Frankreich

Im Regen stehen gelassen

Francois Hollande steht an der Küste vor einem großen Felsen im Regen, man sieht ihn von hinten.
Frankreichs Präsident Hollande anlässlich der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft in der Bretagne. © FRED TANNEAU / AFP
Von Ursula Welter · 25.08.2014
Der französische Ministerpräsident Manuel Valls hat die gesamte französische Regierung entlassen. Das war kopflos und überzogen, kommentiert Ursula Welter. Auch ein neues Kabinett führe nicht aus der Krise - dafür seien sich die Sozialisten zu uneins.
Ein Bild des Elends bot sich heute den Bretonen. Und von der Bretagne aus ganz Frankreich. Da stand ein Mann im strömenden Regen und hielt eine seit Langem geplante Rede - aus Anlass der Befreiung Frankreichs von der Nazi-Herrschaft vor 70 Jahren.
Die Brillengläser beschlagen, Haare, Gesicht, Mantel schutzlos der Witterung ausgesetzt. Kein Schirm, kein Dach - Frankreichs Präsident wurde förmlich im Regen stehen gelassen. In einem Land, in dem die Kommunikationsberater auf jedes Detail Wert legen, könnte die Botschaft verheerender nicht sein. Die präsidiale Statur, auf der die Fünfte Republik errichtet wurde, ist perdue.
Derselbe Mann hatte wenige Stunden zuvor die zweite Regierung binnen viereinhalb Monaten entlassen müssen, das dritte Kabinett der noch kurzen Amtszeit des Präsidenten Hollande steht ins Haus.
Frankreich durchlebt eine schwere, politische Krise. Der Staatschef ohne Autorität, der Premier verzweifelt um Rettung seiner Ehre als Chef der Regierung bemüht. Denn auch Manuel Valls ist in den Strudel der Unpopularität geraten, der den Präsidenten seit Langem umgibt.
Valls konnte nicht hinnehmen, dass nun gleich zwei Schwergewichte aus seinem Kabinett den Dolch führten. Und doch wirkte es kopflos und überzogen, dass er gleich die gesamte Regierung entließ.
Frankreich steht, wie seine Führungsspitze, im Regen
Denn was ändert ein neu komponiertes Kabinett an der Gesamtlage?
Die internen Kritiker, die ihren Frieden mit der wirtschaftspolitischen Linie der Staats- und Regierungsspitze nicht machen wollen, werden Maulkörbe nicht akzeptieren. Sie werden weiter einen anderen, wirtschaftspolitischen Kurs fordern, werden im Parlament mit "Enthaltung" oder mit "Nein" reagieren und die Mehrheit schwächen.
Die Globalisierungs- und Europakritiker vom linken Flügel werden weiter argwöhnen, wie es ideologisch alte Sitte in Frankreich ist, dass für die Misere andere verantwortlich sind: Der geschasste Wirtschaftsminister sprach von der "Sparbesessenheit der deutschen Konservativen", der Bildungsminister zeigte direkt mit dem Finger auf Angela Merkel. Auch nach einer Kabinettsumbildung werden sich die Aufständischen im linken Lager nicht an die eigene Nase packen.
Frankreichs Sozialisten sind sich uneins über den Weg aus der Krise, daran ändert der heutige Paukenschlag nichts.
So rächt sich täglich, dass viel wertvolle Zeit verloren gegangen ist, dass Präsident Hollande erst in die eine und sehr viel später in die andere Richtung regierte, dass er fast zwei Jahre lang seinen Landsleuten vorgaukelte, mit staatlichen Wohltaten hier und homöopathischen Rezepturen dort sei die Krise zu meistern. Jetzt steht das Land mit Nullwachstum da. Mit Rekordarbeitslosigkeit. Mit einem Schuldenberg, der weiter wächst, obwohl die Partner in Europa viel Geduld mit Paris haben und Fristen hinausschieben. Frankreich steht, wie seine Führungsspitze, im Regen. Die Bilder aus der Bretagne hätten deprimierender nicht sein können.
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