Frage des Tages

Wie groß ist der Zorn der türkischen Künstler?

Besucher vor der Atlas Kino Halle in Istanbul, wo ein Teil des Istanbuler Filmfestivals stattfindet.
Besucher vor der Atlas Kino Halle in Istanbul, wo ein Teil des Istanbuler Filmfestivals stattfindet. © picture alliance / dpa / Sedat Suna
Stephan Karkowsky im Gespräch mit Ingo Arend · 14.04.2015
Wegen staatlicher Zensurmaßnahmen haben mehrere Regisseure ihre Beiträge zum Wettbewerb des "Istanbul Film Festival" zurückgezogen. Dem war ein Verbot eines Films über die kurdische Arbeiterpartei PKK vorausgegangen. Die Künstler in der Türkei seien zunehmend verzweifelt, sagt Kunstredakteur Ingo Arend.
Der Wettbewerb des alljährlichen "Istanbul Film Festivals" ist nach dem Boykott mehrerer Regisseure wegen staatlicher Zensurmaßnahmen abgesagt worden. Zuvor hatte die türkische Regierung die Aufführung eines Films über die kurdische Arbeiterpartei PKK verboten. Daraufhin zogen mehrere Regisseure ihre Beiträge aus Protest zurück.
Mittlerweile gebe es als Folge der Zensurmaßnahmen eine "indirekte Macht der Kunst", so hat es Ingo Arend beobachtet, Kunstredakteur der "taz" und Kenner der türkischen Kulturszene.
"Seit Beginn der neunziger Jahre ist es ihnen gelungen, eine subtile Umcodierung aller wichtigen türkischen Tabu-Themen vorzunehmen. Insbesondere der Bildenden Kunst ist es eben gelungen, Identitätskonflikte mit alternativen Codes auszudrücken."
Für Fragen zur Auseinandersetzung mit der türkischen Nation, mit den nationalen Minderheiten oder dem Verhältnis der Geschlechter habe man eine "alternative Ästhetik" entwickelt. Für die Regierung sei das natürlich ein "Dorn im Auge".
Die Verzweiflung der Künstler
Seit dem Wahlsieg Tayyip Erdogans sei die Verzweiflung unter Künstlern besonders groß, sagte Arend:
"Weil jetzt eben die Daumenschrauben besonders angezogen werden."
Im Vorfeld der Anfang Juli stattfindenden Parlamentswahlen dürfe man nicht unterschätzten, dass eine "gewisse moralische Erosion der AKP-Regierung " stattfinde, meinte Arend:
"Und dass viele Leute, auch eher konservativ gesinnte Leute, mit dem derzeitigen Kurs der Regierung nicht mehr zufrieden sind. Einerseits wegen der repressiven Maßnahmen, andrerseits wird über Hetzkampagnen gegen Schauspieler oder Auftrittsverbote versucht, eine Politik der Nadelstiche durchzusetzen. Das setzt den meisten Leuten doch sehr stark zu."
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