Frage des Tages

Sind die Medien überfordert mit der Katastrophe auf dem Mittelmeer?

Einer der Initiatoren von "Sea Watch", Harald Höppner, posiert in dem Fischkutter "Sea Watch Go-46" im Harburger Hafen bei Hamburg.
Der "Sea Watch"-Aktivist Harald Höppner brachte die Talkshow von Günther Jauch und unsere Sehgewohnheiten durcheinander - mit einer erzwungenen Schweigeminute © picture alliance / dpa / Malte Christians
Jo Gröbel im Gespräch mit Gesa Ufer · 20.04.2015
Am Sonntagabend setzte der Studiogast Harald Höppner in der Talkshow von Günther Jauch eine Schweigeminute für die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge durch. Der Medienpsychologe Jo Gröbel hat die Szene mit "Faszination und Grauen" zugleich verfolgt.
Es war eine dieser typischen Sonntag-Abend-Post-Tatort-Talkshows: Günther Jauch verhandelte das drängende Thema des Wochenendes, den Tod hunderter Flüchtlinge im Mittelmeer, im routinierten Rahmen. "Das Flüchtlingsdrama, was ist unsere Pflicht?" war die Frage. Und es gab wenig überraschend die üblichen Konfliktlinien und Streithähne.
Auf der einen Seite die "Das Boot ist voll" – Rhetorik, vorgetragen vom konservativen Schweizer Journalisten Roger Köppel. Auf der anderen Seite in Gestalt Heribert Prantls von der Süddeutschen Zeitung der dringende Appell an die Politik, nicht länger tatenlos zuzusehen und unverzüglich Menschenleben zu retten.
In den letzten Minuten allerdings geriet die Talkshow aus dem Ruder. Harald Höppner, ein Studiogast, der ein Schiff und zahlreiche Rettungsinseln gekauft hat und jetzt auf eigene Faust Flüchtlinge im Mittelmeer retten will, wehrte alle Fragen Günther Jauchs ab und setzte eine Schweigeminute für die ertrunkenen Flüchtlinge durch.
Nach der Sendung war der Zuschauer noch ratloser als zuvor
Ein bewegender oder bizarrer Moment? Der Medienpsychologe Jo Gröbel sagt, er habe die Szene mit einer Mischung aus Faszination und Grauen wahrgenommen. Einerseits sei die Schweigeminute seltsam gewesen, andererseits aber auch "der wahrste Moment" der Sendung.
Auf die Leitfrage der Sendung gab es letztlich keine Antwort. "Wir sind noch ratloser rausgegangen, als wir reingegangen sind", sagt Gröbel. Was hätte Jauch besser machen können? Im Grunde nichts, seine Unsicherheit während der Schweigeminute sei dem Thema gerecht geworden, so der Medienpsychologe. Die Talkshow sei ein Beispiel dafür gewesen, dass das Fernsehen manchmal versucht, etwas durch Reden in den Griff zu kriegen, für das es "kurzfristig nichts Greifbares" gibt.
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