Frage des Tages

Warum macht es Spaß, anderen beim Computerspielen zuzusehen?

WM-Finale des Computer-Spiels "League of Legends" in Berlin
WM-Finale des Computer-Spiels "League of Legends" im Oktober in Berlin, das von Tausenden Fans live mitverfolgt wurde. © picture alliance / dpa / Foto: Paul Zinken
Marcus Rautzenberg im Gespräch mit Timo Grampes · 27.11.2015
"Let's play"-Videos sind Videos, in denen man anderen beim Spielen von Videogames zuschauen kann. Die Gamer kommentieren und erklären ihre Spielzüge. Die Begeisterung dafür sei mit dem Begriff "delegiertes Genießen" zu erklären, sagt der Psychologe Marcus Rautzenberg.
Neueste Ergebnisse der JIM-Studie 2015 zeigen, dass viele Jugendliche nach Musikvideos und lustigen Clips vor allem "Let's Play"-Videos schauen. Aber warum macht es Spaß, anderen beim Spielen zuzusehen, anstatt selbst zur Konsole zu greifen?
Der Gameforscher und Philosophen Marcus Rautzenberg von der FU Berlin hat eine zunächst paradox klingende Erklärung für diese Begeisterung: Man müsse nämlich das Spiel nicht selbst spielen, so sagte er im Deutschlandradio Kultur.
"Das hat eine gewisse psychologische Logik. Denn diese Spiele, die da gespielt werden und denen man zuschaut, sind heutzutage relativ komplex. Also man muss das ziemlich gut können, um etwas davon zu haben. Und da ist es mitunter sehr frustrierend, sie selber zu spielen. Wenn man zugucken kann, hat man im Prinzip alle positiven Erlebnisse des Spielens, ohne selbst die Frustrationserlebnisse mitmachen zu müssen."
"Interpassivität" statt "Interaktivität"
Dafür gebe es in der psychoanalytischen Medientheorie den Begriff der "Interpassivität". Er sei als ein polemisches Gegenstück zur "Interaktivität" entwickelt worden sei, erläuterte Rautzenberg:

"Um zu zeigen, dass eben nicht nur die ständige Interaktivität ein wichtiger Faktor des Computerspiels oder generell der Medienteilhabe ist, sondern es ist etwas, was diese Theorierichtung 'delegiertes Genießen' nennt."
Das sei ein relativ komplexer psychologischer Vorgang, so Rautzenberg und führte als Beispiel amerikanische Sitcoms mit eingeblendetem "Gelächter aus der Dose" nach den Pointen an. Dort werde einem das Lachen quasi "medial abgenommen":

"Das ist ein delegiertes, also an ein anderes Medium abgegebenes Lachen und Genießen. Das hat psychologisch sehr viel Sinn. Weil die emotionale und affektive Anstrengung bei solchen Vorgängen nicht mitgemacht werden muss, aber der Effekt – also das Lustige und der Witz – trotzdem vorkommen. Und genauso ist das auch beim Spielen."


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