Four More Years

Von Peter Lange · 07.11.2012
Der neue und alte US-Präsident wird beweisen müssen, dass er der Versöhner ist, der die Gräben zwischen den beiden großen Lagern zuschütten kann. Die Finanz- und Wirtschaftsprobleme dulden keinen Aufschub mehr.
Also doch vier weitere Jahre. Barack Obama, der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten, ist kein Betriebsunfall in der US-Geschichte. Als den hätte ihn gern der ressentiment-geladene und von Abstiegsängsten geplagte konservative Teil der amerikanischen Gesellschaft gesehen, und es wäre auch fast gelungen. Denn gemessen an den abgegebenen Stimmen liegt nur ein einziger Prozentpunkt zwischen Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney. Dass der Sieg deutlicher ausfällt, liegt an den Besonderheiten des amerikanischen Wahlrechts.

Obama hat es gerade noch rechtzeitig geschafft, seine Anhänger zu mobilisieren – die jungen Wähler insbesondere. Und auch das war keine Selbstverständlichkeit. Denn die ungeheuren Erwartungen und die Euphorie nach seiner ersten Wahl, das war die eigentliche Hypothek seiner bisherigen Amtszeit – am stärksten ausgedrückt durch den Friedensnobelpreis, als seine Regierung gerade erst richtig ans Arbeiten kam. Dass seine Anhänger trotz enttäuschter Hoffnungen zur Wahl gegangen sind, sagt auch etwas aus über die Reife dieser durch und durch demokratischen Gesellschaft, über die wir ja gern mal die Nase rümpfen.

Seine zweite Amtszeit kann Obama ohne die Hypothek überzogener Erwartungen antreten. Alle wissen jetzt, dass auch er nicht übers Wasser laufen kann. Dass auch ein schwarzer Präsident in das Machtgefüge in Washington eingebunden ist und von diesem zeitweise politisch gelähmt werden kann. Es kann nun eine Zeit harter, nüchterner Realpolitik mit unangenehmen Kompromissen und ohne jedes visionäre Flair kommen. Und der Präsident wird beweisen müssen, dass er der Versöhner ist, der die Gräben zwischen den beiden großen Lagern zuschütten kann.

Dabei könnte ihm entgegenkommen, dass der Hang zur Obstruktion im Kongress nun schwindet. Denn ein einflussreicher Teil des politischen Establishments hatte vier Jahre lang nur ein politisches Ziel: Aus Obama einen One-Term-President zu machen. Wer jetzt in den Kongress gewählt worden ist, hat ebenso wie der Präsident ein Mandat zur Kooperation bekommen. Die Finanz- und Wirtschaftsprobleme dulden keinen Aufschub mehr. Guantánamo ist eine weiterhin schwärende Wunde, was die Glaubwürdigkeit des US-Rechtsstaats angeht. Und in Afghanistan ist noch längst nicht ausgemacht, ob der Truppenabzug am Ende nicht zu einer Flucht à la Saigon wird.

Der neue Präsident, der der alte ist, tritt mit einer funktionierenden Mannschaft an. Den politischen Stillstand, den ein Machtwechsel im Weißen Haus regelmäßig zur Folge hat, wird es nicht geben. In einer Position, und die ist für die Europäer besonders interessant, wird es einen Wechsel geben: Im Amt des Außenministers. Diese Personalie wird einen ersten Aufschluss darüber geben, welche Priorität die Außen- und Europapolitik in der zweiten Amtszeit von Barack Obama haben wird.
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