Frankreich und Deutschland

Neuer Schwung für ein altes Paar

Die französische und die deutsche Fahne am Rathaus von Frankfurt/Main
Die französische und die deutsche Fahne am Rathaus von Frankfurt/Main © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
Von Klaus Manfrass · 28.02.2017
Die Beziehung der Nachbarn Deutschland und Frankreich schwächelt. Doch US-Präsident Trump und der Brexit fordern die symbolische Partnerschaft zu engem Zusammenrücken und kraftvoller Kooperation heraus. Das kann eine reale Chance sein, meint der Historiker Klaus Manfrass.
Wir hatten uns schon daran gewöhnt, das deutsch-französische Verhältnis als "leer und schwach" anzusehen, so die Definition des französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Und es nur noch symbolisch zu zelebrieren: anstelle von Politik nur noch Kultur, allenfalls Geschichte, Ehrungen, Jubiläen, Erinnerungen.
Da brachen mit Trump und Brexit die Turbulenzen der internationalen Politik auch auf diese Partnerschaft herein, forderten zu engem Zusammenrücken und kraftvoller Kooperation heraus − und zwingen uns geradezu, die Grundlagen der Partnerschaft mit dem Blick auf Möglichkeiten und Grenzen einmal mehr auf den Prüfstand zu stellen.

Ein asymmetrisches Verhältnis

Das Verhältnis ist seit Langem asymmetrisch. Vor der Wiedervereinigung war ein fragiles Gleichgewicht durch die Nuklearkapazität Frankreichs und sein größeres internationales Gewicht gewahrt. Frankreich ist aber der Verlierer der deutschen Wiedervereinigung. Seine Machtattribute haben nach dem Ende des Kalten Krieges an Bedeutung verloren: Die Nuklearkapazität ist wenig hilfreich im Kampf gegen die Islamisten.
Dagegen hat Deutschland dank seiner dauerhaften Wirtschafts- und Exportstärke Frankreich geradezu abgehängt.
Frankreich setzt seine Hoffnungen auf europäischer Ebene in Ziele wie die Vergemeinschaftung der Schulden, die Europäisierung der Sozialsysteme, Bankenunion, Transferunion −die im Übrigen eigentlich schon längst eingeleitet ist.

Partnerschaft in beiderseitigem Interesse

Dennoch besteht auf beiden Seiten ein Interesse an realer Partnerschaft. Keiner kann allein eine Führungsrolle in Europa beanspruchen. Will Deutschland als Ordnungsmacht auftreten, oder − wie in der Flüchtlingspolitik − seine Vorstellungen den anderen aufoktroyieren, wird es sich bald einer Koalition der Unwilligen gegenübersehen und sich in der seit jeher gefürchteten Isolierung befinden.
Plötzlich erscheint − mit der amerikanischen Forderung nach einem stärkeren Beitrag der europäischen NATO-Partner − die Bildung einer europäischen Verteidigungskapazität als der "Deus ex machina" zur Beflügelung der Zusammenarbeit. Diese gar nicht so neue Idee, die in den 90er-Jahren von französischer Seite schon sehr detailliert vorgelegt wurde, aber stets am Widerstand der Briten im Sand verlief, könnte nach dem Brexit eine neue Realisierungschance erhalten

Dissens bei den Russlandbeziehungen

Dissens gibt es auch im Hinblick auf die Beziehungen zu Russland. Während Berlin voll zu den Sanktionen steht und an der Speerspitze, der NATO-Machtdemonstration gegen Russland beteiligt ist, ist Frankreich zurückhaltender. Staatspräsident Hollande hat eindeutig gesagt, dass "Putin nicht sein Feind sei" − viele Präsidentschaftskandidaten teilen seine Meinung.
Könnte eine Reform der EU, wie sie von französischer Seite, zum Beispiel vom früheren Außenminister Védrine vorgeschlagen wird, ein gemeinsames Vorhaben werden? Mehrere Präsidentschaftskandidaten wünschen sogar ein so oder so gestalteten Frexit. Deutschland will keine grundlegende Reform und hält an seinem Modell der Vertiefung mit föderaler Struktur fest − lässt lediglich das gar nicht so neue Modell eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten wieder auferstehen.
Der Wahlausgang wird in jedem Falle so sein, dass die angeschnittenen Probleme konkret und zügig gelöst werden müssen, wenn sie nicht als vollmundige, aber inhaltsleere Ankündigungen wirken sollen, die − wie schon so oft − alles beim Alten belassen.

Klaus Manfrass hat seit Anfang der 1960er-Jahre in Paris gelebt und mehr als 30 Jahre am Deutschen Historischen Institut Paris im Bereich Zeitgeschichte gearbeitet. Besonders geprägt hat ihn seine Zeit im heutigen Maison Heinrich-Heine der damaligen Cité Universitaire, das Ende November sein 60-jähriges Bestehen feierte. Später arbeitete Klaus Manfrass für die DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik). Ende 2006 verließ er Paris und lebt jetzt im Ruhestand in Oberbayern.

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