Frankreich

Als "königliche Hure" verhöhnt

Zeitgenössische Darstellung von Jeanne Antoinette Poisson, der Marquise de Pompadour, Mätresse von König Ludwig XV, nach einem Gemälde von Boucher. Sie wurde am 29. Dezember 1721 in Paris geboren und verstarb am 14. April 1764 in Versailles.
Die Hauptbeschäftigungen der Madame Pompadour sahen folgendermaßen aus: Versailles handhaben und beeinflussen; gefallen und verführen. © picture alliance/ dpa
Von Ruth Jung · 15.04.2014
"Maîtresse en titre" war im 18. Jahrhundert eine begehrte Position. Schönheit allein genügte nicht, um sich am Hofe zu behaupten, Kultur und Bildung gehörten dazu: Madame Pompadour brachte alle Voraussetzungen mit. Als Mätresse von König Louis XV. stieg sie zur einflussreichsten Frau Frankreichs auf.
"Wenn es schon eine sein muss, dann lieber diese als eine andere."
... nahm Königin Maria Leszczynska die offizielle Einführung der Mätresse ihres Gatten König Louis XV. am Versailler Hof im November 1745 resigniert zu Kenntnis. Da sich das Heiraten dynastischen Interessen zu beugen hatte, kam dem König das Recht zu, sich eine Mätresse zu wählen: "Maîtresse en titre", Königliche Favoritin, war eine schwer erreichbare, begehrte Position. Dazu bedurfte es mehr als Schönheit.
Gebildet, musikalisch und schön
Die am 30. Dezember 1721 als Jeanne-Antoinette Poisson in bürgerlichen Verhältnissen geborene spätere Madame de Pompadour galt wohl als auffallend schön, darüber hinaus war sie gebildet und berühmt für ihr musikalisches Talent. Der Vater, ein königlicher Verwalter, hatte für die Erziehung der Tochter keine Kosten gescheut. Dass die von Louis XV. Auserwählte mit dem Geburtsnamen Poisson, Fisch, verheiratet und Mutter einer Tochter war, spielte keine Rolle: Sie wurde geschieden, das Kind ins Kloster gegeben. Vom König in den Adelsstand erhoben, war ihre Anwesenheit am Hof dennoch ein Skandal:
"Eine Frau aus dem Bürgertum schickte sich an, eine weitere Bastion des Adels zu stürmen", schreiben Edmond und Jules de Goncourt in einer Biografie über den Aufstieg der Pompadour. "Sie wurde die erste königliche Mätresse ohne adelige Geburt, und mit ihr drang der Einfluss der Bourgeoisie bis nach Versailles vor."
Bauleidenschaft und Dekorationswut
In Leo Falls Operette von 1922 ist Madame Pompadour eine Frau, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Tatsächlich widersprach sie in allem dem Ideal weiblicher Bescheidenheit. Ihre gesamten Anstrengungen zeugen von dem ehrgeizigen Bestreben, ihre Stellung am Hof zu festigen. Von der legendären Bauleidenschaft und Dekorationswut der Pompadour zeugen die ihr vom König geschenkten Schlösser.
"Die Hauptbeschäftigungen der Madame Pompadour sahen folgendermaßen aus: Versailles handhaben und beeinflussen; gefallen und verführen; Verbündete und Freunde aus höchsten Kreisen gewinnen und eine ergebene, ihren Interessen verbundene Gefolgschaft um sich versammeln",
resümieren die Brüder Goncourt. Zugute kam ihr, dass der seit 1726 regierende Monarch melancholisch und entscheidungsschwach war, die Staatsgeschäfte waren ihm verhasst. Madame Pompadour verstand es, seine Freundschaft zu gewinnen, nachdem die erotische Leidenschaft verflogen war. Sie wurde seine engste Vertraute und politische Beraterin.
Politische Probleme nicht erkannt
Allerdings verkannte die "première dame" die zunehmenden innen- und außenpolitischen Probleme. Die Unzufriedenheit des Volkes wuchs, als der ohnehin ruinierte Staatshaushalt durch den Siebenjährigen Krieg mit England noch mehr belastet wurde. Im Friedensvertrag von Paris musste Frankreich 1763 den Verlust der nordamerikanischen Kolonien hinnehmen. England, das die Pompadour von Herzen hasste, war nun führende Kolonialmacht.
"Wir brauchen dringend den Frieden mit den Engländern", schrieb sie an den französischen Botschafter in London. Bis ins einzelne hatte die Marquise versucht, die Bedingungen dieses Friedens zu bestimmen, um am Ende, erschöpft durch Verhandlungen und Anfeindungen, festzustellen:
"Der Frieden ist weder günstig noch gut, aber er musste geschlossen werden. Meine Gesundheit ist nicht gut; aber wenn ich Frankreich im Frieden sehen kann, den König zufrieden und seine Untertanen beruhigt nach all den Misshelligkeiten, werde ich genug gelebt haben."
Inbegriff der verkommenen Monarchie
Die Untertanen waren keineswegs beruhigt und Madame Pompadour galt ihnen als Inbegriff einer moralisch verkommenen Monarchie. In Spottversen, den berüchtigten "Poissonaden", eine Anspielung auf ihren Geburtsnamen, wurde sie als "königliche Hure" verhöhnt:
"Die Reichen wollen reicher sein,
Die Fische werden fett und fein.
Es herrscht ein Taugenichts.
Schlösser baut man für alle Welt,
indes stets mehr der Staat verfällt."
Von Kindheit an litt Jeanne-Antoinette unter einer schleichenden Tuberkulose. Erst 43-jährig starb Madame Pompadour am 15. April 1764 in den königlichen Gemächern in Versailles. Sie war die einzige Mätresse, die jemals von Versailles aus zu Grabe getragen wurde.

Programmtipp: Dienstag, 15.4.2014, Buchkritik 16:33 Uhr: Andrea Weisbrod: "Madame de Pompadour und die Macht der Inszenierung", Aviva Verlag, Berlin 2014

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