Frankfurter Buchmesse

Ein Nobelpreis und der Blick auf das nächste Jahr

Ein Großplakat macht auf einer Halle der Buchmesse in Frankfurt am Main (Hessen) auf das Gastland Finnland aufmerksam.
Dieses Jahr ist Finnland Gastland - im nächste Jahr kommt der Gast aus Asien. © dpa / picture alliance / Arne Dedert
Von Dirk Fuhrig · 09.10.2014
Das bestimmende Thema dieses Tages der Buchmesse war ohne Frage die Ankündigung, dass der französische Autor Patrick Modiano den Literaturnobelpreis erhalten wird. Daneben gab es einen Schlagabtausch zum Versandhändler Amazon und es zeichnet sich ab, wer im kommenden Jahr Gastland sein wird.
Beim Hanser-Verlag in Halle 3.0 steht eine halb leere Flasche Champagner auf dem Tisch. Zum Austrinken ist keine Zeit. Gerade wurde die Entscheidung aus Stockholm bekannt. Jo Lendle, der Verlagschef, wird von Journalisten umlagert.

"Es gibt eine Redewendung, dass man bei Modiano sofort weiß, es ist Modiano. Bei Modiano ist es tatsächlich das Handwerk des Stilisten, das in jedem einzelnen Satz nachlesbar ist. Das unterscheidet ihn von neuern, amerikanischen Autoren, die eher aus dem Storytelling kommen. Bei ihm ist ganz stark die Kraft des einzelnen Satzes spürbar."

Der Hanser-Verlag ist auf Nobelpreisträger abonniert – seit 1960 bekamen 15 seiner Autoren die Trophäe. Alleine in den letzten 8 Jahren waren es 5!

"Es war lange Jahre sehr schwer und die Fangemeinde war sehr klein. Sie ist aber gewachsen, und eine richtige schöne Gemeinde haben wir erreicht mit dem 'Café der verlorenen Jugend'. Und er ist bei Kritikern außerordentlich geschätzt und beliebt. Jedes Buch wird genau gelesen, und deswegen finde ich so schön, dass er jetzt durch den Nobelpreis einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird."

Die Lektorin Tatjana Michaelis hat die Entscheidung für Modiano ebensowenig erwartet wie ihre Kollegen. Kein einziges Buch von Modiano haben die Münchner mit auf die Frankfurter Messe gebracht.
"Einer unserer herausragenden Autoren"
Überraschend war die Wahl auch für den Korrespondenten der schwedischen Tagsezeitung Sveriges Dagblad, Tomas Lundin.
"Wir hätten gedacht, es könnte vielleicht Alexandra Alexijewitsch sein oder aus Afrika, aus Kontinent, die lange Zeit nicht berücksichtigt wurden. Italiener war gar nicht aufm Radar für uns - Franzose, Entschuldigung."

Bei diesem Namen kann man sich schon mal vertun…

Bei Patrick Modianos französischem Verlag in Halle 6 hält eine Dame eines dieser Bücher mit dem berühmten beigen Gallimard-Cover in der Hand: "Pour que tu ne te perdes pas dans ton quartier" steht als Titel drauf – der neueste Roman Modianos, druckfrisch bei dem französischen Edel-Verlag herausgekommen.

"Damit Du Dich in Deinem Stadtteil nicht verläufst" – so kompliziert wie der Buchtitel ist die Situation für Anne-Solange Noble – ja, sie heißt tatsächlich Noble. Immer wieder betont sie, dass sie ja nur die Abteilung für Übersetzungsrechte leitet. Über die literarische Qualität Modianos könne sie rein gar nichts sagen. "Fahren Sie nach Paris und fragen Sie Antoine Gallimard", ruft sie immer wieder in die Menge. Nur dies lässt sich Madame Noble entlocken:
"Da ist einer unserer herausragenden Autoren. Wir sind sein Verlag seit 1968. Seitdem wird er auch in andere Sprachen übersetzt. Er ist uns treu geblieben und wir sind ihm treu geblieben. Das ist ein absolut wunderbarer Autor."

Außer Nobelpreis auf der Messe heute?

Natürlich: Amazon. Der Online-Händler ist omnipräsent als Thema auf Podien und in Diskussionen.
Cooles Finnland. Heißes Indonesien?
Beim Börsenverein etwa, wo dessen Geschäftsführer Alexander Skipis sich einen Schlagabtausch mit Dieter Schnaus von der Wirtschaftswoche lieferte.
Angstgegner Amazon. Zu dessen Abwehr haben heute auf der Messe mehrere europäische Buchinstitutionen einen gemeinsame Erklärung bekannt gegeben: Kern der Vereinbarung sind ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auch für e-Books, die Buchpreisbindung – und ein Bekenntnis zum Urheberrecht als essentieller Teil der europäischen Kultur. Die beschwor Vincent Monadé, der Präsident des französischen Centre National du Livre:

"Wir müssen alle in Europa zusammenarbeiten, um das Urheberrecht zu schützen. Es handelt sich dabei nicht irgendwie um ein altes Feudalrecht, das die freie Zirkulation der Kultur behindern würde. Es gab schon immer Menschen, die Bücher geschrieben haben, Verlage, die sie herausgebracht und Händler, die sie vertrieben haben. Diese Buch-Kette müssen wir schützen."
14 EU-Staaten haben diese "Absichts-Erklärung" bereits unterschrieben.
[Musik]
Nein, diese Weisen kommen nicht aus Finnland, dem sich so "cool" zeigenden diesjährigen Gastland der Messe. Kaum treibt die Bücherschau ihrer Halbzeit entgegen, da kündigt sich schon die nächste Ausgabe an. 2015 soll Indonesien Ehrengast sein – das wird nicht einfach, denn es gibt auf den unzähligen Inseln Hunderte von Sprachen. Messe-Direktor Jürgen Boos:

"Jetzt ist mir klar geworden, was für ein unfassbares Land Indonesien ist. Das ist unvorstellbar, das viertgrößte Land der Welt... 250 Millionen Menschen… Hunderte von Sprachen in einem Land... Keiner weiß, wie viele es sind."

Dass es kaum Übersetzer für die Sprachen Indonesiens gibt, ist eines der gewaltigsten Hindernisse bei der Beschäftigung mit der Literatur Indonesiens.

Doch solchen Problemen tritt die stellvertretende Kulturministerin Wiendu Nuryanti, die schon jetzt gemeinsam mit Chefköchen und Filmregisseuren zur Ehrengast-Vorstellung nach Frankfurt gekommen ist, mit großem Optimismus entgegen:

"Wir sind sehr stolz, dass wir unsere Kultur nächstes Jahr hier präsentieren können. Für uns ist das hier mehr als eine Buchmesse, sondern eine Art von Kultur-Diplomatie. Wir wollen das neue Indonesien zeigen, das dynamische Indonesien der Zukunft. Wir sehen in diesem Jahr, dass Finnland "cool" ist. Aber ich sage ihnen: Indonesien ist hot!"