Freunde fürs Singen

Von Daniela Mayer · 21.12.2012
Weil sie mit Ende 20 für den Jugendchor zu alt wurden, gründeten befreundete Kölner Sängerinnen und Sänger vor drei Jahren einfach ihren eigenen Chor: art&weise haben sie ihn genannt und sind trotz ihrer noch jungen Geschichte bereits sehr erfolgreich.
Kreatives Chaos inmitten eines staubigen Kölner Schulraums. Berge von Jacken, Essen und Notenblättern türmen sich auf den Tischen, in der Mitte fläzen sich die rund 30 Mitglieder des Chors art&weise und werfen sich mal kleine Frotzeleien, mal kurze Liedpassagen zu. Es ist Pause am samstäglichen Sonderprobetag für das Weihnachtskonzert. Und es ist entspannt.

Zur Stärkung gibt es Kaffee, Kuchen und Sekt - oder eine Runde Noah-Kuscheln. Mit acht Monaten ist der kleine Wonneproppen das jüngste Mitglied in der lockeren U40 Runde. Wer die Chormitglieder untereinander sieht, versteht sofort: Hier treffen sich Freunde. Zum Quatschen, Spaß haben und zwischendurch auch ganz ernsthaft zum Singen.

"Können wir bitte mal die zweite Strophe machen!"

Max Weise, jung, attraktiv und als Chorleiter hier ohne Zweifel Ton angebend, hat seine Sängerinnen und Sängern energisch aufgescheucht. Jetzt ist Konzentration gefordert.

Der bunte Chorhaufen ist jetzt ganz diszipliniert aufgestellt, links die Frauen, rechts die Männer, in etwa gleicher Anzahl. Die Stimmen harmonieren und wenn nicht, wird's den Verursachern schonungslos offen an den Kopf geknallt. Beleidigt fühlt sich hier so schnell niemand, viele der Mitglieder sind Pärchen, andere kennen sich seit ihrer Jugend im Kölner St. Stephan Chor. 16 von ihnen, einschließlich Chorleiter Max Weise, haben schon dort gemeinsam gesungen, bis sie zu alt dafür waren.

30 ist da die Obergrenze und einige waren 30, andere waren noch knapp 28 und sagten, ach komm, wir kommen mit, weil wir alle Freunde waren, haben Lust weiter zu singen und haben gedacht gut, dann bleibt nur die Alternative selber einen Chor zu gründen. Und dass wir jetzt drei Jahre später hier sitzen, ist echt schon irre.

Eva Krüger, zierlich, energiegeladen und eine der Mitbegründerinnen von art&weise lässt keine Zweifel an ihrer ehrlichen Begeisterung für die zeitintensiven Aktivitäten des Chors. Ihr Mann und der kleine Sohn sind heute bei der Wochenendprobe mit dabei, Familienfreizeit im Gesangs- und Freundeskreis, genau das macht für sie ihren Chor unverwechselbar:

"Ich glaube davon lebt der Chor. Es wird dann häufig gesagt, das ist so eine tolle Energie, die ihr da rüber bringt, ich bin der Meinung , dass das einfacher möglich ist, wenn man sich so gut kennt. Das ist das, was viele, die uns hören, wirklich sagen."

"Jul, Jul stralande jul". Mit seiner kollektiven Energie sorgt der Chor bei diesem schwedischen Weihnachtslied tatsächlich für ein angenehmes Kribbeln. Es ist die sichtbare, fast schon ergreifende Freude der sonst so lässigen Chormitglieder, an ihrem gemeinsamen Gesang. Sie singen mit strahlenden Gesichtern und teils genussvoll geschlossenen Augen. Die Mehrzahl kennt Noten und Texte ohnehin auswendig. Max Weise:

"Wir haben irgendwie die Möglichkeit gefunden, die Texte noch mehr zu interpretieren, also wir singen die Probe mit Noten vor uns und auf der Bühne immer ohne Noten und haben dadurch die Möglichkeit, ein bisschen wie ein Solosänger die Texte zu interpretieren."

Bei Bedarf sogar mit vollem Körpereinsatz. Zu den modernen Popsongs im sehr bunt gemischten Repertoire entwirft die "Choreogruppe" von Markus Eisele kleine passende Bewegungsfolgen:

"Denn das Auge singt ja mittlerweile auch mit und wir versuchen, so ein bisschen Leben in das ganze rein zu bringen."

So fliegen beim spontan in der benachbarten Aula vorgeführten "Viva la Vida" von Coldplay die Beine kollektiv nach links, dann die Arme nach rechts, bevor alle gemeinsam nach vorne springen. Das sieht witzig aus, ohne peinlich zu sein und alle machen beim Synchrontänzchen begeistert mit.

Nachwuchssorgen kennt der Chor laut Eva Krüger nicht:

"Wenn ich jetzt überschlagen müsste, sind es mindestens ein, zwei Bewerbungen, die wir pro Woche per E-Mail kriegen, die sagen, hey, ich such genau so was wie euch."

Heute hat der Chor fast doppelt so viele Mitglieder wie am Anfang, alle zwischen Ende 20 und Mitte 30. Trotz verschworener Gemeinschaft, sind die befreundeten Gründer offen geblieben für Neue. Denn bei aller Lockerheit: Längst geht es auch um den Erfolg. Als Konzertchor tritt art&weise inzwischen bis zu dreimal im Monat auf privaten Feiern und öffentlichen Events auf und nimmt regelmäßig erfolgreich an Wettbewerben teil.

Eva Krüger: "Der Ehrgeiz ist dann schon daraus erwachsen aus dem, ach komm wir singen mal ein bisschen, dahin, dass wir gesagt haben, wir gucken auch mal, wo wir uns so aufgestellt haben mit dem was wir singen und wie wir singen. Ich glaube auch, dadurch entsteht einfach Qualität."


Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
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