Fracking

Anbohren und Abhören

Ein Fracking-Bohrturm in der Abenddämmerung.
Ein Fracking-Bohrturm in der Abenddämmerung. © dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo
Von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster  · 23.11.2014
In Polen herrscht Goldgräberstimmung und alle wollen das eine: Schiefergas. Doch die sonst so unpolitischen Bürger gehen angesichts der umstrittenen Abbaumethode Fracking auf die Barrikaden - und rufen so den Geheimdienst ABW auf den Plan.
"Leider haben wir niemanden, der ihnen Auskunft geben kann". Das war die Antwort auf unzählige Mails und Anrufe. Der Energie-Konzern Chevron wollte einfach kein Interview geben zum Thema Fracking in Polen. Das macht natürlich neugierig. Erst Recht, wenn sich ein kleines Dorf dem Weltkonzern entgegenstellt.
Das Dorf heißt Zurawlow und befindet sich im Osten Polens, 40 Kilometer entfernt von der ukrainischen Grenze.
Hier einige Kostproben aus der Reportage über die Situation in Zurawlow:
"Occupy Chevron" fordert ein Transparent am Straßenrand. An den Haltestangen wehen zwei polnische Fahnen. Darunter mahnen sechs aufgespießte Gasmasken. Chevron, einer der größten Energiekonzerne der Welt, will hier nach Schiefergas suchen, hat die Konzession für eine Probebohrung. Der Kleinbauer Andrzej parkt den Traktor. Auf der anderen Straßenseite: ein großer Bauwagen, beklebt mit Protestplakaten "No Fracking" steht da. Und: "Chevron go home". Daneben ein grünes Versammlungszelt, und ein großer Hänger, meterhoch beladen mit Strohballen. Andrzej klettert vom Traktor, begrüßt mit Handschlag einen Kollegen, der am Straßenrand wartet.
"Natürlich ist es nicht einfach Protest und Landwirtschaft unter einen Hut zu bringen", sagt der Kleinbauer. "Aber wir kriegen es schon hin." - "Das muss einfach sein", sagt sein Kollege. "Das muss sein."
Andrzej deutet kurz nach rechts, aufs Nachbarfeld: Da liegt das Chevron-Camp. Ein Bauwagen, ein Dixi-Klo, ein orangener Generator, ein Mast mit einer Scheinwerferbatterie, einer mit einer Rundum-Überwachungskamera. Ein Sicherheitsmann in schwarzer Uniform mit gelber Warnweste blickt herüber, greift zum Telefon. Er bewacht das Chevron Material auf dem Acker. Eine Schaufel, einige Holzpfosten und ein paar Rollen Zaundraht.
Es gibt in Zurawlow kein Trinkwasser - und keine Gasleitung. Das Örtchen mit seinen 96 Einwohnern ist einfach zu abgelegen, um es an die zentrale Versorgung anzuschließen. Wer Gas braucht, kauft es in Flaschen, das Trinkwasser liefert der Untergrund. Jener Untergrund, in dem der US-Konzern Chevron Schiefergas vermutet. Lange Zeit ahnen die Einwohner von Zurawlow nichts davon. Bis der Energieriese zu einem Informationsgespräch lädt. Barbara Siegienczuk erinnert sich noch gut an das üppige Buffet. Mit Garnelen, Tintenfisch, Muscheln – Meeresfrüchten, die viele hier noch nie probiert hatten.
"Das Erste, was sie sagten, war: Sie sind ein Unternehmen, das nichts zu verbergen hat, das voll transparent arbeitet. Und dass sie der Kommune hier ein Angebot machen möchten. Aber als sie im Saal Besucher mit Plakaten sahen, die an die Schiefergasförderung in Ecuador erinnerten und an die Verseuchung dort, da bekamen sie es mit der Angst zu tun. Sie forderten den Bürgermeister auf, die Leute vor die Tür zu setzen. Auch die aus den Nachbardörfern. Nur die Bewohner von Zurawlow sollten bleiben."
...
Das Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument oder im barrierefreien Text-Format

"Wir wurden neugierig als wir hörten, dass ein Konzern wie Chevron angeblich niemanden hat, der einem etwas über Fracking in Polen erzählen kann. Und ganz besonders, als wir dann noch von dem kleinen Dorf erfuhren, dass sich einem so großen Konzern entgegenstellt."
Anja Schrum
Anja Schrum© privat
Ernst-Ludwig von Aster
Ernst-Ludwig von Aster© privat