Fragwürdige Inthronisierung

Von Bernd Ulrich · 28.03.2010
Heute vor 75 Jahren erlebte der Reichsparteitagsfilm "Triumph des Willens" seine Uraufführung im Berliner Ufa-Palast. Regisseurin Leni Riefenstahl war ebenso anwesend wie der Protagonist ihres das NS-Regime verherrlichenden Werkes: Adolf Hitler. Dessen Gleichsetzung mit einem göttlichen, überirdischen Wesen war das Hauptanliegen des Films.
Adolf Hitler tritt in diesem Film, so Joseph Goebbels, "in die Erscheinung". Manchen mag das an die in der Luther-Bibel beschworene "selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes" erinnern. Und Goebbels hatte genau das im Sinn – nämlich Hitler ins Gottgleiche zu erheben. Nur leitete er es bei der Verleihung des nationalen Filmpreises an Leni Riefenstahl für ihren Reichsparteitagsfilm "Triumph des Willens" keineswegs christlich her:

"Dieser Film stellt eine ganz große Leistung im gesamtfilmischen Schaffen des Jahres dar. Er bringt in monumentalen, nie gesehenen Bildern das hinreißende Geschehen unseres politischen Lebens. Er ist die große filmische Vision des Führers, der hier zum ersten Male bildlich in nie gesehener Eindringlichkeit in die Erscheinung tritt."

Mit der "filmischen Vision des Führers" hatte Leni Riefenstahl, so die Filmhistorikerin Kristina Oberwinter,

"den Film schlechthin über Adolf Hitler geschaffen. Er wurde als gültige Darstellung des NS-Regimes angesehen und ist ohne Nachfolger geblieben. Die Apotheose des 'Führers' und der formierten Masse werden als prägnante Bestandteile der Machtsymbolik und des nationalsozialistischen Erhabenheitsgestus greifbar."

Genial geschnitten aus über 60 Stunden Filmmaterial, entstanden mithilfe von über 120 Mitarbeitern und 16 Kamerateams, geschickt musikalisch untermalt, persönlich beauftragt vom Führer, in dessen Beisein auch die Premiere am 28. März 1935 im Berliner Ufa-Palast stattfand, sollte der Zuschauer, so das Ufa-Informationsheft zum Kinostart Anfang April

"nicht nur sehen und hören, er soll die innere Größe und Monumentalität des nationalsozialistischen Gedankens empfinden und erleben."

Das hat durchaus funktioniert. Auch wenn heute vieles davon nur noch komisch oder grotesk erscheint:

"Kamerad – woher stammst Du? Von de Waterkant! Vom Schwarzwald! Aus Dresden! Von der Donau! Vom Rhein! Und von der Saar! Ein Volk, ein Führer, ein Reich: Deutschland!"

Hitler ist in diesem Propagandafilm allgegenwärtig. Noch bevor er in Nürnberg mit dem Flugzeug landet, skizziert Riefenstahl ihn in der Eingangsszene gleichsam wie geschickt von der oft bemühten "Vorsehung" als eine Art Messias:

"Das Flugzeug, der Führer kommt. Als der Riesenvogel endlich über dem Flugplatz steht, ist die erwartungsvolle Spannung der Tausenden aufs höchste gestiegen. Glocken rufen ins Land, Aufmarsch der SA und SS, Fahnenwald, Vorbeimarsch vor dem Führer. Der Führer."

Über Leni Riefenstahls Gesinnung zu dieser Zeit und zuvor besteht kein Zweifel. Sie war fasziniert von Hitler, den sie vermutlich im Mai 1932 zum ersten Mal traf, und überzeugt von der NS-Ideologie. Das Ende Januar 1933 an die Macht gelangte Regime eröffnete ihr rasch neue, verheißungsvolle Karriereperspektiven. Dabei war klar, so Goebbels,

"Gesinnung ist gut, aber zur großen Gesinnung muss auch das hervorragende Können kommen."

Leni Riefenstahl , geboren 1901, gehörte zur Kriegsjugendgeneration der nach 1900 Geborenen, die den Ersten Weltkrieg nach einem Worte Sebastian Haffners "als dunkles, geheimnisvolles Spiel" erlebten und aus deren Reihen sich die "eigentliche Generation des Nazismus" rekrutierte.
Die Tochter eines Installateurs war Schauspielerin, Tänzerin und schließlich Regisseurin. Nach ihrer Entnazifizierung wurde sie zur spät berufenen Taucherin, Nuba-Fotografin und zum Greenpeace-Mitglied. Zeit ihres langen, über 100-jährigen Lebens sah sie sich als die widerstrebende, zwar von den Nazis hofierte, immer aber auf ihrer künstlerischen Freiheit bestehende Filmästhetin. Alles andere - ihre Rolle als Propagandistin und ihre Verharmlosung des Regimes - verschwand "im Nichts", schreibt der künstlerische Direktor der Deutschen Kinemathek Rainer Rother in seiner Riefenstahl Biografie. Und er fährt fort:

"Riefenstahl hat ihre Zuschauer nie aufrütteln, nie provozieren wollen. Ihre Kunst zielte auf einen anderen Effekt; ob mit dem 'Erlebnis von Nürnberg' oder der 'Schönheit im olympischen Kampf': Riefenstahl wollte ihr Publikum verführen."

Das ist durchaus doppeldeutig gemeint – und doch eindeutig in der Beurteilung ihres Werkes.