Freitags frisches Fischgedicht

Von Bettina Ritter · 11.08.2010
Mit ihrem Gedichtband "Mein lieber Fisch" hat Arezu Weitholz das schwierige Feld der Lyrik aufgelockert. Die ehemalige Journalistin schreibt in Berlin-Kreuzberg an ihrem nächsten Buch und arbeitet seit Längerem mit Herbert Grönemeyer zusammen.
"Die blaue Forelle
schwamm im Gefälle
gegen ne Welle
jetzt hat se ne Delle"


Ihr erstes Fischgedicht hat Arezu Weitholz – wie könnte es anders sein – am Meer geschrieben. Am Timmendorfer Strand. Dort fährt die 42-Jährige seit sie ein Baby ist jedes Jahr mit ihrer Mutter hin. Die sitzt dann im Strandkorb und sagt nicht viel, erzählt Arezu Weitholz:

"Ich wollte die zum Lachen kriegen und hab ihr so nen alten Sponti-Spruch aufgesagt: Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr. Und da fing die an zu kichern. Und da dachte ich: Da geht was. Und dann hab ich am Abend in dem Hotel mich auf dieses Sofa gesetzt, und hab da einfach ein paar Fischgedichte geschrieben, und hab gemerkt, dass Fische einen Zug haben."

"Im Bauch der Nacht träumte der Karpfen vom Fliegen
Aufgewacht ist er geräuchert im Liegen"


Per Mail schickt Arezu Weitholz jeden Freitag ein "frisches Fischgedicht" an ihre Freunde. Die sind begeistert. Bald hat die Autorin so viele zusammen, dass sie einen Verlag ansteuert, der die Werke prompt veröffentlicht. Das kleine Buch mit 44 Gedichten von A wie Aalfabet bis Z wie Zackenbarsch hat die zierliche Frau mit den langen, dunkelbraunen Haaren selbst illustriert. "Mein lieber Fisch" wird inzwischen in der zweiten Auflage gedruckt, ein großer Erfolg für einen Lyrik-Band. Und Arezu Weitholz wird mit Ringelnatz und Robert Gernhardt verglichen.

"In einem Atemzug mit denen genannt zu werden ist ne Riesen-Ehre. Aber eigentlich gehöre ich da nicht so hin, finde ich."

Bescheiden wirkt Arezu Weitholz, mädchenhaft. Sie lächelt viel, ihre großen, braunen Augen strahlen Wärme aus. Arezu, der Name ist persisch und bedeutet "Wunsch, Sehnsucht, Hoffnung". Im Iran geboren, wächst sie als Adoptivkind bei Hannover auf.

"Volles Programm deutsch: Aufgezogen mit deutschem Essen, deutsche Muttersprache. Ganz deutsch! Ich bin in nem kleinen Dorf aufgewachsen, mein Opa war Bürgermeister, wir hatten ne Tankstelle, mein Papa war Elektriker. Sehr ländlich halt. Fast schon ein halber Bauernhof. Und auch sehr deutsch eigentlich, ja."

Im Iran war Arezu Weitholz seit ihrer Geburt nicht mehr, und es zieht sie dort auch nicht hin. Dafür ist sie sehr oft bei ihrer Mutter in Niedersachsen. Hier macht die Autorin nach dem Abitur eine Banklehre, später studiert sie in Hannover Wirtschaftswissenschaft. Weil sie nicht weiß, was sie sonst machen soll. Per Zufall landet sie dann Anfang der 90er Jahre in Hamburg bei der Lifestyle-Zeitschrift "Max". Für Arezu Weitholz, die ihr Leben lang musikverrückt war, ein Fest.

"Weil ich dachte: Menschenskinder, die geben mir hier Geld dafür, dass ich in der Weltgeschichte rumfahren darf, Leute treffen, ich kann ganz viel Musik hören, und dann kannst du forschen und buddeln und dich schlauer machen, nur um hinterher nen Artikel zu schreiben, und das war fantastisch, das hab ich geliebt. Und das hat eigentlich nicht aufgehört."

Mit Herbert Grönemeyer, den die Autorin bei einem Interview kennenlernt, freundet sie sich an. Ihn zwingt Arezu Weitholz, wie sie sagt, ihre Texte zu lesen, immer, wenn sie etwas Freies schreibt – Gedichte oder Geschichten. Eines Tages bittet Grönemeyer sie um eine Gegenleistung: Die damalige Journalistin soll sich seine Texte zum neuen Album "Mensch" anschauen.

"Bei den Texten war es in Deutschland nicht üblich, dass Musiker sich Leute suchen, die den Text nicht nur schreiben, sondern auch so was machen, was ne Art Lektorat ist, ne Beratung. Im Nachhinein haben wir dann den Begriff der Textdramaturgin erfunden, und dann war das wahnsinnig erfolgreich, dieses Album, und auf einmal dachten alle, ich kann das besonders gut."

Inzwischen arbeitet Arezu Weitholz unter anderem auch für Udo Lindenberg und die Toten Hosen.

"Das schönste Gefühl ist eigentlich, irgendwo zu sein in einem Konzert und die Leute singen ein Lied, und da hat man mitgearbeitet, oder hat im besten Fall sogar den Text geschrieben. Im Konzert stehen und die Leute singen dein Lied, ist Klasse!"

"Die Scholle schmollt, der Aal will aalen, der Weißfisch braucht Gefühl, der olle Wels, er will die Wahlen, der Stichling sucht ein Ziel, der Fisch ist nass, das Meer ist weit, und alle träumen von Bongo Bongo zu zweit."

Gedichte, Liedtexte und bald noch ein Roman – der Bauchladen, wie Arezu Weitholz ihre vielen Jobs beschreibt, wächst weiter. An ihrem Buch "Das Haus der Dichter" schreibt sie in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg, wo sie nach Abstechern nach Südafrika und London lebt. Zusammen mit unzähligen Büchern, CDs in Bananenkisten, Schallplatten und ihren vier Goldfischen: John, Paul, George und Ringo. So kommt dann wieder alles zusammen: Musik, Gedichte und Fische.