Fracking

Angst vor Probebohrungen

Von Claudia Plaß  · 02.12.2013
Das Wort Fracking schreckt die Menschen in Norddeutschland auf - es bezeichnet eine Methode zur Erdgasförderung. Viele Politiker und Bürger sind sich einig: Mit dem Verfahren droht eine Verseuchung des Grundwassers. Energiekonzerne argumentieren hingegen mit mehr Unabhängigkeit von russischem Gas.
Es ist ein kühler und windiger Herbsttag in Hamburg. In den Vier- und Marschlanden wiegen sich die Bäume im Wind. Dietmar Götz lässt den Blick durch einen Drahtzaun über die weiten Wiesen schweifen. Der Zaun begrenzt ein Wasserschutzgebiet. Kilometerweit erstreckt es sich durch den Hamburger Südosten. Aber die Idylle trügt. Dietmar Götz befürchtet, dass das Trinkwasser verseucht wird, sollten hier Pläne umgesetzt werden, nach Erdgas zu bohren - mit der Methode des Frackings. Götz ist deshalb Mitglied der Bürgerinitiative Fracking-Freies Hamburg:
"Direkt im Wasserschutzgebiet ist ja Fracking ausgeschlossen. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Wenn am Rande des Wasserschutzgebietes, dort, wo das direkt geschützte Gebiet aufhört, gefrackt wird, dann sind die Auswirkungen auf das Wasserschutzgebiet überhaupt nicht zu vermeiden."
Fracking - das Wort lässt immer mehr Bürger in Norddeutschland aufschrecken. Fracking steht für "Hydraulic Fracturing" und bezeichnet eine Methode, mit der Erdgas gefördert wird. Dabei wird Wasser mit Sand und einem Gemisch aus Chemikalien mit großem Druck in die Erde gepresst, und zwar in sogenannte unkonventionelle Lagerstätten in tiefen Schiefer-Gesteinsschichten. Das Wasser-Sand-Chemikalien-Gemisch bricht das Gestein auf, das Erdgas entweicht und strömt nach oben. In den USA werden so seit Jahren Milliarden Kubikmeter Schiefer-Gas gefördert.
Von einem wahren Fracking-Boom ist dort die Rede, mit sinkenden Gaspreisen und Tausenden neuen Arbeitsplätzen. In Europa aber überwiegt die Skepsis, vor allem in Deutschland. Experten vermuten Schiefergas-Vorkommen in vielen Regionen Europas, darunter in Portugal, im südöstlichen Frankreich, in Paris, in den baltischen Ländern, in Ungarn und Rumänien und eben auch in Norddeutschland.
Sauberes Wasser erhalten
Ungeklärt ist hauptsächlich die Frage, ob das Grundwasser beeinträchtigt wird. Eine Frage, die sich auch Bärbel Rieck und Klaus Budick stellen. Sie machen sich Sorgen um die gesamte Region Vier- und Marschlande:
"Meine Aufgabe sehe ich darin, meinen nachfolgenden Generationen sauberes Wasser zu erhalten. Und das kann man nur machen, indem man sich für eine Sache einsetzt, wenn man mitkriegt, dass Firmen nichts weiter im Sinn haben, als hier Unsinn zu treiben. Und das ist, indem sie eben versuchen, hier Fracking zu machen und uns das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes abgraben wollen."
"Allein dass die Menschen hier ein Naherholungsgebiet haben. Junge Familien mit Kindern, viele Radfahrer, die kommen ja nicht umsonst hier hin, sondern weil es einfach ein schönes Gebiet ist. Das kann man doch nicht kaputtmachen."
Was Bärbel Rieck als Unsinn bezeichnet, ist für den Energiekonzern Exxon Mobil ein zukunftsweisendes Konzept. Das Unternehmen erkundet derzeit neue Erdgas-Vorkommen. Ende vergangenen Jahres hatte Exxon Mobil die bergrechtliche Erlaubnis erhalten, in den Hamburger Bezirken Harburg und Bergedorf - dazu gehören die Vier- und Marschlande - auf einer Fläche von rund 150 Quadratkilometern nach Kohlenwasserstoffen zu suchen.
Die "Aufsuchungserlaubnis Vierlande", so die offizielle Bezeichnung, ist drei Jahre lang gültig, bis Ende 2015. Ritva Westendorf Lahouse, Pressesprecherin bei Exxon Mobil, betont, man wolle zunächst historische Daten analysieren und dann ein neues geologisches Modell für die Vier- und Marschlande erstellen. Fracking sei in dieser Zeit nicht geplant.
"Der Begriff Erlaubnis ist irritierend - eine Erlaubnis ist nichts weiter als eine Art Konkurrentenschutz, die es nur mir ermöglicht, in einem bestimmten Gebiet überhaupt Anträge zu stellen. Das war es dann aber auch schon mit der Erlaubnis. Das heißt, für jede Maßnahme, die ich durchführen wollen würde, eine Bohrung, eines Seismik oder womöglich eine Frack-Maßnahme, müsste ich einen gesonderten Antrag stellen. Faktisch haben wir bis 2015, solange wie die Erlaubnis läuft, gar nichts vor."
Erst nach Auswertung der Daten, so Westendorf-Lahouse, könne entschieden werden, ob, und wenn ja, wo eine Erkundungsbohrung möglich ist.
Die Aufsuchungserlaubnis hat eine Diskussion auch in der Hamburger Politik ausgelöst. Der Senat hatte dem Antrag von Exxon Mobil stattgegeben - gegen die Bedenken der Umweltbehörde. Aus Sicht des Senats ist Fracking in Hamburg aber sehr unwahrscheinlich, weil Exxon Mobil, wie es heißt, erst eine Reihe von Problemen lösen müsste. Dazu gehören Fragen zum Naturschutz, zum Wasserhaushalt und zur Siedlungssicherheit.
Protest gegen Fracking
Protest gegen Fracking© picture alliance / dpa / Martin Schutt
Hamburg, Ende August. Mehrere hundert Menschen demonstrieren am bundesweiten Anti-Fracking-Tag in der Innenstadt. "Dies Land ist Dein Land" - ein Song, geschrieben von einem Mitglied der Bürgerinitiative, dröhnt aus den Lautsprechern. Martin Struß führt mit seinem Trecker den Demonstrationszug an. Auf dem Anhänger ist ein selbst gebauter, weißer Turm montiert:
"Das ist ein Bohrturm, der den Bohrturm für die Fracking-Bohrung darstellen soll. Ja, in den Viermarschlanden sind wir davon betroffen vom Fracking. Bis jetzt wird es noch nicht gemacht, aber die Genehmigungen sind da, sie könnten eigentlich anfangen - und das wollen wir verhindern."
Aber nicht nur aus dem Hamburger Südosten sind die Menschen zur Demonstration in die Innenstadt gekommen.
"Ich gehe mit, weil ich kein Gift in unserer Erde haben will. Weil, auf lange Sicht ist Fracking einfach nur schädlich. Lieber lange eine intakte und saubere Umwelt als kurzfristig ein bisschen Geld für billiges Gas." - "Ich bin dabei, weil ich finde, Trinkwasser ist ein wichtiges Gut, und es sollte nicht durch Methoden wie Fracking versaut werden" - "Ich denke, wir können mit der Energie auskommen, die wir jetzt haben und müssen die Erde nicht bis aufs Letzte auspressen"
Auch in Niedersachsen und Schleswig Holstein dürfen Unternehmen prüfen, ob die Förderung von Erdgas durch Fracking sinnvoll ist. Die zuständige Behörde, das Landesamt für Bergbau und Energie, hat in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Harburg Aufsuchungserlaubnisse erteilt. Exxon Mobil-Sprecherin Westendorf Lahouse weist darauf hin, dass ihr Unternehmen bei der konventionellen Erdgas-Förderung bereits jahrzehntelange Erfahrung mit der Fracking-Methode habe.
"Neu ist, dass wir das Verfahren einsetzen wollen in unkonventionellen Gesteinsformationen, was man langläufig als Schiefergas bezeichnet.
Wir haben in Niedersachsen bislang fünf Erkundungsbohrungen gemacht, nur eine davon ist gefrackt worden, wir haben konkrete Planungen für drei weitere Projekte."
Und zwar im Kreis Osnabrück, in der Nähe von Diepholz und am Steinhuder Meer. Aber bevor Anträge auf Erkundungen an das Landesbergamt gehen, will das Unternehmen Hausaufgaben machen, wie es heißt. Nach einem sogenannten Info-Dialog-Fracking hatten Wissenschaftler Empfehlungen ausgesprochen. Darin heißt es unter anderem, dass Trinkwasser- und Gewässerschutz Priorität vor der Energiegewinnung haben müssten. Jetzt wolle Exxon Mobil unter anderem daran arbeiten, dass die Flüssigkeit, die in die Erde gepresst wird, nicht giftig ist.
"Im Bereich Schiefergestein sprechen wir ohnedies nur von rund 0,2 Prozent Anteil von Chemie in der Fracking-Flüssigkeit, und trotzdem wollen wir diesen ganz geringen Anteil weiter verbessern und arbeiten daran, dass wir in Zukunft völlig verzichten können auf Einzelkomponenten, die in Reinform giftig oder umweltgefährdend wären."
Für neue Aufregung aber sorgt das Projekt Bötersen Z11, eine Bohrstelle im niedersächsischen Kreis Rotenburg / Wümme. Dort plant Exxon Mobil eine Frack-Maßnahme. Ein entsprechender Genehmigungsantrag werde derzeit überarbeitet. Bürgerinitiativen befürchten, dass Exxon Fakten schaffen will, und zwar, bevor eine mögliche Gesetzesänderung sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfungen vorsieht. Exxon-Sprecherin Westendorf-Lahouse weist die Vorwürfe zurück. Bereits 2011 sei die Öffentlichkeit über die Pläne informiert worden.
Viele Bürger und Politiker sind skeptisch
Überall in Norddeutschland stößt Fracking auf Widerstand. Zu der Sorge um die Verseuchung des Grundwassers kommt die Angst vor Erdbeben. Wie konkret diese Angst ist, zeigt das Beispiel Völkersen, 30 Kilometer südöstlich von Bremen. Dort fördert das Unternehmen RWE Dea Erdgas. Vor knapp einem Jahr bebte in der Region die Erde. Viele Bürger, darunter Werner Ödding, stellten Risse an ihren Häusern fest:
"Bei uns haben sie direkt unter das Gebäude gebohrt. Wir haben das schon immer gehört, wenn wir in der Stube saßen, dieses Rumoren im Boden. Und meine Frau sagt: Da kommen überall Risse. Und da hatten wir die Risse hauptsächlich im ersten Obergeschoss. Und jetzt, beim Erdbeben, sind Risse unten gekommen."
Ob ein Zusammenhang mit der Erdgasförderung besteht, ist allerdings noch nicht geklärt. Die Bürgerinitiative gegen Fracking ist sich sicher, dass die Arbeiten an der Erdgasbohrstelle Völkersen Zwei zu dem Beben geführt haben. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, kommt dagegen zu dem Schluss, dass das Beben nicht die Ursache für die Risse an Gebäuden ist. Dafür sei es zu schwach gewesen. Ein Gutachter prüft derzeit, ob es einen Zusammenhang gibt. Das Ergebnis soll noch in diesem Herbst vorgestellt werden.
Ein weiterer Zwischenfall hatte die Bürger 2011 aufgeschreckt. Es ging um das Lagerstättenwasser, das bei der Förderung von Erdgas entsteht und das mit Schadstoffen belastet ist. Ein Großteil des Wassers wird wieder zurück in den Boden gepumpt. Der Rest muss in Aufbereitungsanlangen transportiert werden. Auf einer Erdgasförderstelle der RWE Dea war durch eine technische Panne mit Benzol verseuchtes Wasser in das Erdreich gelangt. Mit Fracking habe das nichts zu tun, beschwichtigten Konzernsprecher. Dennoch bleibt die Frage: wohin mit dem belasteten Wasser?
Trotz ungeklärter Fragen - bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe herrscht eine Art Aufbruchsstimmung. Stefan Ladage leitet dort das Forschungs-Projekt NIKO. Die Wissenschaftler untersuchen das Potenzial von Erdgas und Erdöl aus Tongesteinen in Deutschland. Ein erster Zwischenbericht liegt vor. Stefan Ladage:
"Das wichtigste Ergebnis ist, dass wir der Auffassung sind, dass durchaus ein erhebliches Potenzial in Deutschland für Schiefergas gibt, wir haben ermittelt, dass wir etwa 1,3 Billionen Kubikmeter Gas haben, das ist das Zehnfache der verbleibenden Reserven, die wir in Deutschland haben, insofern, sind wir schon der Auffassung, dass die weitere Erkundung der Potenziale lohnenswert sein könnte."
Deutschland deckt seinen Erdgas-Bedarf derzeit zu 13 bis 15 Prozent aus heimischer Förderung. Der Rest muss importiert werden: aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Laut BGR geht der heimische Anteil zurück, weil die Lagerstätten erschöpft sind. Immer mehr Gas müsste also in Zukunft importiert werden. Die Schiefergasförderung hierzulande könne den Rückgang mehr als ausgleichen, heißt es. Die Bundesanstalt geht davon aus, dass Deutschland mit der einheimischen Förderung etwa 100 Jahre weit käme.
Bis zu 4.000 Meter tiefe Bohrungen
In ihrem Forschungsprojekt untersuchen die Wissenschaftler Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe auch die Auswirkungen auf die Umwelt. Grundsätzlich, sagt Stefan Ladage, bedeute Fracking keine Gefahr. Vorausgesetzt, die Bohrungen würden kontrolliert. Generell sei das Grundwasser in etwa 400 Meter Tiefe nicht gefährdet bei Bohrungen, die bis zu 4.000 Meter tief in die Erde gingen.
"Es gibt zahlreiche Barrieren, die den Aufstieg von Frack-Fluiden in das Grundwasser verhindern können, das sind dicke Salzschichten, die wir insbesondere im norddeutschen Becken haben, es gibt Untersuchungen über mögliche Riss-Ausbreitungen, also so ein hydraulischer Frack ist ja nichts anderes als ein Riss, man kann ermitteln, wie hoch diese Risse werden, ob die Trinkwasser führenden Schichten, die sich in den oberen Schichten unseres Geländes aufhalten, ob die durch so einen Riss angefrackt werden könnten."
Auf 1,3 Billionen Kubikmeter Schiefergas wird die Menge geschätzt, die sich unter deutschem Boden befindet - und die gefördert werden kann. Firmen wie Exxon Mobil wollen den Beweis antreten, dass diese Menge stimmt. Erdgas, sagt Sprecherin Ritva Westendorf-Lahouse, leiste einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.
"Deutschland braucht das Erdgas, Erdgas wird spätestens 2030 Energieträger Nummer Eins sein in Deutschland, gerade im Rahmen der Energiewende eine große Bedeutung spielen, und die Gretchenfrage ist eigentlich: Wollen wir alles importieren, oder wollen wir die heimischen Ressourcen, die wir haben, nutzen, dazu zählt Fracking."
Werner Zittel ist Mitglied der Energy Watch-Group, einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Parlamentariern. In einer Untersuchung kommt die Organisation zu dem Ergebnis, dass das Potenzial des Frackings überschätzt wird.
"Diejenigen, die euphorisch auf das Fracking schauen, die machen aus der Not eine Tugend. Und die Not ist, dass die konventionelle Gasförderung deutlich zurückgeht. Das ist in ganz Europa so, und das ist in den USA so. Und eigentlich müsste man sagen, wir müssen Leute entlassen, es gibt keine Möglichkeit mehr, Erdgas zu fördern. Also macht man aus der Not eine Tugend und verkauft etwas, was technisch sehr schwierig zu realisieren ist, mit großen Risiken verbunden ist, und das macht man zur Tugend und erklärt, ah, neue Technologie, und das wird unser Weltbild verändern."
Im Gegensatz zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe geht die Energy Watch-Group nicht davon aus, dass Fracking den Rückgang der konventionellen Förderung ausgleichen kann. Das liegt daran, dass die Quellen, sowohl beim Erdöl als auch beim Erdgas, die mit unkonventionellen Methoden gefördert werden, viel schneller ihr Fördermaximum erreichen als die mit konventionellen Methoden.
"Insbesondere kommt das meiste Gas am Anfang in den ersten paar Tagen oder ein, zwei Monaten raus, und dann lässt die Förderung sehr schnell nach. Das heißt, wenn sie 1000 Bohrungen abteufen, dann haben sie kurzfristig 1000 Bohrungen - aber dann müssen sie jeden Monat Bohrungen zusätzlich bohren, um nur dieses Niveau zu halten."
Die Folge: Immer öfter müssten Firmen immer weniger ergiebige Quellen anzapfen. Mit dem Effekt, dass diese wiederum schneller ausgebeutet sind.
"Und das ist ein Rennspiel, Sie müssen also immer schneller laufen und bleiben mehr oder weniger auf der Stelle stehen, und man kann abwarten, wie lange das dann geht, bis es dann eben nimmer geht. Bis dann die Förderung zurückgeht."
In den USA ist Fracking deutlich billiger
Wie bei der Ölförderung. Die konventionelle Ölförderung geht seit Jahren zurück - sie hat 2005 ihren Höhepunkt erreicht. Und die Förderung von Fracking-Öl wird laut Studie zwischen 2015 und 2017 ihren Peak erreicht haben. Diese Zahlen lassen sich laut Zittel auf die Gasförderung übertragen. Dort gehe die Förderung um drei bis sechs Prozent pro Jahr zurück. Bei der unkonventionellen Förderung sind es drei bis sechs Prozent pro Monat.
In den USA haben ökonomische, politische und geologische Voraussetzungen den Fracking-Boom ausgelöst. Gefrackt wird dort in viel dünner besiedelten Gebieten als in Europa, die Umweltauflagen sind längst nicht so streng. Damit ist Fracking auch deutlich billiger als in Europa. Eine Bohrung in den USA koste zwischen drei und dreizehn Millionen Dollar, sagt Werner Zittel. In Deutschland würde man schnell bei 15 Millionen Dollar landen.
"Langfristig wissen wir auch, dass die Perspektive Umstieg auf erneuerbare Energien ist. Das ist ja auch anerkannt. Nur im Detail muss ich dann auch was dafür tun. Ich muss meine Abhängigkeiten dann auch reduzieren. Ich kann zwar sagen, ich will zwar in die Erneuerbaren gehen, aber ich stecke neues Geld rein, um meine Abhängigkeit in die fossilen zu erhöhen. Das läuft so nicht."
Zittel setzt deshalb aufs Energiesparen. Damit liegt er auf einer Linie mit der Internationalen Energieagentur. Statt neue Energiequellen zu erschließen, so der Rat der IEA, müsse in Europa mehr Energie gespart werden, um sich unabhängiger von Energieimporten zu machen und die CO2-Bilanz zu verbessern.
Mehr Gefahren als Nutzen durch das Fracking sieht auch das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut. Sven Schulze leitet den Bereich Umwelt und Klima. Nur ein Prozent des weltweiten Schiefergas-Vorkommens befinde sich nach groben Schätzungen in Deutschland. Nicht genug, um den Gaspreis zu beeinflussen. Die Vorstellung, Deutschland könne sich unabhängig von russischem Erdgas machen, weist Schulze als unrealistisch zurück.
"Also, es würde uns ein wenig helfen, weil auch die konventionellen Ressourcen zur Neige gehen, allerdings reden wir hier eigentlich über Zeiträume von, na ja, zehn, fünfzehn Jahren."
Gefahr für das Grundwasser
Auf dem Weg hin zur Versorgung mit erneuerbaren Energien werde die Gasförderung aber als Brückentechnologie gebraucht. Derweil sorgt eine Studie in den USA für neuen Wirbel. Wissenschaftler der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina haben mehr als 100 Wasserproben aus Brunnen gezogen in Gebieten, in denen es große Schiefergasvorkommen gibt. Das Ergebnis: Bei Brunnen im Umkreis von einem Kilometer um Fracking-Anlagen war die Belastung mit Methan, Ethan und Propan um ein Vielfaches höher als in anderen Brunnen.
In Hamburg lehnt inzwischen auch der Chef von Hamburg Wasser, Michael Beckereit, Fracking ab. Es bestehe durchaus die Gefahr, dass das Grundwasser mit Chemikalien verseucht werde. Für Christoph von Lieven, Energie-Experte bei Greenpeace, ist die Aufsuchungserlaubnis Vierlande absurd.
"Jede Behörde hat das Recht, wenn Umweltschäden oder Schäden für die Menschen zu befürchten sind, auch diese Erlaubnis zu verweigern, das ist fahrlässig. Das ist fahrlässig, weil Fracking potenziell umwelt- und gesundheitsgefährdend ist, weil Fracking nicht notwendig ist, weil wir keine neuen fossilen Energieträger brauchen und weil diese Gefährlichkeit immer an erste Stelle treten muss und das Vorsorgeprinzip, die Bevölkerung zu schützen."
Die Parteien der Hansestadt fordern den Senat jetzt auf, beim Fracking umwelttoxische Substanzen abzulehnen, Fracking in Wasserschutzgebieten zu verbieten und sicherzustellen, dass alle zuständigen Behörden Informationen über Fracking - Einsätze bekommen. Jens Kerstan, Fraktionsvorsitzender der Grünen, wertet den Antrag als Erfolg.
"Und es sieht jetzt danach aus, als ob die SPD jetzt vor unserem Druck auch den Kurswechsel vollzieht, wir haben uns auf ein gemeinsames Petitum geeinigt, von dem wir ausgehen, dass es in Zukunft dafür sorgen wird, dass Fracking in Hamburg nicht angewendet werden kann."
Ziel des Antrags ist, Gasbohrungen zu verhindern. Kerstan fordert zudem, das Bergrecht zu ändern, damit Umweltschutz und Bürgerbeteiligung eine größere Bedeutung beim Fracking haben. Weiter ist schon Frankreich. Vor Kurzem hat ein Pariser Gericht entschieden: Fracking bleibt verboten. Es wies damit die Klage einer texanischen Firma gegen das gesetzliche Verbot von Versuchsbohrungen ab.
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