne sähe, wie wird die Gesamtkonzeption gesehen. Und das wird gerade vorbereitet, und ich gehe davon aus, dass heute ein weiterer Schritt kommt. So wie ich allerdings Philipp Rösler kenne, wird er nicht einfach jetzt sagen, so ich habe jetzt eine Liste, das ist jetzt so und so, und so wird das gemacht. Das widerspricht seiner Art, sondern wir werden jetzt einen nächsten Schritt in die Richtung machen, wie man den Delegierten ein mögliches Tableau so vorlegt, dass sie sagen, genau das ist der Wechsel, die Veränderung, die wir haben wollen, und die ein Teil des "Wir haben verstanden" ist.

Christopher Ricke: War das früher so, Liste vorlegen, Basta sagen?

Fricke: Na ja nicht ganz so, aber es war schon viel stärker so. Das ist immer eine Frage, wie verstehe ich Führung. Es gibt einen Spruch über Liberale, der heißt, Liberale wollen geführt werden, aber sie wollen es nicht unbedingt immer jeden Tag merken. Und das muss man genau sehen, wie man das hinbekommt. Und wenn Sie die Diskussion, die auch ich erlebe – ich habe beispielsweise heute Abend wieder eine Diskussion mit der Basis –, dann will man da auch sehen, dass das nicht einfach nur so eine Reaktion ist, die sagt, ja, das hat die Führung verstanden, und jetzt wird das so gemacht. Das ist ein bisschen anders jetzt heute vielleicht, als es mal vor Jahren war, und wenn Sie mal, ich sag mal, vor 30, 40 Jahren gucken, da hat sich eben Demokratie in unserem Land gewandelt und natürlich hat es auch bei der FDP da Veränderung gegeben. Und letzter Punkt: Die drei Musketiere sind vom Typ her eben diejenigen, die nicht nur sagen, alle für einen und einer für alle, sondern die auch sagen, klar, wir müssen hier die Partei in dieser nicht einfachen Phase komplett mitnehmen, und nicht einfach von oben.

Christopher Ricke: Regionalproporz ist ein großes Thema. Ihr Parteifreund aus Nordrhein-Westfalen, Daniel Bahr, möchte gerne Vize werden, aber Sie stellen ja schon den Generalsekretär. Das kann man einmal als Kompliment auslegen für die hohe Kompetenz, die in der FDP NRWs vorhanden ist, oder aber es als Problem erklären. Wie groß ist denn das Problem?

Fricke: Na ich sehe das weniger als Problem. Ich halte von dieser Frage Regionalproporz oder von der Frage, dass ich sage, ja, jetzt müsste es aber einer von da und einer von da sein, und nur dann geht das, halte ich relativ wenig. Ich könnte dann mit den Proporzargumenten argumentieren, na ja, früher war der Bundesvorsitzende aus NRW, der Stellvertreter aus NRW, und … Nein, ich glaube man muss einfach da gucken: Was sind die fähigsten Köpfe? Männlein, Weiblein, Ost, West und so weiter spielt dabei nur sekundär eine Rolle. Und ich glaube, dass man da wesentlich mehr versuchen muss zu sehen, wie man die richtigen Leute zusammenbringt. Die reine Frage auf Größe, das ist meiner Meinung der falsche Ansatz. Bei Liberalismus kann es ja nicht darum gehen, wer hat jetzt am lautesten, wer die meisten Stimmen. Dass Daniel Bahr dabei vorne ist und dass er, wie ich finde, zu Recht stellvertretender Bundesvorsitzender wird, hat ja was mit seiner Verankerung in der Partei zu tun, mit seiner gesamtpolitischen Situation, und das will ich auch deutlich sagen: Für mich kommt es darauf an, wie gut diese drei zusammenarbeiten und andere jetzt mitziehen. Das haben sie bisher, finde ich, sehr, sehr gut getan. Und wenn dieses Dreierteam gut funktioniert, dann wird doch keiner fragen, ob das so oder so ist. Da könnte ich ja als Rheinländer jetzt anfangen zu sagen, das ist aber ein Westfale, das gefällt mir aber gar nicht, das passt nicht.

Christopher Ricke: Herr Fricke, gehen wir mal aus der Partei ein bisschen in die Fraktion und auch in die Bundesregierung. Fangen wir mal auf der Ministerebene an: Rainer Brüderle, das ist der Mann, der mit seinen Äußerungen zum Atom-Moratorium möglicherweise Rot-Grün in Baden-Württemberg herbeigeführt hat, also nicht wirklich ein Wahlsieger für die Partei, möchte gern weitermachen. Ist das der richtige Mann für den Neuanfang?

Fricke: Also ich glaube, wenn man jetzt sagen würde, Neuanfang würde bedeuten, das ist eine Revolution, alles Alte weg und nur Neues hin, und dann funktioniert das, und möglichst alles nur jüngere Leute, dann ist das ein falsches Verständnis davon, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Und um es bei Rainer Brüderle deutlich zu sagen: An der Stelle, wo wir unsere Kernkompetenz haben – Wirtschaft, Steuern, Finanzen –, ist doch Rainer Brüderle unser Aushängeschild, der hier klar auch das tut, was, glaube ich viele verkennen im Moment. Die Wirtschaft läuft gut, ja, die Steuereinnahmen laufen gut, aber die meisten Fehler hat die Bundesrepublik Deutschland doch nicht gemacht, wenn es schlecht lief. Dann haben wir gesehen, wir müssen wirtschaftlich Vernunft walten lassen. Jetzt muss man aufpassen, dass man wirtschaftlich vernünftig agiert und das, was man gerade sich erarbeitet hat, nicht wieder verliert, indem man sagt, hier und da und dort. Und da ist Rainer Brüderle, das nenne ich dann mal eine sehr gute Entscheidung, jemand, der wie bei Opel dann sagen kann, passt mal auf, Leute, nur, weil man auf den ersten Blick sagt, das könnte für die Wirtschaft richtig sein, mache ich das noch lange nicht mit, sondern ich bin Ordnungspolitiker, der sagt, Arbeitsplätze sind nur sicher dann, wenn sie wettbewerbsfähig sind, und nicht dann, wenn sie möglichst viele Subventionen kriegen.

Christopher Ricke: An einer Frau kommen wir nicht vorbei, an Ihrer Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger. Die steht sehr, sehr, sehr, sehr unter Druck, hat schon die Vertrauensfrage erwogen, also eine vorgezogene Wahl des Fraktionsvorstandes. Ein kluger Schritt?

Fricke: Jetzt muss man differenzieren: Die Vertrauensfrage hat sie bewusst nach dem Wahlergebnis in Baden-Württemberg gestellt, gemeinsam mit dem gesamten Vorstand gesagt, Leute, nach einer solchen Wahl, die schlecht ausgegangen ist, kann man nicht einfach so weitermachen, sondern wir als Vorstand der baden-württembergischen FDP sagen, wir stellen uns insgesamt neu zur Wahl. Es gibt jetzt mit Herrn Theurer einen Gegenkandidaten, also Demokratie, so wie sie funktionieren soll, und da halte ich das erst mal für eine richtige Methode, anstatt auf der anderen Seite zu sagen, na ja, Wahl ist gelaufen, wir nehmen es nicht wahr. Das heißt, es wird genau das gemacht, was man doch von Politik erwartet, wenn es schlecht läuft, zu sagen, Achtung, passt mal auf, ich halte das und das für richtig, aber ich stelle mich der demokratischen Entscheidung der Basis. Und was die zweite Frage der Fraktion angeht: Es gibt am nächsten Wochenende eine Klausurtagung der Fraktion, da werden wir über weitere Zusammenarbeit in der Fraktion und die Frage der Organisation der Fraktion reden. Das wird dann am Mittwoch im Vorstand der Fraktion schon vorbereitet und ich sage dann immer, man muss die Sachen, es ist meine Fraktionsvorsitzende, genau das ist es. Ich bin ihr Geschäftsführer, und genau so sehe ich das auch und ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir nicht anfangen zu sagen, Hauptsache irgendeiner muss jetzt weg und dann am besten mit großem Trara, und dann ist das gut. Nein, man muss auf die Arbeit gucken, die gemacht wird, und die Fraktion hat – das will ich ausdrücklich sagen – gute Arbeit gemacht. Wir haben als FDP insgesamt Fehler gemacht, Demokratie heißt, wir müssen uns insgesamt an die eigene Nase fassen und nicht einzelne herauspicken.

Christopher Ricke: Otto Fricke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, vielen Dank, Herr Fricke.

Fricke: Ich danke!