Frankfurt am Main

Der lange Weg zur Rabbinerin

Die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck
Die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck © dpa / picture alliance / Becker
Von Lisa von Prondzinski  · 23.05.2014
Einst arbeitete sie als Journalistin für die "taz", dann wurde Elisa Klapheck auf Umwegen zur Rabbinerin. In ihrer Gemeinde in Frankfurt am Main bemüht sie sich um ein aktiveres Judentum - das sich auch in aktuelle politische Fragen einmischt.
Um Elisa Klapheck herum sitzen rund 15 Frauen und Männer. Die Gläubigen kommen jeden Freitagabend in die liberale jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main, um mit der Rabbinerin biblische Texte zu deuten.
Im Gespräch mit der 51-jährigen Rabbinerin spürt man ihre starke Präsenz. Elisa Klapheck ist eine von fünf Frauen in diesem Amt in Deutschland. Kämpfe gegen männliche Kollegen muss sie nicht austragen. Liberale und orthodoxe Rabbiner seien kollegial:
"Wir sitzen im selben Boot, wir wollen gelebte jüdische Religion. Das ist schwer heute zu vermitteln. Und mit dem Problem kämpfen genauso orthodoxe Rabbiner wie liberale Rabbiner."
Ihr Weg immer tiefer in die Religiosität war für die in Düsseldorf geborenen Elisa Klapheck lang und einsam, sagt sie selbst. Dass sie ihn trotzdem gegangen ist, hat sie auch ihrer Herkunft zu verdanken. Denn sie ist in einem familiären Umfeld aufgewachsen ...
"... wo das gefördert wurde, sich treu zu sein, sich zu trauen, was zu wagen, nicht im Mainstream zu bleiben."
Schon als Kind befasst sie sich mit der Schoah
Eine ihrer Großmütter gehörte zu den ersten Studentinnen in Deutschland. Der Vater, Konrad Klapheck, ist Künstler. Mit neun Jahren hat Elisa Klapheck ein Schlüsselerlebnis: Bei einem Streit ohrfeigt sie ihren kleineren Bruder. Die Mutter ist erschüttert und sagt: So hätten sich auch die Nazis gegenüber Schwächeren verhalten. Deshalb zeigt sie der Tochter Fotos und Bildbände über die Schoah:
"Ich hab das alles gesehen. Und meine Mutter war außer sich. Sie wusste wahrscheinlich selber nicht, was sie tat. Aber es brach etwas in ihr hervor. Mein Großvater, also der Vater meiner Mutter, ist deportiert worden nach Auschwitz, als sie neun war. Und von dem Moment an konnte ich nicht mehr anders sein als Jüdin."
Danach ist das Mädchen geradezu besessen von der Schoah, konfrontiert ihre Mitschüler damit:
"Ich habe natürlich auch in aller Brutalität gesagt, was passiert ist in der Nazi-Zeit."
Einen Teil ihrer Jugend verbringt Elisa Klapheck dann in den Niederlanden, studiert später in Deutschland Politologie und wird Journalistin. Als es sie nach Israel zieht, wird ihr allerdings rasch klar, dass dort nicht ihre Zukunft liegt. In Berlin arbeitet sie unter anderem für die Tageszeitung "taz". Neben ihrer Arbeit setzt sie sich weiterhin mit ihrem Glauben auseinander:
"Ich bin bisschen religiös vielleicht gewesen, aber nicht sehr. Aber doch, es ließ mich nicht los: Und ich habe mich immer dafür interessiert, ich habe die Bibel auf Hebräisch gelesen mit Freundinnen zusammen. Ich habe mich nicht für religiös gehalten, aber es hat mich doch festgehalten. Ich habe noch mal Judaistik studiert. Bis ich mir dann eingestehen musste, dass ich ein religiöser Mensch bin."
Elisa Klapheck bleibt auch als Rabbinerin ein politischer Mensch
Aber eben auch ein politischer Mensch. Und deswegen war es für Elisa Klapheck immer wichtig, die jüdische Kultur zu erneuern. Darin sollten auch Frauen als Rabbinerinnen eine Rolle spielen. An sich selbst hat Elisa Klapheck dabei zunächst nicht gedacht. Erst vor zehn Jahren wurde sie in den USA zur Rabbinerin ordiniert. Im Jahr darauf wird sie die erste Frau, die dieses Amt in den Niederlanden bekleidet. Die kleine progressive Gemeinde entschied sich aus guten Gründen für sie:
"Ich sprach die Sprache. Damit meine ich nicht Holländisch. Ich sprach die Sprache der Juden, die in Europa lebten, die immer noch geblieben sind und die etwas Neues aufbauten. Eben die erste Generation danach, die wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen hat. Und das ist die Sprache meiner Generation, die nach dem Holocaust wieder etwas Positives aufbaut."
Seit 2009 ist sie Rabbinerin der jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Ein aktiveres Judentum, eines das sich traut, mehr in die aktuellen Fragen wie Globalisierung und Bildung einzumischen, ist eines ihrer Ziele. Sie selbst hat unter anderem den Verein zur Förderung der angewandten jüdischen Wirtschafts- und Sozialethik mitgegründet. Auf die Frage, ob sie inzwischen dort steht im Leben, wo sie hinwollte, antwortet Elisa Klapheck :
"Ich habe diese Momente, immer wieder anzukommen. Deswegen weiß ich, dass es richtig ist, was ich mache."