Frauen in der Kultur

Alte Männer verstopfen Jurys und Fördergremien

Das Polizeiorchester spielt die Nationalhymnen vor dem Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Brasilien in Stuttgart im August 2011.
Polizeiorchester bei einem Fußballspiel in Stuttgart: Spielt hier etwa eine Frau mit? Jedenfalls nicht als Dirigentin. © dpa / picture alliance / Marijan Murat
Von Christiane Habermalz · 12.11.2015
Das Thema Geschlechtergerechtigkeit beschäftigte auch den Kulturausschuss des Bundestags. Bei einer Anhörung wurde gefragt, warum es so wenig Frauen in Führungspositionen von Theatern, Museen und Orchestern gibt. Hilft am Ende nur noch die Quote?
Eine Quote für die Kultur? Klingt schrecklich. Klingt nach staatlich regulierter Kunst, nach Zuteilung statt Qualität, nach Almosen statt Talent. Wer will das schon? Am wenigsten die Frauen selbst, die doch nicht als Quotenfrauen gelten wollen, wenn sie erfolgreich sind. Das sagen jedoch vor allem männliche Akteure im Kulturbetrieb, wie eine aktuelle Studie des Frauenkulturbüros NRW ergab. Die meisten Frauen in der Branche sehen das anders. Adrienne Goehler, ehemalige grüne Kultursenatorin von Berlin und langjährige Leiterin des Hauptstadtkulturfonds:
"Die Elke Schmitter vom Spiegel hat einen schönen Satz mal gesagt: Die Quote ist unerotisch, die Realität ist unerotischer. Also die Tatsache, dass Frauen in allen Sparten fast nur zehn Prozent des Etats der jeweiligen Männer haben, ist etwas, was nicht mehr mit Qualität beschrieben werden kann."
Goehler war eine von sechs Sachverständigen, die vom Kulturausschuss des Bundestages eingeladen worden waren, um über das Thema Geschlechtergerechtigkeit im Kulturbetrieb Auskunft zu geben. Die Experten waren, wen wunderts, rein weiblich, und sie zogen für alle Sparten im Grunde das gleiche Fazit. Kultur ist zwar weiblich – an den Unis studieren mehr Frauen als Männer in den kreativen Fächern. Und sie sind da gut vertreten, wo es um prekäre Kunst und Selbstausbeutung geht. Doch je höher Gehalt, Ansehen oder Funktion einer Stelle, desto geringer der Frauenanteil im Kulturbetrieb:
"Frauen sind überall da unterrepräsentiert, wo es um Führungspositionen geht. Deswegen gibt es eben auch so wenig Dirigentinnen in der Musik. Und im Filmbereich ist das Regieführen eben immer noch auch stereotyp mit männlichen Eigenschaften assoziiert: Unterbewusst natürlich oft. Also: Durchsetzungsfähigkeit, Zielorientiertheit, Genialität. Und das schlägt in diesen ganzen vielen kleinen Entscheidungen, die dazu führen, ob eine Frau einen Film macht oder nicht, natürlich zu Buche."
... sagt Maria Mohr, Vorstandsmitglied von "Pro Quote Regie", einem Zusammenschluss aus Frauen in der Filmbranche, der sich im vergangenen Jahr gegründet hat. Beim Film, wo es um große Budgets geht, "Bankability" gefragt ist, ist das Missverhältnis besonders groß. Aus dem durch Bundesmitteln geförderten Filmförderfonds wurden im Jahr 2013 von 115 Projekten nur 13 Filme von Regisseurinnen gefördert. Beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen werden nur 11 Prozent der Regieaufträge an Frauen vergeben. An einem Mangel an Regisseurinnen liegt es nicht: 40 Prozent der Absolventen im Fach Regie sind Frauen. Abhilfe schaffen kann nur eine Quote, fordert Mohr, und zwar:
"Überall da, wo öffentliche Gelder vergeben werden, die in den Film fließen. Also das ist natürlich bei der Filmförderung, aber auch in den Sendern. Aber auch über Preise oder sonstige Förderprogramme muss man nachdenken. Überall wo öffentliches Geld verteilt wird, muss es geschlechtergerecht verteilt werden."
Nicht so kreativ beim Antragschreiben
Was für den Film gilt, gilt auch für andere Kulturbereiche. Nur vier von 18 führenden Kunstmuseen werden von einer Frau geleitet, drei Prozent der Intendanzen an Staats- und Landestheatern, und sogar nur rund ein Prozent der Philharmonien und Orchester. Die Zahlen sind von 2000, doch geändert hat sich bis heute wenig. Das gleiche gilt bei der Vergabe von Preisen, Stipendien, Einzelausstellungen in Museen, bei der Longlist des Deutschen Buchpreises – also da wo künstlerische Bewertungen vorgenommen werden. "Wir sehen, wenn Preise vergeben werden, sind die drei Hauptpreisträger männlich und der Förderpreis wird an eine junge Frau vergeben", beschreibt in der schon erwähnten Studie in NRW eine Künstlerin die gängige Praxis. Was aber ist der Grund dafür? Sind Frauen weniger gut oder weniger kreativ?
"Ich glaube, sie sind nicht so kreativ als Antragskünstler, sie haben auch nicht so irrsinnig gute Netzwerke zu den verbündeten Intendanten und Programmdirektoren und großen Fernsehspielleitern. Also es sind überall die männlichen Netzwerke da."
Alte Männer des Kulturbetriebs verstopfen überall die Jurys und Fördergremien, klagt auch Ursula Theißen vom Frauenbüro NRW, und zwar oft noch im Ehrenamt lange über die Pensionsgrenze hinaus. Notwendig sei daher nicht nur eine geschlechterparitätische Besetzung, sondern auch ein Generationswechsel. Doch Erfolg in der Kunst hat, jenseits der Strukturen, immer auch viel mit Selbstinszenierung zu tun, mit dem großen Künstlergestus – das haben Männer schlicht oft besser drauf als ihre weiblichen Kolleginnen. Frauen fehlt oft der kalkulierte, medienwirksame Wahnsinn, das übersteigerte Ego eines Dalí oder eines Jonathan Meese. Schlechtere Kunst machen sie deswegen noch lange nicht. Doch bald könnte sich endlich etwas ändern. Zumindest bei der jetzt anstehenden Novelle des Filmfördergesetzes wollen die Fraktionen eine Geschlechterquote einbauen.
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