François-Xavier Roth dirigiert Camille Saint-Saëns

Sinfonische Orgel und ägyptisches Klavier

Der Franzose Francois-Xavier Roth dirigiert.
Der Künstlerische Leiter des Kölner Gürzenich-Orchesters, François-Xavier Roth © picture alliance / Patrick Seeger
16.12.2016
Saint-Saëns total: Das Kölner Gürzenich-Orchester und François-Xavier Roth widmen dem französischen Komponisten ein ganzes Konzertprogramm. Dabei erklingt die "Orgelsinfonie" erstmals in einer neuen Lesart.
"Wenn eine Sinfonie die Ehre beanspruchen darf, diese Form erneuert zu haben, dann wäre das meine Sinfonie in c" – selbstbewusste Worte von Camille Saint-Saëns über seine "Orgelsinfonie". Hier gesellt sich zum farbenprächtigen Orchester immer wieder eine Orgel – musikalisch, logistisch und technisch ein außerordentlich anspruchsvolles Werk.
Neben dem "Karneval der Tiere" ist die sogenannte Orgelsinfonie das heute bekannteste Werk von Camille Saint-Saëns (1835-1921). Das ist einerseits schade, denn das gewaltige Schaffen des französischen Komponisten birgt weit mehr Schätze als diese beiden Werke, wovon auch der erste Teil dieses reinen Saint-Saëns-Abends zeugen wird. Andererseits ist das Interesse an einem Stück wie der "Orgelsinfonie" nur allzu verständlich, bietet diese Musik doch nicht nur eine spektakuläre Besetzung, sondern auch – für die Entstehungszeit 1885/86 – außergewöhnliche Einfälle und Klangfarben.
Die Besonderheit dieses Werkes beginnt schon damit, dass es überhaupt existiert: Im 19. Jahrhundert interessierten sich die meisten französischen Komponisten vor allem für die Oper, nicht so sehr für Sinfonien oder Solokonzerte – sie ignorierten also jene Gattungen, die rechts des Rheins als die wichtigsten galten. Zwar schrieb auch Saint-Saëns ein gutes Dutzend Opern, in die Geschichte eingegangen ist er aber als Komponist sinfonischer Musik, der in seiner Heimat zwischen allen Stühlen saß. Zugleich war er einer der bedeutendsten Klavier- und Orgelvirtuosen seiner Zeit, der zwanzig Jahre lang an der großen romantischen Cavaillé-Coll-Orgel in der Pariser Madeleine-Kirche seinen Dienst tat. In diesem Sinne ist auch Saint-Saëns’ "Orgelsinfonie" zu verstehen – allerdings ergibt die Verbindung von sinfonischer Orgel und orgelhafter Sinfonik hier eine neue, unverwechselbar französische Klangfarbe.
An diesem Abend kann der Dirigent François-Xavier Roth nicht nur den ausgewiesenen Experten für französisches Klavierrepertoire, Jean-François Heisser, auf dem Podium der Kölner Philharmonie begrüßen. In der "Orgelsinfonie" kommt es dann zur denkwürdigen Begegnung des Kölner Generalmusikdirektors mit seinem Vater, dem großen französischen Organisten Daniel Roth. Er ist Titularorganist in der Pariser Saint-Sulpice-Kirche, deren ebenfalls von Aristide Cavaillé-Coll erbaute Orgel inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Und noch etwas: Erstmals wird die "Orgelsinfonie" in der neuen Edition von Michael Stegemann aufgeführt. Der Dortmunder Musikwissenschaftler eröffnet damit zugleich die historisch-kritische Ausgabe sämtlicher Instrumentalwerke von Saint-Saëns, die im Bärenreiter-Verlag erscheinen wird. Geplant sind insgesamt 36 Bände mit mehr als 300 Kompositionen. Grund genug, Michael Stegemann – Stammgast unserer Sendereihe "Interpretationen" – ins Studio zu bitten und ihn zu diesem musikologischen Mammutprojekt zu befragen. Stegemann krönt damit eine jahrzehntelange wissenschaftliche Arbeit, die er 1984 mit seiner Dissertation über Saint-Saëns begonnen hat.
Kölner Philharmonie
Aufzeichnungen vom 11. bis 13. Dezember 2016
Camille Saint-Saëns
"Danse macabre". Poème symphonique g-Moll op. 40
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 F-Dur op. 103 "Ägyptisches Konzert"
ca. 20.50 Uhr Konzertpause, darin: "Ich bin die Zukunft gewesen" – Camille Saint-Saëns
Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Michael Stegemann über die Arbeit an einer Saint-Saëns-Werkausgabe
Camille Saint-Saëns
Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 "Orgelsinfonie"

Jean-François Heisser, Klavier
Daniel Roth, Orgel
Gürzenich-Orchester Köln
Leitung: François-Xavier Roth