Frankfurt am Main

Kulturelles Highlight im Bankenviertel

Passanten gehen am Donnerstag (02.06.2011) in Frankfurt am Main an einer Fensterscheibe vorbei, in der sich das Museum für Moderne Kunst spiegelt.
Das Frankfurter Museum für Moderne Kunst spiegelt sich in einer Fensterscheibe. © picture alliance / dpa / Marc Tirl
Von Rudolf Schmitz · 16.10.2014
In den kommenden 15 Jahren betreibt das Frankfurter Museum für Moderne Kunst miet- und nebenkostenfrei eine Dependance im Bankenviertel. Zu sehen gibt es sperrige Werke, etwa geklonte Männergestalten und Bilder nackter Frauen mit teilnahmslosen Gesichtern.
Ein unübersehbares Stück Kunst steht draußen: die türkisfarbene Schlaufenskulptur von Franz West. Sie reckt ihre Fühler dem neuen Büroturm entgegen: 170 Meter hoch, mit weißem Naturstein verkleidet, ein zweckrationaler Bau des Investors Tishman Speyer und der Commerz Real AG.
Dort, im zweiten Stockwerk, gibt es jetzt noch mehr Kunst. Auf 1500 Quadratmetern, mit einer Deckenhöhe von 3,80 Meter, auf eingezogenen Diagonalwänden und in Kabinetten. Ausschließlich Künstlerinnen: Hanne Darboven, Charlotte Posenenske, Isa Genzken, Katharina Fritsch, Sarah Morris, Vanessa Beecroft. Geballte Frauenpower, alles andere als gefällig. Das hier ist kein Ausverkauf der Kunst, wie bereits geargwöhnt wurde.
Peter Gorschlüter, Vizedirektor MMK: "Es liegt nahe, schnell eine Kapitalismuskritik oder Gentrifizierungsdebatte hier aufkochen zu lassen. Es ist so, dass wir diese Räume hier 15 Jahre lang miet- und nebenkostenfrei nutzen können, für uns wäre eine Erweiterung in Zeiten kulturpolitischer Sparpolitik in den nächsten Jahren nicht möglich gewesen. Dass der Gebäudeinhaber davon auch profitiert, dass es hier eine kulturelle Nutzung gibt, die attraktiver ist als ein weiteres Fitnesscenter oder eine weitere Shopping-Mall – das, finde ich, kann man ihm wirklich nicht ankreiden."
Tisch mit 32 mal geklonter Männergestalt
Die entscheidende Frage war eher, ob Frankfurts Museum für Moderne Kunst überhaupt jemals mehr als zehn Prozent seiner Sammlung würde zeigen können. Durch die Dependance des Museums im neuen Taunusturm stehen die Chancen jetzt deutlich besser. Private public partnership funktioniert in Frankfurt seit den frühen 90er Jahren, als der Geldhahn für die Kultur zugedreht wurde.
Der künftige Museumsbetrieb im neuen Privatquartier ist über Stiftungsgelder weitgehend gesichert. Das MMK 2, so heißt die neue Spielstätte, wird zweimal im Jahr vor allem Neuerwerbungen zeigen. Und seit Susanne Gaensheimer Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst ist, sind viele Werke von Künstlerinnen dazu gekommen.
Und das ist nicht selten sperrige Kost. Zum Beispiel der Film von Vanessa Beecroft, der nackte oder spärlich bekleidete junge Frauen bei einer Performance zeigt. In High Heels, mit Perücken, falschen Wimpern, und trotz aller Nacktheit mit völlig teilnahmslosen Gesichtern. Hier werden kursierende Bilder von Weiblichkeit sowohl vorgeführt als auch demontiert. Die "Tischgesellschaft" von Katharina Fritsch, jener endlos wirkende Tisch mit der 32 mal geklonten Männergestalt, wird hier im Taunusturm begleitet von den Kriegsfotos der Anja Niedringhaus. Ein beklemmender Dialog, der für ganz neue Interpretationen sorgt.
Peter Gorschlüter: "Es ist ein Bild der Macht und auch der Ohnmacht gleichzeitig, heute werden viele politische Entscheidungen an der langen Tafel getroffen in großen internationalen Konferenzen. Welche Auswirkungen das auf den Menschen hat, wird oftmals nicht bedacht. Und in der Konfrontation dieser skulpturalen Arbeit von Katharina Fritsch und den Kriegsfotografien von Anja Niedringhaus kommt das sicherlich noch mal zum Tragen, zu sehen: Was passiert eigentlich mit den Menschen vor Ort in diesen Kriegsgebieten?"
Neues Lebensgefühl im Bankenviertel?
Wenn in einer Vitrinenarbeit von Andrea Büttner die farbigen Papiere auftauchen, in die Geldmünzen eingewickelt werden oder in einer Installation von Tamara Grcic die schwindelerregenden Zahlen von Kunstauktionen ertönen, dann lässt sich schwerlich von marktgängiger Kunst sprechen. Im Gegenteil. Hier wird dem Publikum etwas zugemutet. Und das ist gut so. Denn diese Museumsdependance im Bankenviertel wird zweifellos neue Publikumsschichten erschließen. Ingrid Prattler jedenfalls, die das ganze Projekt koordinatorisch betreut hat, ist davon überzeugt:
Ingrid Prattler: "Ich finde, es ist eine einmalige, ungewöhnliche Situation, die ich auch sonst nirgends kennengelernt oder gesehen habe, deutschland- und europaweit das erste Mal, dass so etwas zusammengeht: Bürohaus und Kunst. Ich finde, es bietet viele Möglichkeiten, sich gegenseitig zu bereichern, dass auch die Leute, die hier arbeiten, einen ganz anderen Blick auf die Kunst bekommen und vielleicht auch denken: Das Museum ist nebenan, da geh ich jetzt mal hin, das kann man jetzt auch mal in der Mittagspause machen."
Ob die Dependance des Museums für Moderne Kunst ein neues Lebensgefühl ins Bankenviertel trägt? Bleibt abzuwarten. Aber kompromittiert hat sich das Museum damit auf keinen Fall. Dazu ist die hier gezeigte Kunst einfach zu widerborstig.
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